Strafantrag durch Angehörige nach dem Tod des Verletzten

21. November 2024

4,9(3.557 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilt, da sie unberechtigt Geld vom Konto ihrer später verstorbenen Lebenspartnerin E abgehoben hatte, mit der sie in häuslicher Gemeinschaft lebte. Nach Es Tod hatte ihre Mutter M form- und fristgerecht Strafantrag gestellt. Andere Angehörige hatte E nicht.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Strafantrag durch Angehörige nach dem Tod des Verletzten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Leben Täter und Opfer der Untreue in häuslicher Gemeinschaft, ist ein Strafantrag erforderlich (§ 266 Abs. 2 StGB).

Ja!

§ 266 Abs. 2 StGB verweist auf § 247 StGB, wonach ein Strafantrag erforderlich ist, wenn der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft lebt. Es handelt sich um ein absolutes Antragsdelikt, bei dem der Strafantrag nicht durch die Bejahung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ersetzt werden kann. Für die häusliche Gemeinschaft ist es gerade nicht erforderlich, dass ein Verwandtschaftsverhältnis vorlag, denn § 247 StGB erfasst gesondert Angehörige. Es kommt nur auf das tatsächliche Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft an.Achtung: Die Terminologie bei den Antragsdelikten ist nicht einheitlich. Während der BGH (RdNr. 29) und die Praxis lediglich eine binäre Unterteilung in absolute und relative Antragsdelikte vornehmen, wird in der Literatur zum Teil zwischen absoluten, bedingten und relativen Antragsdelikten differenziert. Mehr dazu findest Du: hier.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Mit dem Tod des Verletzten kann das Strafantragsrecht von ihm auf andere übergehen (§ 77 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Das Antragsrecht ist höchstpersönlich. Es erlischt grundsätzlich mit dem Tod des Verletzten, soweit es noch nicht ausgeübt ist. Nur in den Fällen, die das Gesetz bestimmt, geht es auf Angehörige über (§ 77 Abs. 2 S. 1 StGB), vorrangig auf den Ehegatten, den Lebenspartner und die Kinder, von denen dann jeder den Antrag selbstständig stellen kann (§ 77 Abs. 4 StGB). Nachrangig geht das Antragsrecht auf die Eltern, Geschwister oder Enkel des Verstorbenen über (§ 77 Abs. 2 S. 2 StGB).

3. Zur Zeit des Todes bestand eine Lebenspartnerschaft zwischen A und E. Kann in einem solchen Fall das Strafantragsrecht nur auf A übergehen?

Nein, das trifft nicht zu!

Das Strafantragsrecht geht vorrangig auf Ehegatten, Lebenspartner und Kinder über (§ 77 Abs. 2 S. 1 StGB). Hat der Verletzte weder einen Ehegatten, oder einen Lebenspartner noch Kinder hinterlassen oder sind sie vor Ablauf der Antragsfrist gestorben, so geht das Antragsrecht auf die Eltern über (§ 77 Abs. 2 S. 2 StGB). War aber ein Angehöriger an der Tat beteiligt, so scheidet er bei dem Übergang des Antragsrechts aus (§ 77 Abs. 2 S. 3 StGB). Angehörige ist auch die Lebenspartnerin (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB).Da A selbst Täterin war, scheidet sie von vorneherein als vorrangige Rechtsnachfolgerin aus.

4. M konnte vorliegend wirksamen Strafantrag wegen der zum Nachteil ihrer Tochter begangenen Untreue (§ 266 StGB) stellen.

Nein!

Gemäß § 77 Abs. 2 StGB geht das Antragsrecht auf die Angehörigen nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen über. Im Fall des § 266 Abs. 2 StGB sieht das Gesetz einen Übergang des Antragsrechtes jedoch nicht vor. Ms Strafantrag war daher unwirksam. In der Revisionsinstanz ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen (§ 354 Abs. 1 StPO). Fälle, in denen das Strafantragsrecht übergehen kann, finden sich etwa in § 194 Abs. 1 S. 6 StGB oder § 230 Abs. 1 S. 2 StGB. Immer im Auge haben sollte man auch das eigene Antragsrecht des Dienstvorgesetzten (§ 77a StGB)
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FI

finnjh

10.7.2024, 18:48:56

Hallo, kurze Verständnisfrage: Hier bleibt die Rechtsprechung also streng am Wortlaut "hat der Verletzte weder einen Ehegatten, oder einen Lebenspartner..." anstatt A gem. § 77 II 3 StGB auszuschließen und stattdessen die M nach Satz 2 zuzulassen? Die Begründung ist, dass E eine Lebenspartnerin hatte, auch wenn diese nicht antragsberechtigt ist?

JO

Johannes

13.11.2024, 10:35:57

Die Auflösung steht in der letzten Antwort: Hier gibt es kein Übergang des Antragsrechts, weil dies nach § 77 II 1 StGB nur "in den Fällen, die das Gesetz bestimmt" übergeht und § 266 II StGB das - anders als zB § 194 I 6 StGB - nicht vorsieht.

FI

finnjh

17.11.2024, 21:41:37

Stimmt, etwas einfacher als gedacht. Hab mich hier von der Ausführlichkeit der 3. Frage etwas verwirren lassen. Der Thread kann meines Erachtens gelöscht werden. :) Danke dir.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen