Betäubungsmittelaufbewahrung und Wohnungsbeschädigung bei Polizeieinsatz – Äquivalenzlehre im Schadensersatzrecht


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Polizei verdächtigt M, 2012 mit Betäubungsmitteln gehandelt zu haben (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Deshalb nimmt sie 2013 bei M eine Wohnungsdurchsuchung vor. Dabei findet sie 30 g Marihuana, die M kurz zuvor illegal erworben hat. Vermieter V verlangt von M Schadensersatz für die durch die Polizei beschädigte Tür (€1.500).

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Schadensersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter richten sich nach allgemeinem Schuldrecht (§ 280 Abs. 1 BGB).

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Ja!

Schadenersatzansprüche des Vermieters bei Verletzung mietvertraglicher Pflichten durch den Mieter stützen sich grundsätzlich auf § 280 Abs. 1 BGB. Eine Ausnahme gilt lediglich für den speziellen Fall des § 536c Abs. 2 S. 1 BGB (Vermieter entsteht ein Schaden durch unterbliebene Mängelanzeige des Mieters).

2. M muss Handlungen unterlassen (z.B. Begehung von Straftaten oder Aufbewahrung von Tatmitteln), die Anlass zu einer rechtmäßigen Beschädigung der Wohnung durch Dritte geben könnten.

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Genau, so ist das!

BGH: Mit der Pflicht, die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln, gehe auch die Pflicht einher, alles zu unterlassen, was zu einem Schaden an der Mietsache führen kann. Ein Mieter, der seine Wohnung zur Begehung von Straftaten oder zur Aufbewahrung von Tatmitteln (hier Betäubungsmitteln) nutzt, müsse ohne weiteres damit rechnen, dass im Zuge strafprozessualer Maßnahmen Schäden an der Wohnung entstehen können (RdNr. 14f.). M habe auf diese Weise seine Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt.

3. Die mietvertraglichen Pflichten erschöpfen sich in der Gebrauchsgewährung der Wohnung durch Vermieter V (§ 535 Abs. 1 BGB) und in der Entrichtung der Miete durch Mieter M (§ 535 Abs. 2 BGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Mietvertrag ist ein vertragliches Schuldverhältnis, kraft dessen der Gläubiger vom Schuldner eine Leistung zu fordern berechtigt ist, § 241 Abs. 1 S. 1 BGB (Äquivalenzinteresse). Es ist jedoch auch eine von Treu und Glauben beherrschte Sonderverbindung, welche die Gegenpartei zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei verpflichtet, § 241 Abs. 2 BGB (Integritätsinteresse). Aufgrund dieser Rücksichtnahmepflichten hat ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln.

4. Die von M begangene Pflichtverletzung (Aufbewahrung der 30 g Marihuana) war äquivalent kausal für den durch Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses entstandenen Schaden an der Wohnungstür.

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Nein!

Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (conditio sine qua non). BGH: Zwischen der Pflichtverletzung des M und der Beschädigung der Tür bestehe ein derartiger Kausalzusammenhang nicht. Dem Durchsuchungsbeschluss lag der Tatvorwurf des unerlaubten Handeltreibens (2012) zugrunde. Daher könne die Aufbewahrung der 30 g Marihuana in der Wohnung (2013) durch M hinweggedacht werden, ohne dass der bei V durch die Beschädigung der Tür eingetretene Schaden entfiele. Die Tür wäre trotzdem aufgebrochen worden (RdNr. 17f.). Mangels kausalen Schadens hat V keinen Schadenersatzanspruch gegen M.

5. M hat vorsätzlich gehandelt und hat deshalb die Pflichtverletzung zu vertreten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).

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Genau, so ist das!

Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Vorsatz ist das Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolgs. Wie im Strafrecht umfasst der Vorsatzbegriff neben dem unbedingten auch den bedingten Vorsatz. Bedingt vorsätzlich handelt, wer den als möglich erkannten pflichtwidrigen Erfolg billigend in Kauf nimmt. M nutzte die Wohnung bewusst zur Aufbewahrung der Betäubungsmittel und handelte somit vorsätzlich.

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