Referendariat

Die StA-Klausur im Assessorexamen

Das materielle Gutachten

Zeugnisverweigerung erst im Prozess - Urkunden, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge übergeben hat

Zeugnisverweigerung erst im Prozess - Urkunden, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge übergeben hat

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Beschuldigter B ist verdächtig, sein Schulzeugnis gefälscht zu haben. Seine Mutter M wird als Zeugin vernommen und übergibt den Vernehmungsbeamten das Originalzeugnis des B, welches sie zuhause gefunden hat. Dies bereut M nunmehr und verweigert in der Hauptverhandlung ihre Aussage.

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Einordnung des Falls

Zeugnisverweigerung erst im Prozess - Urkunden, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge übergeben hat

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Darf M in der Hauptverhandlung ihre Aussage verweigern?

Ja!

Eine zeugnisverweigerungsberechtigte Zeugin kann sich jederzeit auf die Verweigerung ihres Zeugnisses berufen (vgl. § 252 StPO). M ist als Mutter des B gemäß § 52 Abs.1 Nr.3 StPO zeugnisverweigerungsberechtigt und kann daher ihre Aussage verweigern.
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2. M hat erst in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Nach § 252 StPO darf daher auch das zuvor von ihr übergebene Originalzeugnis nicht im Strafverfahren verwertet werden.

Genau, so ist das!

Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Auch Urkunden oder Tonbandaufzeichnungen, die ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge im Rahmen einer vorherigen Vernehmung den Vernehmungsbeamten übergeben hat, sind bei späterem Berufen auf das Zeugnisverweigerungsrecht nicht verwertbar. Das von M vorgelegte Originalzeugnis stellt eine Urkunde dar, die aufgrund späterer Zeugnisverweigerung nicht im Strafverfahren verwertet werden darf.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HEN

HenniPotter

14.10.2023, 11:33:36

Hallo. Ich verstehe nicht, wo der Unterschied zwischen dem Zeugnis (das hier nicht verwertet werden darf) und dem Brief der Ehefrau in der Aufgabe davor (in dem der beschuldigte Ehemann entsprechende Taten zuzugeben hat, der aber verwertet werden kann) liegt.

SES

Sessi

19.10.2023, 09:51:06

Gute Frage, verstehe ich leider gerade auch nicht … <@[Jurafuchs ](51195)

NIC

Nicolas

6.12.2023, 17:45:21

Der Unterschied liegt darin, dass es sich bei dem Brief aus der Aufgabe davor um eine eigene schriftliche Erklärung des Zeugen selbst handelt. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei dieser Aufgabe, bei dem Zeugnis, um ein

Schriftstück

, das keine eigene Erklärung der Zeugin beinhaltet und ihm Rahmen der Vernehmung, als Bestandteil der Aussage, übergeben wurde.

HEN

HenniPotter

6.12.2023, 17:50:43

Es handelt sich aber doch um eine Erklärung des Ehemannes (sein Brief - soweit ich mich richtig erinnere). Das heißt, es wäre ja danach gerade keine eigene Erklärung sondern eine vorangegangene des "Täters" & dessen Verwertbarkeit ist ja bei späteren Schweigen nicht geschützt. Die Übergabe beinhaltet auch kein Zu eigen machen der Erklärung - denn als Zeugin gibt sie ja eigene Bekundungen wieder. Geschützt werden könnte danach nur, wenn sie das wiederholt, was im Brief steht oder wird die Übergabe als Äquivalent dessen gesehen ? Dass man quasi annimmt, wenn sie den Brief übergibt könnte sie auch "einfach das wiederholen, was drin steht" ?

NIC

Nicolas

6.12.2023, 18:14:52

@[HenniPotter](217971) das hast Du mE falsch in Erinnerung. Die Körperverletzung im vorherigen Fall wurde zum Nachteil des Ehemanns begangen. Täterin war also die B. Den Brief hat aber der Ehemann geschrieben. Deshalb ist der Brief keine Erklärung der Täterin, sondern des Ehemanns, also des Zeugen selbst.

HEN

HenniPotter

22.12.2023, 14:53:51

Also, ich habe nochmal nachgeschaut. Jurafuch sagt in der Aufgabe davor, dass schriftliche Mitteilungen und Erklärungen des Zeugen in dem anhängigen Verfahren (o.a. Verf) auch bei späterer Zeugnisverweigerung des Zeugen jederzeit verwertbar sind. Das gelte insbesondere für Erklärungen des Zeugen in Briefen an den Beschuldigten. In der Subsumtion heißt es "E (Ehemann & Zeuge) hat den Vernehmungsbeamten während der Zeugenvernehmung einen Brief übergeben, der einige die B belastende Aussage erhält. Dieser darf trotz Weigerung verwertet werden. In dieser (Zeugnis) Aufgabe heißt es hingegen, Urkunden [...], die ein Zeugnisverweigerungsberechtigter im Rahmen einer vorherigen Vernehmung übergeben hat, bei einem späteren berufen auf die Zeugnisverweigerung nicht mehr verwertet werden dürfen. Heißt das, dass der Brief dann keine Urkunde in diesem Sinne ist ? Ansonsten habe ich es immer noch nicht verstanden, worum das Zeugnis Teil der Aussage wird und deshalb nicht verwertet werden kann, der übergebene Brief aber schon.

HEUZ

Heuzi

4.2.2024, 12:17:32

verwirrt mich ebenfalls…

LE221B

LE221B

13.2.2024, 16:56:02

Ich verstehe den Unterschied auch nicht und wäre dankbar, wenn das Ganze mal aufgeklärt werden würde.

Busches Bester

Busches Bester

23.2.2024, 14:12:35

Ich denke das liegt daran, dass die Urkunde hier in dieser Aufgabe, d.h. das Zeugnis, teil der Aussage ist. Die Mutter sagt also aus "mein Sohn hat sein Zeugnis gefälscht und hier ist der Beweis (das echte Zeugnis". In der vorherigen Aufgabe war der Brief des Mannes nicht teil seiner Aussage in der Vernehmung, d.h. keine Urkunde, die ohne die Aussage der Mutter quasi wertlos gewesen wäre, denn das Zeugnis alleine sagt nicht "der Sohn ist ein Urkundenfälscher", sondern erst zusammen mit der Aussage der Mutter. Der Brief des Ehemannes hat die Ehefrau hingegen bereits selbst belastet, sodass seine Aussage und der Brief für die Belastbarkeit der Ehefrau separat betrachtet und verwertet werden können.

FABI1

fabi1

22.5.2024, 14:54:17

Aufklärung vom Jurafuchs Team wäre super!

Kind als Schaden

Kind als Schaden

31.5.2024, 18:16:33

Urkunden fallen nur dann unter das Verlesungsgebot des §

252 StPO

, wenn sie Bestandteil einer Zeugenaussage wurden. Darin besteht der Unterschied in diesen zwei Fällen. Busches Bester hat das korrekt erklärt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2024, 16:39:25

Hallo in die Runde, zunächst bitte ich um Entschuldigung für die späte Antwort hier im Forum durch uns. Dies entspricht nicht unserem eigenen Anspruch und danke an euch für das gegenseitige Rat und Antwort stehen und diskutieren. Auch davon lebt das Forum! Bezüglich der konkreten Frage ist hinsichtlich schriftlicher Erklärungen, die ein Zeuge getätigt hat dem Grunde nach: Schriftliche Erklärungen des Zeugen können als Urkunden nach § 249 StPO eingeführt werden. Das Zeugnisverweigerungsrecht entfaltet auch einen Effekt auf die schriftliche Erklärung die der Zeuge übergeben hat, sodass diese unter §

252 StPO

fällt, dann, wenn sie Bestandteil seiner Aussage geworden sind. Die große Frage ist also wann eine schriftliche Erklärung Bestandteil einer Aussage geworden ist. Das lässt sich leider pauschal nicht beantworten, sondern muss einzelfallabhängig entschieden werden. Dabei werden von dem §

252 StPO

Schriftstück

e und Notizen erfasst, die der Zeuge im Rahmen einer Vernehmung übergeben und zum Inhalt seiner Aussage gemacht hat. Ob dies für sonstige übergebene Beweismittel gilt erscheint fraglich. Der BGH hat dies bei Tonbändern bejaht, da es auf das Speichermedium nicht ankomme. (BGH 23.10.2012 – 1 StR 137/12, NStZ 2013, 247). Ich verstehe, dass es unbefriedigend ist hierzu keine klarere Antwort zu erhalten. Letztendlich ist die Frage, ob die Notiz oder das

Schriftstück

Inhalt der eigenen Aussage geworden ist. Dies lässt sich bei dem Zeugnis bejahen, bei dem Brief ist es naheliegender diesen separat zu betrachten, da die Aussage ohne Brief verständlich ist und andersherum. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

vulpes iuris

vulpes iuris

14.10.2024, 22:16:59

Wurde die Antwort des vorigen Falls inzwischen geändert? Sonst verstehe ich die Erörterungen hier nicht. Wäre vielleicht nützlich, alte Versionen der Aufgaben- und Lösungstexte in einer Art Bearbeitungshistorie nachvollziehbar zu machen, denn auch bei anderen Aufgaben führen die Community-Beiträge, die sich auf ältere Versionen beziehen, zu Verwirrung oder gar falschem Verständnis.


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