Einseitige EVB Erklärung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft bei V ein Schlagzeug-Set. Da er den Kaufpreis nicht sofort bezahlen kann, vereinbart er mit V eine Ratenzahlung. Erst bei der Übereignung erklärt V, dass er nur unter Eigentumsvorbehalt übereigne. K lehnt dies ab.
Einordnung des Falls
Einseitige EVB Erklärung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Eigentumsvorbehalt kann auch nur auf dinglicher Ebene vereinbart werden.
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Genau, so ist das!
2. K und V haben sich auf dinglicher Ebene über einen Eigentumsvorbehalt geeinigt.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. K kann von V die unbedingte Übereignung fordern.
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Ja!
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Fawen
20.6.2021, 12:48:10
Grundsätzlich kann aber doch zwischen Kauf und Übergabe auf einen Eigentumsvorbehalt begrenzt werden, sofern das vom Verkäufer vor Übergabe deutlich gemacht wird und einer zur vertragsgestaltung ermächtigten Person zugeht. Somit hätte V hier ja wirksam einen ET-Vorbehalt eingeführt, sodass gerade kein Anspruch auf unbedingte Übereignung aus § 433 I mehr besteht, oder?

Ferdinand
21.6.2021, 11:10:16
V hat sich ja schuldrechtlich zur unbedingten Übereignung verpflichtet, K hat einen entsprechenden Anspruch erworben und kann die Übereignung verlangen. Da Ratenzahlung vereinbart worden ist, kann V sich auch nicht auf § 320 BGB berufen. Ein Eigentumsvorbehalt wäre zwar möglich, allerdings nur, wenn K dem zustimmt. Insofern würde die schuldrechtliche Grundlage des Geschäfts geändert. Einseitig kann V das aber nicht herbeiführen, da er der Bindungswirkung des Vertrages unterliegt. Wenn K nicht mit einem EV einverstanden ist, bliebe dem V nur die Möglichkeit, (vertragswidrig) überhaupt nicht zu übereignen, um Zeit zu gewinnen. K könnte dann allerdings die Übereignung verlangen und V macht sich schadensersatzpflichtig.

Fawen
21.6.2021, 14:55:17
Wenn man allerdings das Abstraktionsprinzip sehr eng anwenden würde dürfte ja nicht damit argumentiert werden, dass das dingliche Geschäft (nachträgliche Begrenzung auf AnwR) dem schuldrechtlichen Geschäft widerspricht. Schließlich kann ich auch einen Gegenstand wirksam an Person X übereignen, obwohl ich mit Person B den Kaufvertrag geschlossen habe. Abgesehen davon macht sich der Verkäufer dann natürlich schadensersatzpflichtig, sollte er einen nachträglichen Eigentumsvorbehalt vor Übergabe einführen.

Ferdinand
21.6.2021, 15:40:55
Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung setzt zunächst die dingliche Einigung voraus. Das Abstraktionsprinzip verhindert nicht, dass die dingliche Einigung mit einer schuldrechtlichen Einigung (etwa der Anpassung des Kaufvertrages) verbunden wird. Was Inhalt der Einigung ist, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Vorliegend hat K das Angebot des V, das auf die aufschiebend bedingte Übereignung des Schlagzeug-Sets gerichtet war, aber schon gar nicht angenommen. Daher ist weder eine Übereignung (mit oder ohne Eigentumsvorbehalt) noch eine Änderung des Kaufvertrages herbeigeführt worden. Daher hat K weiterhin einen Anspruch auf unbedingte Übereignung der Kaufsache aus § 433 I BGB. Einseitig kann V keinen Eigentumsvorbehalt „einführen“.
Fuchsfrauchen
9.12.2022, 18:04:07
Was wäre denn, wenn K und V sich auf schuldrechtlicher Ebene auf einen Eigentumsvorbehalt geeinigt hätten - dann aber K bei der Eigentumsübertragung nichts mehr davon wissen will!? Hat K dann immer noch ein Anrecht auf unbedingte Übereignung? Mit Blick auf das Abstraktionsprinzip vermutlich schon. Oder? 🤔
InDubioProsecco
15.6.2023, 20:37:25
@[Fuchsfrauchen](89264) Nein, dann hat er einen Anspruch auf bedingte Übereignung, also unter Eigentumsvorbehalt. Die schuldrechtliche Vereinbarung gestaltet ja den Anspruch, hier dann eben einen Anspruch auf bedingte Eigentumsübertragung.

Vincent
23.11.2021, 14:43:04
Ich hätte auch noch an einen Dissens gedacht, da sie sich ja offensichtlich nicht einigen konnten - oder ist das komplett verfehlt?:D

Lukas_Mengestu
24.11.2021, 09:52:55
Hallo Vincent, ein schöner Gedanke! Bei der Annahme eines Dissenses muss man allerdings Vorsicht walten lassen. Zum Schutze des Rechtsverkehrs sind rechtsgeschäftliche Erklärungen nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Auf schuldrechtlicher Ebene lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass V zum Zeitpunkt des Kaufvertrages sich nur verpflichten wollte unter Eigentumsvorbehalt zu binden. Dass er später seine Meinung änderte, ist unbeachtlich, denn da bestand die Verpflichtung bereits. Auf dinglicher Ebene liegt in der Tat ein "Totaldissens" vor, d.h. die wesentlichen Bestandteile der dinglichen Einigung (essentialia negotii) liegen nicht vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team