Öffentliches Recht

VwGO

Feststellungsklage

Subsidiarität bei verfristetem Rechtsbehelf

Subsidiarität bei verfristetem Rechtsbehelf

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fußball-Fan F steht neben einigen Hooligans vor dem Stadion. Polizistin P erteilt F ein Aufenthaltsverbot vor und in dem Stadion bis zwei Stunden nach dem Spiel, weil sie denkt, F würde als Teil der Hooligans an einer geplanten Schlägerei teilnehmen. Nach 6 Wochen rät ein A dem F, feststellen zu lassen, dass P dazu nicht berechtigt war.

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Einordnung des Falls

Subsidiarität bei verfristetem Rechtsbehelf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Platzverweis ist ein Verwaltungsakt, der sich vor Klageerhebung erledigt hat. Statthaft ist daher die Fortsetzungsfeststellungsklage (analog).

Ja, in der Tat!

Die Fortsetzungsfeststellungsklage analog ist statthaft, wenn sich ein belastender Verwaltungsakt erledigt hat, bevor der Kläger gegen diesen Verwaltungsakt die Anfechtungsklage erheben konnte (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog). Ein Verwaltungsakt ist erledigt, wenn er keine Rechtswirkung mehr entfaltet (vgl. § 43 VwVfG). Zwei Stunden nach dem Spiel hat sich die Regelung des Aufenthaltsverbots (= Verwaltungsakt) erledigt.Die direkte Anwendung der Fortsetzungsfeststellungsklage setzt voraus, dass der Verwaltungsakt sich erst nach Klageerhebung (und nicht schon davor) erledigt.
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2. Die allgemeine Feststellungsklage ist subsidiär zur allgemeinen Fortsetzungsfeststellungsklage.

Ja!

Wegen der engen systematischen Verwandtschaft der Fortsetzungsfeststellungsklage mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage lässt auch eine direkte oder analoge Anwendbarkeit des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO keinen Raum für die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 S. 1 VwGO). Für die vorrangige Statthaftigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage spricht zudem ihre Spezialität gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage. Die Frage, ob P gegenüber F berechtigt gewesen ist, einen Platzverweis auszusprechen, fragt zwar nach dem (Nicht-)Bestehen eines Rechtsverhältnisses. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Platzverweis um einen Verwaltungsakt, der sich erledigt hat. Vorrangig statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage.

3. Sofern die analoge Fortsetzungsfeststellungsklage mittlerweile verfristet ist, kann F trotz des Subsidiaritätsgrundsatzes die Feststellungsklage erheben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Feststellungsklage ist auch dann unzulässig, wenn eine Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage an sich zwar statthaft, im konkreten Fall aber trotzdem unzulässig sind, weil eine spezifische Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt. Die allgemeine Feststellungsklage darf nicht dafür genutzt werden können, die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der jeweiligen Klagen zu umgehen. Statthaft ist hier die Fortsetzungsfeststellungsklage analog (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Teilweise wird vertreten, dass auch für diese die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO gilt. 6 Wochen nach Erlass des Aufenthaltsverbots ist die Klage verfristet. Eine Feststellungsklage schiede aber trotzdem aus.Nach Ansicht des BVerwG besteht bei der FFK dagegen keine Klagefrist. Denn Zweck der Frist sei es, die Bestandskraft des Verwaltungsakts zu sichern. Dies könne bei erledigten Verwaltungsakten nicht erreicht werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

Philippe

18.7.2022, 23:31:03

Seit wann ist es hM, dass die FFK fristengebunden ist? Nach Erledigung des VA kann es keine Bestandskraft mehr geben, deren Schutz das Fristerfordernis bezweckt. Entscheidend ist nur, dass zum Zeitpunkt der Erledigung eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen noch zulässigerweise hätte erhoben werden können, weil aus einer unzulässigen AK/VK keine zulässige FFK werden soll. Oder habe ich den Fall falsch verstanden? Ich bin davon ausgegangen, dass sich das Verbot auf einen konkreten Tag bezieht und daher auch vor Ablauf der 6 Wochen erledigt ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2022, 19:36:40

Hallo Philippe, in der Tat vertritt das BVerwG mit dem von Dir genannten Argument, dass die FFK analog keiner Anfechtungsfrist bedarf. Teilweise wird die Auffassung, dass bei analoger Anwendung der FFK auch die

Klagefrist

zu wahren sei. Folgt man dieser Auffassung, so wäre die

Feststellungsklage

auch dann unstatthaft, wenn die entsprechende

Klagefrist

abgelaufen wäre. Wir haben die Aufgabe dahingehend noch etwas präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

4.9.2023, 13:29:41

Liebes Jurafuchs-Team, ich weiß hier geht es eigentlich um die allg FK und die Subsidiarität der allg FK, aber die FFK wäre hier mE dennoch zulässig: Mit der tvA verfristet die FFK nach

§ 74 VwGO

analog, aber nur wenn vorher eine ordnungsgem. Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt ist. Folglich gilt mit der tvA grds eine Jahresfrist. Mit der Gegenmeinung gibt es bei der FFK keine

Klagefrist

, die Gegenmeinung kommt aber dennoch -über die Verwirkung- zur Jahresfrist.


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