Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die StA-Klausur im Assessorexamen
Das materielle Gutachten
Zeugnisverweigerung erst im Prozess - Urkunden, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge übergeben hat
Zeugnisverweigerung erst im Prozess - Urkunden, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge übergeben hat
2. April 2025
14 Kommentare
4,7 ★ (4.596 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Beschuldigter B ist verdächtig, sein Schulzeugnis gefälscht zu haben. Seine Mutter M wird als Zeugin vernommen und übergibt den Vernehmungsbeamten das Originalzeugnis des B, welches sie zuhause gefunden hat. Dies bereut M nunmehr und verweigert in der Hauptverhandlung ihre Aussage.
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Einordnung des Falls
Zeugnisverweigerung erst im Prozess - Urkunden, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge übergeben hat
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Darf M in der Hauptverhandlung ihre Aussage verweigern?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. M hat erst in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Nach § 252 StPO darf daher auch das zuvor von ihr übergebene Originalzeugnis nicht im Strafverfahren verwertet werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
HenniPotter
14.10.2023, 11:33:36
Hallo. Ich verstehe nicht, wo der Unterschied zwischen dem Zeugnis (das hier nicht verwertet werden darf) und dem Brief der Ehefrau in der Aufgabe davor (in dem der beschuldigte Ehemann entsprechende Taten zuzugeben hat, der aber verwertet werden kann) liegt.
Sessi
19.10.2023, 09:51:06
Gute Frage, verstehe ich leider gerade auch nicht … <@[Jurafuchs ](51195)
Nicolas
6.12.2023, 17:45:21
Der Unterschied liegt darin, dass es sich bei dem Brief aus der Aufgabe davor um eine eigene schriftliche Erklärung des Zeugen selbst handelt. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dieser Aufgabe, bei dem Zeugnis, um ein Schriftstück, das keine eigene Erklärung der Zeugin beinhaltet und ihm Rahmen der Vernehmung, als Bestandteil der Aussage, übergeben wurde.
HenniPotter
6.12.2023, 17:50:43
Es handelt sich aber doch um eine Erklärung des Ehemannes (sein Brief - soweit ich mich richtig erinnere). Das heißt, es wäre ja danach gerade keine eigene Erklärung sondern eine vorangegangene des "Täters" & dessen Verwertbarkeit ist ja bei späteren Schweigen nicht geschützt. Die Übergabe beinhaltet auch kein Zu eigen machen der Erklärung - denn als Zeugin gibt sie ja eigene Bekundungen wieder. Geschützt werden könnte danach nur, wenn sie das wiederholt, was im Brief steht oder wird die Übergabe als Äquivalent dessen gesehen ? Dass man quasi annimmt, wenn sie den Brief übergibt könnte sie auch "einfach das wiederholen, was drin steht" ?
Nicolas
6.12.2023, 18:14:52
@[HenniPotter](217971) das hast Du mE falsch in Erinnerung. Die Körperverletzung im vorherigen Fall wurde zum Nachteil des Ehemanns begangen. Täterin war also die B. Den Brief hat aber der Ehemann geschrieben. Deshalb ist der Brief keine Erklärung der Täterin, sondern des Ehemanns, also des Zeugen selbst.
HenniPotter
22.12.2023, 14:53:51
Also, ich habe nochmal nachgeschaut. Jurafuch sagt in der Aufgabe davor, dass schriftliche Mitteilungen und Erklärungen des Zeugen in dem anhängigen Verfahren (o.a. Verf) auch bei späterer Zeugnisverweigerung des Zeugen jederzeit verwertbar sind. Das gelte insbesondere für Erklärungen des Zeugen in Briefen an den Beschuldigten. In der Subsumtion heißt es "E (Ehemann & Zeuge) hat den Vernehmungsbeamten während der Zeugenvernehmung einen Brief übergeben, der einige die B belastende Aussage erhält. Dieser darf trotz Weigerung verwertet werden. In dieser (Zeugnis) Aufgabe heißt es hingegen,
Urkunden [...], die ein Zeugnisverweigerungsberechtigter im Rahmen einer vorherigen Vernehmung übergeben hat, bei einem späteren berufen auf die Zeugnisverweigerung nicht mehr verwertet werden dürfen. Heißt das, dass der Brief dann keine
Urkundein diesem Sinne ist ? Ansonsten habe ich es immer noch nicht verstanden, worum das Zeugnis Teil der Aussage wird und deshalb nicht verwertet werden kann, der übergebene Brief aber schon.
Heuzi
4.2.2024, 12:17:32
verwirrt mich ebenfalls…
LE221B
13.2.2024, 16:56:02
Ich verstehe den Unterschied auch nicht und wäre dankbar, wenn das Ganze mal aufgeklärt werden würde.
Busches Bester
23.2.2024, 14:12:35
Ich denke das liegt daran, dass die
Urkundehier in dieser Aufgabe, d.h. das Zeugnis, teil der Aussage ist. Die Mutter sagt also aus "mein Sohn hat sein Zeugnis gefälscht und hier ist der Beweis (das echte Zeugnis". In der vorherigen Aufgabe war der Brief des Mannes nicht teil seiner Aussage in der Vernehmung, d.h. keine
Urkunde, die ohne die Aussage der Mutter quasi wertlos gewesen wäre, denn das Zeugnis alleine sagt nicht "der Sohn ist ein
Urkundenfälscher", sondern erst zusammen mit der Aussage der Mutter. Der Brief des Ehemannes hat die Ehefrau hingegen bereits selbst belastet, sodass seine Aussage und der Brief für die Belastbarkeit der Ehefrau separat betrachtet und verwertet werden können.
fabi1
22.5.2024, 14:54:17
Aufklärung vom Jurafuchs Team wäre super!

Nora Mommsen
23.7.2024, 16:39:25
Hallo in die Runde, zunächst bitte ich um Entschuldigung für die späte Antwort hier im Forum durch uns. Dies entspricht nicht unserem eigenen Anspruch und danke an euch für das gegenseitige Rat und Antwort stehen und diskutieren. Auch davon lebt das Forum! Bezüglich der konkreten Frage ist hinsichtlich schriftlicher Erklärungen, die ein Zeuge getätigt hat dem Grunde nach: Schriftliche Erklärungen des Zeugen können als
Urkunden nach § 24
9 StPOeingeführt werden. Das Zeugnisverweigerungsrecht entfaltet auch einen Effekt auf die schriftliche Erklärung die der Zeuge übergeben hat, sodass diese unter §
252 StPOfällt, dann, wenn sie Bestandteil seiner Aussage geworden sind. Die große Frage ist also wann eine schriftliche Erklärung Bestandteil einer Aussage geworden ist. Das lässt sich leider pauschal nicht beantworten, sondern muss einzelfallabhängig entschieden werden. Dabei werden von dem §
252 StPOSchriftstücke und Notizen erfasst, die der Zeuge im Rahmen einer Vernehmung übergeben und zum Inhalt seiner Aussage gemacht hat. Ob dies für sonstige übergebene Beweismittel gilt erscheint fraglich. Der BGH hat dies bei Tonbändern bejaht, da es auf das Speichermedium nicht ankomme. (BGH 23.10.2012 – 1 StR 137/12, NStZ 2013, 247). Ich verstehe, dass es unbefriedigend ist hierzu keine klarere Antwort zu erhalten. Letztendlich ist die Frage, ob die Notiz oder das Schriftstück Inhalt der eigenen Aussage geworden ist. Dies lässt sich bei dem Zeugnis bejahen, bei dem Brief ist es naheliegender diesen separat zu betrachten, da die Aussage ohne Brief verständlich ist und andersherum. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

vulpes iuris
14.10.2024, 22:16:59
Wurde die Antwort des vorigen Falls inzwischen geändert? Sonst verstehe ich die Erörterungen hier nicht. Wäre vielleicht nützlich, alte Versionen der Aufgaben- und Lösungstexte in einer Art Bearbeitungshistorie nachvollziehbar zu machen, denn auch bei anderen Aufgaben führen die Community-Beiträge, die sich auf ältere Versionen beziehen, zu Verwirrung oder gar falschem Verständnis.

Sustainable Finance
16.3.2025, 08:34:45
Hey! Grundsätzlich wäre es wohl zweckmäßig, genau für diesem Fall schon im Ermittlungsverfahren vorsichtshalber von der Schule eine Abschrift einzuholen, hier gibt es Aufbewahrungsfristen, die die
Verjährungsfristengrundsätzlich überschreiten dürfen. Um aber beim Fall zu bleiben, nehmen wir mal an, das wäre im Vorfeld nicht passiert und die StA stünde nun nach Zeugnisverweigerung und Unverwertbarkeit des vorhandenen Zeugnisses blöd da. Wäre es zulässig, in der Hauptverhandlung dann einen Beweisantrag nach §
244 StPOzu stellen, durch den jetzt, nachdem die Unverwertbarkeit feststeht, die Einholung des Zeugnisses von der Schule beantragt wird? Ich frage mich, wie weitreichend die Folgen des Zeugnisverweigerungsrechts sind. Mit dem vorliegenden Beispiel ist das vielleicht etwas krumm. Müsste man aber effektiv so tun, als habe man nie von der Existenz des nicht mehr verwertbaren Gegenstandes gewusst, dann hätte man möglicherweise auch keine alternativen Beibringungsmethoden erkennen können, sodass sich hieraus ein
Beweiserhebungsverbotergeben könnte. Bei einem Zeugnis wie gesagt wohl eher unwahrscheinlich, nicht selbst darauf zu kommen, dass das bei der Schule sein könnte, die Frage ist eher allgemeinerer Natur. Viele Grüße 🖖