Einseitige EVB Erklärung

27. Mai 2025

17 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K kauft bei V ein Schlagzeug-Set. Da er den Kaufpreis nicht sofort bezahlen kann, vereinbart er mit V eine Ratenzahlung. Erst bei der Übereignung erklärt V, dass er nur unter Eigentumsvorbehalt übereigne. K lehnt dies ab.

Diesen Fall lösen 72,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Einseitige EVB Erklärung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Eigentumsvorbehalt kann auch nur auf dinglicher Ebene vereinbart werden.

Genau, so ist das!

Der Eigentumsvorbehalt kann auch erst nach Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts und nur auf dinglicher Ebene vereinbart werden (§§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB). Da das schuldrechtliche Grundgeschäft die Pflicht zur unbedingten Übereignung enthält (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB), ist die nachträgliche Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts als grundsätzlich zulässige Vertragsänderung des schuldrechtlichen Geschäfts anzusehen.
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2. K und V haben sich auf dinglicher Ebene über einen Eigentumsvorbehalt geeinigt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die dingliche Einigung kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande.K hat das auf vollständige Kaufpreiszahlung aufschiebend bedingte Übereignungsangebot des V nicht angenommen,

3. K kann von V die unbedingte Übereignung fordern.

Ja!

Da eine Vertragsänderung zu einem Eigentumsvorbehalt auf schuldrechtlicher Ebene nicht erfolgte, bleibt V aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zur unbedingten Übereignung verpflichtet. Zwar wäre die Übereignung grundsätzlich gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB nur Zum-um-Zug gegen volle Kaufpreiszahlung zu erfüllen. Hier haben V und K jedoch eine Ratenzahlung vereinbart, sodass V, je nach Absprache, entweder vollständig oder zumindest gegen Zahlung der ersten Rate teilweise vorleistungspflichtig ist (vgl. § 271 Abs. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Fawen

Fawen

20.6.2021, 12:48:10

Grundsätzlich kann aber doch zwischen Kauf und Übergabe auf einen Eigentumsvorbehalt begrenzt werden, sofern das vom Verkäufer vor Übergabe deutlich gemacht wird und einer zur vertragsgestaltung ermächtigten Person zugeht. Somit hätte V hier ja wirksam einen ET-Vorbehalt eingeführt, sodass gerade kein Anspruch auf unbedingte

Übereignung

aus § 433 I mehr besteht, oder?

Ferdinand

Ferdinand

21.6.2021, 11:10:16

V hat sich ja

schuld

rechtlich zur unbedingten

Übereignung

verpflichtet, K hat einen entsprechenden Anspruch erworben und kann die

Übereignung

verlangen. Da Ratenzahlung vereinbart worden ist, kann V sich auch nicht auf

§ 320 BGB

berufen. Ein Eigentumsvorbehalt wäre zwar möglich, allerdings nur, wenn K dem zustimmt. Insofern würde die

schuld

rechtliche Grundlage des Geschäfts geändert. Einseitig kann V das aber nicht herbeiführen, da er der Bindungswirkung des Vertrages unterliegt. Wenn K nicht mit einem EV einverstanden ist, bliebe dem V nur die Möglichkeit, (vertragswidrig) überhaupt nicht zu übereignen, um Zeit zu gewinnen. K könnte dann allerdings die

Übereignung

verlangen und V macht sich

schaden

sersatzpflichtig.

Fawen

Fawen

21.6.2021, 14:55:17

Wenn man allerdings das Abstraktionsprinzip sehr eng anwenden würde dürfte ja nicht damit argumentiert werden, dass das dingliche Geschäft (nachträgliche Begrenzung auf AnwR) dem

schuld

rechtlichen Geschäft widerspricht. Schließlich kann ich auch einen Gegenstand wirksam an Person X übereignen, obwohl ich mit Person B den Kaufvertrag geschlossen habe. Abgesehen davon macht sich der Verkäufer dann natürlich

schaden

sersatzpflichtig, sollte er einen nachträglichen Eigentumsvorbehalt vor Übergabe einführen.

Ferdinand

Ferdinand

21.6.2021, 15:40:55

Die

Übereignung

nach § 929 S. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung setzt zunächst die

dingliche Einigung

voraus. Das Abstraktionsprinzip verhindert nicht, dass die

dingliche Einigung

mit einer

schuld

rechtlichen Einigung (etwa der Anpassung des Kaufvertrages) verbunden wird. Was Inhalt der Einigung ist, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Vorliegend hat K das Angebot des V, das auf die aufschiebend bedingte

Übereignung

des Schlagzeug-Sets gerichtet war, aber schon gar nicht angenommen. Daher ist weder eine

Übereignung

(mit oder ohne Eigentumsvorbehalt) noch eine Änderung des Kaufvertrages herbeigeführt worden. Daher hat K weiterhin einen Anspruch auf unbedingte

Übereignung

der Kaufsache aus § 433 I BGB. Einseitig kann V keinen Eigentumsvorbehalt „einführen“.

FUCH

Fuchsfrauchen

9.12.2022, 18:04:07

Was wäre denn, wenn K und V sich auf

schuld

rechtlicher Ebene auf einen Eigentumsvorbehalt geeinigt hätten - dann aber K bei der Eigentumsübertragung nichts mehr davon wissen will!? Hat K dann immer noch ein Anrecht auf unbedingte

Übereignung

? Mit Blick auf das Abstraktionsprinzip vermutlich schon. Oder? 🤔

INDUB

InDubioProsecco

15.6.2023, 20:37:25

@[Fuchsfrauchen](89264) Nein, dann hat er einen Anspruch auf bedingte

Übereignung

, also unter Eigentumsvorbehalt. Die

schuld

rechtliche Vereinbarung gestaltet ja den Anspruch, hier dann eben einen Anspruch auf bedingte Eigentumsübertragung.

Vincent

Vincent

23.11.2021, 14:43:04

Ich hätte auch noch an einen Dissens gedacht, da sie sich ja offensichtlich nicht einigen konnten - oder ist das komplett verfehlt?:D

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.11.2021, 09:52:55

Hallo Vincent, ein schöner Gedanke! Bei der Annahme eines Dissenses muss man allerdings Vorsicht walten lassen. Zum Schutze des Rechtsverkehrs sind

rechtsgeschäft

liche Erklärungen nach dem

objektiven Empfängerhorizont

auszulegen (

§§ 133, 157 BGB

). Auf

schuld

rechtlicher Ebene lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass V zum Zeitpunkt des Kaufvertrages sich nur verpflichten wollte unter Eigentumsvorbehalt zu binden. Dass er später seine Meinung änderte, ist unbeachtlich, denn da bestand die Verpflichtung bereits. Auf dinglicher Ebene liegt in der Tat ein "

Totaldissens

" vor, d.h. die wesentlichen Bestandteile der dinglichen Einigung (essentialia negotii) liegen nicht vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MEEN

meentangled

10.1.2024, 23:53:27

Hallo, nur zum Verständnis: wenn der V nach einem unbedingten Kaufvertrag, der

schuld

rechtlichen zur unbedingten

Übereignung

verpflichtet, bei der Übergabe nur eine bedingte Übergabe anbietet (wie bei diesem einseitigen EVB), ist die Leistung eines

Anwartschaftsrecht

statt des Eigentums dann eine

Teilleistung

iSv § 266 (zu der V ja nicht berechtigt ist)? Dankeschön :)

Sambajamba10

Sambajamba10

14.6.2024, 06:55:04

Hallo @[meentangled](214066), dies dürfte einfach mit nein zu beantworten sein. Die

Teilleistung

iSv § 266 setzt eine

teilbare Leistung

voraus. Obwohl die Eigentumsverschaffung mehraktig erfolgen kann, stellt sie keine

teilbare Leistung

dar, da sie nicht ohne Beeinträchtigung ihres Zwecks oder Minderung ihres Wertes zerlegbar ist. Dieses Ergebnis leuchtet vom Telos auch ein, denn während § 266 vor lästigen

Teilleistung

en und einer

Schuld

zerstückelung schützen will, schützt das

Anwartschaftsrecht

ja gerade den Erwerber und seinen Eigentumserwerb, weshalb der Erwerber das

Anwartschaftsrecht

im Zweifel nicht wegen § 266 zurückweisen würde. Des Weiteren ist terminologisch aufzupassen: Die Übergabe ist ein

Realakt

und kann damit nicht iSv § 158 bedingt werden, aber ich weiß natürlich, was du aussagen wolltest.

Simon

Simon

8.8.2024, 22:37:05

Ich würde das anders sehen. Man kann hier eine Teilung sehr wohl vornehmen, denn ge

schuld

et sind Übergabe und

Übereignung

, während der Verkäufer hier nur Übergabe anbietet. Sofern ich mich richtig erinnere, vertreten Köhler/Lorenz in ihrem Fallbuch zum

Schuld

recht II aber sogar, dass unter § 266 BGB auch qualitative

Teilleistung

en fallen. Telos des § 266 BGB ist m.E. lediglich, klarzustellen, dass der Gläubiger auch eine (nur) in Teilen vertragsgemäße Leistung nicht annehmen muss. Auf die Teilbarkeit kommt es mMn nicht an. Wenn § 266 BGB schon auf qualitative

Teilleistung

en Anwendung findet, dann erst recht auf diesen Fall.

Sambajamba10

Sambajamba10

8.8.2024, 23:55:12

Hallo Simon, Köhler/Lorenz haben gar kein Fallbuch, ich denke du meinst die Reihe Prüfe dein Wissen. Dass qualitative

Teilleistung

en mittlerweile unter § 266 BGB fallen, mag stimmen, ändert jedoch nichts daran, dass die Eigentumsverschaffung eine einheitliche Verpflichtung darstellt, die demnach gerade nicht teilbar iSv § 266 ist. Nach meinem Dafürhalten ergibt das auch weiterhin Sinn: Wenn mir mein Auto geklaut wird, ich es dir aber eigentlich hätte verschaffen müssen, dann liegt nach hM ebenfalls

Unmöglichkeit

iSv § 275 I und nicht nur Teil

unmöglichkeit

(man könnte ja den Herausgabeanspruch gegen den Dieb abtreten) vor. Überdies müsste der Gläubiger bei Grundstücksgeschäften die Auflassung dann verweigern dürfen, obwohl sich die

Übereignung

in der Praxis nicht anders als "gestreckt" vollziehen lassen könnte. Die Eigentumsverschaffung ist daher ein rechtlicher (unteilbarer) Vorgang (vgl. BGH NJW-RR 1999, 346; Krüger, in: MüKo-BGB, § 266 Rn. 7, der eine "teilbare" Leistung als Voraussetzung für die Anwendung von § 266 benennt)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

9.12.2024, 09:25:20

Hallo @[meentangled](214066), eine gute und gleichzeitig schwierige Frage! Die Schwierigkeit ergibt sich einerseits aus der nicht endgültig geklärten Natur des AnwartschaftsR, das als solches im Gesetz keine besondere Berücksichtigung findet. Andererseits ist auch der Begriff der

Teilleistung

in § 266 BGB nicht unumstritten, zumal er kaum abstrakt und unabhängig von den Einzelheiten des jeweiligen

Schuld

verhältnisses definiert werden kann (MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl 2022, § 266 Rn 3). Wir sehen hier anhand der Beiträge von @[Sambajamba10 ](197381) und @[Simon](131793) schon, dass man für das AnwartschaftsR durchaus diskutieren kann, ob es sich um eine

Teilleistung

handelt. Ich gebe Sambajama10 insoweit Recht, dass man das AnwartschaftsR auf den ersten Blick nicht als

Teilleistung

iSd § 266 BGB sehen würde und auch der Telos der Norm eher gegen eine

Teilleistung

spricht. Nicht ganz so überzeugt bin ich dagegen von dem Argument hinsichtlich der Frage, ob der Erwerber eine Leistung typischerweise zurückweisen würde. Auch eine Teilzahlung eines ge

schuld

eten Betrags würde der Gläubiger idR vorerst nicht zurückweisen, dennoch handelt es sich ja um eine klare

Teilleistung

nach § 266 BGB. Das scheint mir also nicht unbedingt ein geeignetes Differenzierungskriterium. Ich halte die Auffassung von Simon iE für durchaus vertretbar. Der

Teilleistung

sbegriff des § 266 BGB ist nach durchaus verbreiteter Ansicht nicht identisch mit dem Begriff der "teilbaren Leistung" des § 420 BGB, den Du, Sambajamba10, evtl im Kopf hast. Laut MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl 2022, § 266 Rn 3 sei eine

Teilleistung

"jede irgendwie unvollständige Leistung", worunter einige, wie bereits gesagt wurde, zB auch qualitative

Schlechtleistung

en fassen wollen. Führt man sich nun den Charakter des AnwartschaftsR als "wesensgleiches Minus des Eigentums" vor Augen, halte ich es durchaus für vertretbar, darin eine

Teilleistung

zu sehen. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein bloßes aliud, denn durch Ergänzung des geleisteten AnwartschaftsR kann dieses grds noch zum ge

schuld

eten Vollrecht werden (vgl BeckOK-BGB/Lorenz, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 266 Rn 5). Den von Sambajamba10 genannten Herausgabeanspruch sehe ich dagegen als aliud, nicht als

Teilleistung

, weil hier dem Gläubiger kein "Minus" gegeben wird, kein "Teil" des Eigentums, sondern mit einem Anspruch etwas anderes, bei dem der Gläubiger ja auch noch grds das Durchsetzbarkeits- und Vollstreckungsrisiko tragen dürfte. Das Argument mit der Verweigerungsmöglichkeit bei Grundstückskaufverträgen überzeugt mich ebenfalls nicht ganz, weil § 266 BGB nach allgM dispositiv ist (BeckOGK/Krafka, Stand 1.10.2024, § 266 Rn 9) und man das, soweit überhaupt nötig, durch

ergänzende Vertragsauslegung

in eine entsprechende Vereinbarung hineinlesen könnte (BeckOGK/Krafka aaO). Über all das kann man aber wie gesagt diskutieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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