Unwirksame Beschränkung des Rücktrittsrechts (§ 309 Nr. 8 a) BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
F kauft im Warenhaus Hertie Wandfarbe für ihre Wohnung. H verwendet AGB, die bestimmen, dass der Rücktritt vom Vertrag schriftlich und spätestens innerhalb einer Woche nach einer von H zu vertretenden Pflichtverletzung zu erklären sei.
Einordnung des Falls
Unwirksame Beschränkung des Rücktrittsrechts (§ 309 Nr. 8 a) BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Damit die Klausel an § 309 Nr. 8 a) BGB zu messen ist, müsste es sich um einen Vertrag zur Lieferung neu hergestellter Sachen oder über Werkleistungen handeln.
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. Die Bestimmung, dass der Rücktritt vom Vertrag innerhalb einer Woche zu erklären sei, verstößt gegen § 309 Nr. 8 a) BGB.
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Ja, in der Tat!
3. Die Bestimmung, wonach der Rücktritt schriftlich erklärt werden muss, verstößt ebenfalls gegen § 309 Nr. 8 a) BGB.
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Nein!
4. Die Klausel ist nach dem BGH insgesamt unwirksam, sodass die F den Rücktritt auch mündlich erklären kann.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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QuiGonTim
15.7.2022, 19:46:44
Die Wirksamkeit der Schriftformklausel habe ich noch nicht ganz verstanden. Sie ist nicht unwirksam, weil § 309 Nr. 8 lit. a BGB durch die lex speicialis § 309 Nr. 13 lit. b BGB verdrängt wird. Müsste sie dann nicht nach § 309 Nr. 13 lit. b BGB unwirksam sein? Für den Kaufvertrag über Wandfarbe sieht das Gesetz keine notarielle Beurkundung vor. Die AGB dürfen also kein Formerfordernis vorsehen, dass strenger ist als die Textform. Sie sehen hier doch gerade die strengere Schriftform vor.

Nora Mommsen
3.8.2022, 10:36:36
Hallo QuiGonTim, ich bin nicht sicher, ob ich deine Frage richtig verstanden habe. Der Sachverhalt spricht doch davon, dass die AGB Schriftform vorsehen und keine notarielle Beurkundung - die AGB entsprechen somit der Textformklausel. Wenn die Frage noch besteht, würde ich mich freuen, wenn du sie nochmal erläutern könntest. Liebe Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Daniel
20.12.2022, 10:36:19
Ich habe die gleiche Frage: Die AGB schreiben Schriftform vor. Das ist eine strengere Form als die Textform. Damit müsste die Klausel doch ungültig sein?

der unerkannt geisteskranke E
16.1.2023, 18:03:21
Wäre es tatsächlich Schriftform nach 126, dann wäre die Klausel auch tatsächlich unwirksam. Der wesentliche Unterschied zwischen der Text- und der Schriftform ist allerdings die Notwendigkeit einer Unterschrift oder eines notariell beglaubigten Handzeichens bei der Schriftform. Davon ist im Sachverhalt aber keine Rede; in der Klausel wird also von einer Textform nach 126b gesprochen, die in 309 Nr. 13 b) ausdrücklich erlaubt wird.
Daniel
16.2.2023, 10:54:45
Also wird die Klausel so ausgelegt, dass Textform gemeint ist. Das erscheint mir durchaus nicht fernliegend, sollte aber mMn in den Antworttexten diskutiert und nicht einfach vorausgesetzt werden.

Snow
14.8.2023, 19:17:35
Also die im Fall vorgegebene „Schriftform“ ist in Wirklichkeit eine Textform, weil zu der Bezeichnung als Schriftform nicht zusätzlich eine Pflicht zur Unterschrift enthalten ist? Obwohl dies in dem Wort „Schriftform“ bereits enthalten ist? Ist ja wohl irgendwie die abwegigerer Ansicht, naheliegender wäre es zu denken, dass das Wort „Schriftform“ bedeutet was es bedeutet.
Olaf Müller-Michaels
29.9.2023, 08:49:47
Ich sehe das genauso. Jurafuchs Team, könnt Ihr im Sachverhalt Schriftform in Textform ändern?

Bubbles
6.11.2023, 13:17:04
Ist das der sogenannte "Blue-Pencil-Test"?
Dogu
1.12.2023, 10:56:40
Nicht alle gesetzlichen Lösungsrechte werden hiervon umfasst. Vom Klauselverbot nicht erfasst werden Lösungsrechte in Kauf- oder Werkverträgen, die an den Mangel der Kaufsache oder des Werks anknüpfen.
Leo Lee
2.12.2023, 18:34:36
Hallo Dogu, vielen Dank für dein Feedback! Du hast i.E. völlig Recht, dass 309 8a) ultimativ nicht Werk- oder Kaufverträge erfasst, weil lit. b) die spezielle Regelung ist. Beachte allerdings, dass lit. a) immer noch als GENERALklausel auch den Kauf- und Werkvertrag sehr wohl umfasst; nur wird bei Vorliegen dieser Vertragsarten lit. a) verdrängt (womit wir i.E. dazu kommen, dass lit. a) diese Verträge nicht erfasst…). Wir haben diese Aussage mit aufgenommen aus dogmatischen Gründen und bitten dir insofern um das Verständnis. Wie gesagt wird aber in der Klausur es völlig ausreichen, wenn man unter Hinweis auf den Spezialcharakter direkt den lit. b) prüft. Vertiefend kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Wurmnest § 309 Nr. 8 Rn. 7 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo