Einseitige EVB Erklärung
27. Mai 2025
17 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft bei V ein Schlagzeug-Set. Da er den Kaufpreis nicht sofort bezahlen kann, vereinbart er mit V eine Ratenzahlung. Erst bei der Übereignung erklärt V, dass er nur unter Eigentumsvorbehalt übereigne. K lehnt dies ab.
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Einordnung des Falls
Einseitige EVB Erklärung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Eigentumsvorbehalt kann auch nur auf dinglicher Ebene vereinbart werden.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. K und V haben sich auf dinglicher Ebene über einen Eigentumsvorbehalt geeinigt.
Nein, das trifft nicht zu!
3. K kann von V die unbedingte Übereignung fordern.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Fawen
20.6.2021, 12:48:10
Grundsätzlich kann aber doch zwischen Kauf und Übergabe auf einen Eigentumsvorbehalt begrenzt werden, sofern das vom Verkäufer vor Übergabe deutlich gemacht wird und einer zur vertragsgestaltung ermächtigten Person zugeht. Somit hätte V hier ja wirksam einen ET-Vorbehalt eingeführt, sodass gerade kein Anspruch auf unbedingte
Übereignungaus § 433 I mehr besteht, oder?

Ferdinand
21.6.2021, 11:10:16
V hat sich ja
schuldrechtlich zur unbedingten
Übereignungverpflichtet, K hat einen entsprechenden Anspruch erworben und kann die
Übereignungverlangen. Da Ratenzahlung vereinbart worden ist, kann V sich auch nicht auf
§ 320 BGBberufen. Ein Eigentumsvorbehalt wäre zwar möglich, allerdings nur, wenn K dem zustimmt. Insofern würde die
schuldrechtliche Grundlage des Geschäfts geändert. Einseitig kann V das aber nicht herbeiführen, da er der Bindungswirkung des Vertrages unterliegt. Wenn K nicht mit einem EV einverstanden ist, bliebe dem V nur die Möglichkeit, (vertragswidrig) überhaupt nicht zu übereignen, um Zeit zu gewinnen. K könnte dann allerdings die
Übereignungverlangen und V macht sich
schadensersatzpflichtig.

Fawen
21.6.2021, 14:55:17
Wenn man allerdings das Abstraktionsprinzip sehr eng anwenden würde dürfte ja nicht damit argumentiert werden, dass das dingliche Geschäft (nachträgliche Begrenzung auf AnwR) dem
schuldrechtlichen Geschäft widerspricht. Schließlich kann ich auch einen Gegenstand wirksam an Person X übereignen, obwohl ich mit Person B den Kaufvertrag geschlossen habe. Abgesehen davon macht sich der Verkäufer dann natürlich
schadensersatzpflichtig, sollte er einen nachträglichen Eigentumsvorbehalt vor Übergabe einführen.

Ferdinand
21.6.2021, 15:40:55
Die
Übereignungnach § 929 S. 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung setzt zunächst die
dingliche Einigungvoraus. Das Abstraktionsprinzip verhindert nicht, dass die
dingliche Einigungmit einer
schuldrechtlichen Einigung (etwa der Anpassung des Kaufvertrages) verbunden wird. Was Inhalt der Einigung ist, ist grundsätzlich durch Auslegung zu ermitteln. Vorliegend hat K das Angebot des V, das auf die aufschiebend bedingte
Übereignungdes Schlagzeug-Sets gerichtet war, aber schon gar nicht angenommen. Daher ist weder eine
Übereignung(mit oder ohne Eigentumsvorbehalt) noch eine Änderung des Kaufvertrages herbeigeführt worden. Daher hat K weiterhin einen Anspruch auf unbedingte
Übereignungder Kaufsache aus § 433 I BGB. Einseitig kann V keinen Eigentumsvorbehalt „einführen“.
Fuchsfrauchen
9.12.2022, 18:04:07
Was wäre denn, wenn K und V sich auf
schuldrechtlicher Ebene auf einen Eigentumsvorbehalt geeinigt hätten - dann aber K bei der Eigentumsübertragung nichts mehr davon wissen will!? Hat K dann immer noch ein Anrecht auf unbedingte
Übereignung? Mit Blick auf das Abstraktionsprinzip vermutlich schon. Oder? 🤔
InDubioProsecco
15.6.2023, 20:37:25
@[Fuchsfrauchen](89264) Nein, dann hat er einen Anspruch auf bedingte
Übereignung, also unter Eigentumsvorbehalt. Die
schuldrechtliche Vereinbarung gestaltet ja den Anspruch, hier dann eben einen Anspruch auf bedingte Eigentumsübertragung.

Vincent
23.11.2021, 14:43:04
Ich hätte auch noch an einen Dissens gedacht, da sie sich ja offensichtlich nicht einigen konnten - oder ist das komplett verfehlt?:D

Lukas_Mengestu
24.11.2021, 09:52:55
Hallo Vincent, ein schöner Gedanke! Bei der Annahme eines Dissenses muss man allerdings Vorsicht walten lassen. Zum Schutze des Rechtsverkehrs sind
rechtsgeschäftliche Erklärungen nach dem
objektiven Empfängerhorizontauszulegen (
§§ 133, 157 BGB). Auf
schuldrechtlicher Ebene lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass V zum Zeitpunkt des Kaufvertrages sich nur verpflichten wollte unter Eigentumsvorbehalt zu binden. Dass er später seine Meinung änderte, ist unbeachtlich, denn da bestand die Verpflichtung bereits. Auf dinglicher Ebene liegt in der Tat ein "
Totaldissens" vor, d.h. die wesentlichen Bestandteile der dinglichen Einigung (essentialia negotii) liegen nicht vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
meentangled
10.1.2024, 23:53:27
Hallo, nur zum Verständnis: wenn der V nach einem unbedingten Kaufvertrag, der
schuldrechtlichen zur unbedingten
Übereignungverpflichtet, bei der Übergabe nur eine bedingte Übergabe anbietet (wie bei diesem einseitigen EVB), ist die Leistung eines
Anwartschaftsrechtstatt des Eigentums dann eine
TeilleistungiSv § 266 (zu der V ja nicht berechtigt ist)? Dankeschön :)

Sambajamba10
14.6.2024, 06:55:04
Hallo @[meentangled](214066), dies dürfte einfach mit nein zu beantworten sein. Die
TeilleistungiSv § 266 setzt eine
teilbare Leistungvoraus. Obwohl die Eigentumsverschaffung mehraktig erfolgen kann, stellt sie keine
teilbare Leistungdar, da sie nicht ohne Beeinträchtigung ihres Zwecks oder Minderung ihres Wertes zerlegbar ist. Dieses Ergebnis leuchtet vom Telos auch ein, denn während § 266 vor lästigen
Teilleistungen und einer
Schuldzerstückelung schützen will, schützt das
Anwartschaftsrechtja gerade den Erwerber und seinen Eigentumserwerb, weshalb der Erwerber das
Anwartschaftsrechtim Zweifel nicht wegen § 266 zurückweisen würde. Des Weiteren ist terminologisch aufzupassen: Die Übergabe ist ein
Realaktund kann damit nicht iSv § 158 bedingt werden, aber ich weiß natürlich, was du aussagen wolltest.

Simon
8.8.2024, 22:37:05
Ich würde das anders sehen. Man kann hier eine Teilung sehr wohl vornehmen, denn ge
schuldet sind Übergabe und
Übereignung, während der Verkäufer hier nur Übergabe anbietet. Sofern ich mich richtig erinnere, vertreten Köhler/Lorenz in ihrem Fallbuch zum
Schuldrecht II aber sogar, dass unter § 266 BGB auch qualitative
Teilleistungen fallen. Telos des § 266 BGB ist m.E. lediglich, klarzustellen, dass der Gläubiger auch eine (nur) in Teilen vertragsgemäße Leistung nicht annehmen muss. Auf die Teilbarkeit kommt es mMn nicht an. Wenn § 266 BGB schon auf qualitative
Teilleistungen Anwendung findet, dann erst recht auf diesen Fall.

Sambajamba10
8.8.2024, 23:55:12
Hallo Simon, Köhler/Lorenz haben gar kein Fallbuch, ich denke du meinst die Reihe Prüfe dein Wissen. Dass qualitative
Teilleistungen mittlerweile unter § 266 BGB fallen, mag stimmen, ändert jedoch nichts daran, dass die Eigentumsverschaffung eine einheitliche Verpflichtung darstellt, die demnach gerade nicht teilbar iSv § 266 ist. Nach meinem Dafürhalten ergibt das auch weiterhin Sinn: Wenn mir mein Auto geklaut wird, ich es dir aber eigentlich hätte verschaffen müssen, dann liegt nach hM ebenfalls
UnmöglichkeitiSv § 275 I und nicht nur Teil
unmöglichkeit(man könnte ja den Herausgabeanspruch gegen den Dieb abtreten) vor. Überdies müsste der Gläubiger bei Grundstücksgeschäften die Auflassung dann verweigern dürfen, obwohl sich die
Übereignungin der Praxis nicht anders als "gestreckt" vollziehen lassen könnte. Die Eigentumsverschaffung ist daher ein rechtlicher (unteilbarer) Vorgang (vgl. BGH NJW-RR 1999, 346; Krüger, in: MüKo-BGB, § 266 Rn. 7, der eine "teilbare" Leistung als Voraussetzung für die Anwendung von § 266 benennt)

Sebastian Schmitt
9.12.2024, 09:25:20
Hallo @[meentangled](214066), eine gute und gleichzeitig schwierige Frage! Die Schwierigkeit ergibt sich einerseits aus der nicht endgültig geklärten Natur des AnwartschaftsR, das als solches im Gesetz keine besondere Berücksichtigung findet. Andererseits ist auch der Begriff der
Teilleistungin § 266 BGB nicht unumstritten, zumal er kaum abstrakt und unabhängig von den Einzelheiten des jeweiligen
Schuldverhältnisses definiert werden kann (MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl 2022, § 266 Rn 3). Wir sehen hier anhand der Beiträge von @[Sambajamba10 ](197381) und @[Simon](131793) schon, dass man für das AnwartschaftsR durchaus diskutieren kann, ob es sich um eine
Teilleistunghandelt. Ich gebe Sambajama10 insoweit Recht, dass man das AnwartschaftsR auf den ersten Blick nicht als
TeilleistungiSd § 266 BGB sehen würde und auch der Telos der Norm eher gegen eine
Teilleistungspricht. Nicht ganz so überzeugt bin ich dagegen von dem Argument hinsichtlich der Frage, ob der Erwerber eine Leistung typischerweise zurückweisen würde. Auch eine Teilzahlung eines ge
schuldeten Betrags würde der Gläubiger idR vorerst nicht zurückweisen, dennoch handelt es sich ja um eine klare
Teilleistungnach § 266 BGB. Das scheint mir also nicht unbedingt ein geeignetes Differenzierungskriterium. Ich halte die Auffassung von Simon iE für durchaus vertretbar. Der
Teilleistungsbegriff des § 266 BGB ist nach durchaus verbreiteter Ansicht nicht identisch mit dem Begriff der "teilbaren Leistung" des § 420 BGB, den Du, Sambajamba10, evtl im Kopf hast. Laut MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl 2022, § 266 Rn 3 sei eine
Teilleistung"jede irgendwie unvollständige Leistung", worunter einige, wie bereits gesagt wurde, zB auch qualitative
Schlechtleistungen fassen wollen. Führt man sich nun den Charakter des AnwartschaftsR als "wesensgleiches Minus des Eigentums" vor Augen, halte ich es durchaus für vertretbar, darin eine
Teilleistungzu sehen. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein bloßes aliud, denn durch Ergänzung des geleisteten AnwartschaftsR kann dieses grds noch zum ge
schuldeten Vollrecht werden (vgl BeckOK-BGB/Lorenz, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 266 Rn 5). Den von Sambajamba10 genannten Herausgabeanspruch sehe ich dagegen als aliud, nicht als
Teilleistung, weil hier dem Gläubiger kein "Minus" gegeben wird, kein "Teil" des Eigentums, sondern mit einem Anspruch etwas anderes, bei dem der Gläubiger ja auch noch grds das Durchsetzbarkeits- und Vollstreckungsrisiko tragen dürfte. Das Argument mit der Verweigerungsmöglichkeit bei Grundstückskaufverträgen überzeugt mich ebenfalls nicht ganz, weil § 266 BGB nach allgM dispositiv ist (BeckOGK/Krafka, Stand 1.10.2024, § 266 Rn 9) und man das, soweit überhaupt nötig, durch
ergänzende Vertragsauslegungin eine entsprechende Vereinbarung hineinlesen könnte (BeckOGK/Krafka aaO). Über all das kann man aber wie gesagt diskutieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team