+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Raufbold R randaliert stark alkoholisiert in der Innenstadt und wirft unter anderem Steine auf Vorbeigehende. Polizistin P fordert R schließlich auf, mit auf die Wache zu kommen. Als R sich weigert, verbringt P ihn in eine Ausnüchterungszelle, damit R seinen Rausch ausschläft.
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Einordnung des Falls
Exkurs: Standardmaßnahme mit Ausführungsbefugnis / Kein Verwaltungszwang
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Ingewahrsamnahme ist ein reiner Realakt
Nein!
Die Ingewahrsamnahme ist eine polizeirechtliche Standardmaßnahme, deren Ermächtigungsgrundlage sich in dem jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften findet (vgl. z.B. § 30 Abs. 1 ASOG, § 204 LVwG, § 13 Abs. 1 SPolG). Den Wortlaut der Vorschriften könnte man so verstehen, dass diese die Polizei unmittelbar zur Vornahme eines Realakts, d.h. zur tatsächlichen Ingewahrsamnahme, ermächtigt. Dem allgemeinen System des Polizeirechts entsprechend, ist die tatsächliche Ingewahrsamnahme aber letztlich als Vollzug der behördlichen Anordnung derselben anzusehen. Die Aufforderung der P, dass R mitkommen soll, ist ein (zumindest konkludenter) Erlass eines Verwaltungsakts, wonach R verpflichtet wurde, sich in polizeilichen Gewahrsam zu begeben.
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2. Die Ermächtigungsgrundlage für die Ingewahrsamnahme enthält lediglich die sog. Anordnungsbefugnis.
Nein, das ist nicht der Fall!
Die tatsächliche Ingewahrsahmnahme ist als Vollzug der Anordnung des Gewahrsams einzuordnen. Daher stellt sich die Frage, ob für diesen Vollzug die Vorschriften über den Verwaltungszwang Anwendung finden. Dies wäre dann der Fall, wenn die Ermächtigungsgrundlage selbst nur zum Erlass des Verwaltungsakts berechtigt (= Anordnungsbefugnis). Einige polizeirechtliche Standardmaßnahmen, wie auch die Ingewahrsamnahme, enthalten jedoch zusätzlich auch die sog. Ausführungsbefugnis. Das heißt, dass die Normen sowohl zum Erlass des Verwaltungsakts, als auch zur Vollziehung des Verwaltungsakts ermächtigen.
3. Weil die Ingewahrsamnahme auch die Ausführungsbefugnis enthält, müssen die Voraussetzungen einer Verwaltungsvollstreckung nicht vorliegen.
Ja, in der Tat!
Viele polizeirechtliche Standardmaßnahmen enthalten neben der sog. Anordnungsbefugnis auch die Ausführungsbefugnis. Das bedeutet, dass die Ermächtigungsgrundlage auch zu einem tatsächlichen Handeln der Polizei berechtigt, ohne dass es sich hierbei um ein Verfahren im Sinne der Verwaltungsvollstreckung handelt. Die Voraussetzungen der §§ 6ff. VwVG (bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften) müssen nicht vorliegen. Die Maßnahme wird ausschließlich nach den Vorschriften des Polizei- und Ordnungsrechts beurteilt. Die Rechtmäßigkeit von Rs Ingewahrsamnahme richtet sich hier ausschließlich nach den jeweils einschlägigen landesrechtlichen Normen des Polizeirechts (z.B. § 30 Abs. 1 ASOG, § 204 LVwG, § 13 Abs. 1 SPolG). Zu prüfen wäre hier also, ob der Tatbestand der Ermächtigungsnorm vorliegt und P auf Rechtsfolgenseite ermessensfehlerfrei gehandelt hat.