Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Reformatio in peius bei Drittwiderspruch?

Reformatio in peius bei Drittwiderspruch?

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Prinzessin P erhält eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Garage für ihr Motorrad. Nachbar N legt gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein und verlangt die Erteilung einer Auflage bezüglich des Brandschutzes. Widerspruchsbehörde W fügt der Genehmigung die begehrte Auflage hinzu.

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Einordnung des Falls

Reformatio in peius bei Drittwiderspruch?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine reformatio in peius liegt vor, wenn die Widerspruchsbehörde den angegriffenen Verwaltungsakt zuungunsten des Widerspruchsführers abändert.

Ja!

Das „Problematische“ an der sog. Verböserung besteht darin, dass der Adressat eines Verwaltungsakts gegen diesen Widerspruch einlegt in der Hoffnung, eine für ihn günstigere Entscheidung der Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde zu erhalten. Erlässt die Widerspruchsbehörde dann aber einen Widerspruchsbescheid, der für den Widerspruchsführer noch „schlechter“ ist, stellt sich die Frage, ob das im Sinne der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zulässig ist oder das Vertrauen des Widerspruchsführers, dass er nach dem Widerspruch nicht noch schlechter dasteht, geschützt werden muss.
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2. W hat auf Ps Widerspruch hin den ursprünglichen Verwaltungsakt zu Ps Nachteil verändert.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Widerspruchsverfahren ist in den §§ 68ff. VwGO geregelt. Es beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs durch den Widerspruchsführer (vgl. § 69 VwGO). Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist die gegenüber P ergangene Baugenehmigung. Hiergegen hat P gerade keinen Widerspruch eingelegt, sondern ihr Nachbar N.

3. W hat auf Ns Widerspruch hin den ursprünglichen Verwaltungsakt zu Ns Nachteil verändert.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine reformatio in peius liegt vor, wenn die Widerspruchsbehörde einen angegriffenen Verwaltungsakt im Widerspruchsverfahren durch einen den Widerspruchsführer noch stärker belastenden Verwaltungsakt ersetzt. Die gegenüber P erlassene Baugenehmigung (= Verwaltungsakt), konkreter: das daraus entstehende Recht der P, die Garage zu bauen, könnte N als Nachbarn belasten. Die erlassene Auflage schränkt die Baugenehmigung ein. Dadurch ist keine stärkere Belastung des N entstanden. Vielmehr hat N sein Rechtsschutzziel, nämlich die Erteilung einer Auflage gegenüber P, erreicht. In der Belastung der P liegt eine Begünstigung des N. Dies ist die klassische Konstellation bei sog. drittbelastenden Verwaltungsakten: Die Begünstigung des Adressaten eines Verwaltungsakts bedeutet eine Belastung eines Dritten. Geht dieser erfolgreich gegen den Verwaltungsakt vor, wird hierdurch wiederrum der Adressat der Begünstigung belastet.

4. W hat auf Ns Widerspruch hin einen belastenden Verwaltungsakt gegenüber P erlassen. Spricht man auch in diesem Fall von einer reformatio in peius?

Nein!

Nein! In den Fällen der Drittanfechtung bzw. des Drittwiderspruchs liegt es gerade in der Natur der Sache, dass die Abhilfe des Widerspruchs des Dritten mit einer Belastung des Adressaten des angegriffenen Verwaltungsakts einhergeht. In dieser Konstellation stellt sich auch nicht das „Problem“ der reformatio in peius, welches darin liegt, dass der Begünstigte selbst den Verwaltungsakt angreift und darauf vertraut, die bestehende Begünstigung nicht zu verlieren. Als Begünstigter eines Verwaltungsakts kann man von vornherein nicht darauf vertrauen, dass Dritte nicht hiergegen vorgehen. Ws Abhilfe des Widerspruchs ist keine reformatio in peius, sondern eine reguläre Abhilfe im Widerspruchsverfahren des N (§ 72 VwGO). Die Widerspruchsbehörde kann nicht nur einen Widerspruchsbescheid nach § 73 VwGO erlassen, sondern – wie die Ausgangsbehörde auch – dem Widerspruch nach § 72 VwGO abhelfen.
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