Sicherungsübereignung zeitgleich
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Warenhändlerin W mietet ein Lager von V an. Zur Finanzierung des Einkaufs der Waren erhielt sie ein Darlehen von Bank B. Im Gegenzug übereignete sie an B zur Sicherheit alle gegenwärtigen und künftigen Waren, die sich in dem Lager befinden. Eine Woche später wird ein von W erworbener Schrank ins Lager verbracht.
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Einordnung des Falls
Sicherungsübereignung zeitgleich
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Reicht der Wert eines Gegenstandes nicht aus, um die Forderungen aller Gläubiger zu befriedigen, so kommt es entscheidend auf die Rangfolge der verschiedenen Sicherungsmittel an.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Rangfolge der verschiedenen Sicherungsmittel ist grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip zu entscheiden.
Ja!
3. Die Bank ist Eigentümerin des Schranks nach §§ 929 S.1, 930 BGB geworden, als W diesen ins Lager brachte.
Genau, so ist das!
4. Das Sicherungseigentum der Bank könnte allerdings mit einem vorrangigen Vermieterpfandrecht des V belastet sein.
Ja, in der Tat!
5. Bei einer solchen Kollision zwischen antizipierter Raumsicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht tritt das Vermieterpfandrecht hinter der zeitlich vorher erfolgten antizipierten Sicherungsübereignung zurück (Prioritätsprinzip), sodass V kein Vermieterpfandrecht erworben hat.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
CR7
14.1.2024, 19:59:28
Liebes Team, warum wird in der vorletzten Frage in der Subsumtion (Fraglich ist, ob es sich …) ein neuer Obersatz gebildet, aber letztlich nicht beantwortet? Besteht jetzt ein Vermieterpfandrecht an dem eingebrachten Schrank oder nicht? Wenn man vom Durchgangserwerb ausgeht, dann schon, weil es ja zumindest für eine juristische Sekunde Eigentum des W gab.
Lenale
18.2.2024, 15:30:16
Genau das frage ich mich auch. Ich wäre auch den Weg über den Durchgangserwerb gegangen, sodass man auch keine Ausnahme des Prioritätsprinzips konstruieren müsste, sondern das allenfalls als Untermauerung heranziehen könnte. Ist eine solche Lösung vertretbar?
Kind als Schaden
28.6.2024, 13:06:05
Ich verstehe eure Frage, allerdings entstehen beide Rechte hier mMn gleichzeitig (Vgl. BeckOGK/Reuschle BGB § 562 Rn. 22). Die Frage nach dem Durchgangserwerb stellt sich insoweit dann nicht mehr, falls ich nichts übersehe. Eure Frage würde sich nur dann stellen, wenn die Sicherungs
übereignungso interpretiert wird, dass die Waren überhaupt noch nicht im Lager angekommen sein müssen, um übereignet zu werden. "Künftig" bedeutet mMn, dass die Waren dennoch erst das Lager erreichen müssen, damit sie antizipiert sicherungsübereignet werden.
Sebastian Schmitt
16.9.2024, 10:34:46
Hallo @[CR7](145419), möglicherweise ist jemand aus unserem Team hier bereits tätig geworden, aber ich kann deinen Verweis auf die fehlende Antwort zu unserem Obersatz nicht ganz nachvollziehen. Deine Frage zum VermieterpfandR bzw dazu, ob es sich um eine Sache des Mieters handelt, wird iRd letzten Frage beantwortet ("Da das Vermieterpfandrecht Vorrang genießt, war der Schrank somit eine „Sache des Mieters“, sodass V ein Vermieterpfandrecht am Schrank erworben hat."). Zum Punkt des Durchgangserwerbs halte ich die Ausführungen von @[Kind als Schaden](207572) für durchaus vertretbar: Danach dürfte ein Durchgangserwerb ohnehin stattfinden. In der Sachverhaltsdarstellung heißt es, dass W den Schrank "erworben" hat, was tendenziell dafür spricht, dass der Eigentumserwerb durch W abgeschlossen ist (andere Möglichkeit: Eigentumserwerb erst durch Anlieferung im Lager, wissen wir aber nicht genau). Das VermieterpfandR entsteht nach dem
Wortlautdes § 562 I 1 BGB definitiv erst mit Einbringen des Schranks ins Lager. Diskutieren kann man das für die Sicherungs
übereignung. Nach der Sachverhaltsdarstellung greift sie nur für Waren, die sich im Lager befinden (Bestimmtheitsgrundsatz!) und die Tatsache der "Antizipierung" kann den Zeitpunkt nicht noch weiter vorverlagern. Rechtstechnisch würden VermieterpfandR und Sicherungs
übereignungalso genau gleichzeitig in dem Zeitpunkt wirksam, in dem der Schrank ins Lager gebracht wird. Dem VermieterpfandR wird dann der Vorrang eingeräumt. Eine Ausnahme vom Prioritätsprinzip müssten wir danach gar nicht unbedingt konstruieren, es handelt sich "nur" um eine zeitgleiche Kollision. Etwas anders dagegen unter anderem Schmidt-Futterer/Lammel, MietR, 16. Aufl 2024, § 562 Rn 25 und unsere Falllösung: Neu ins Warenlager eingebrachte Gegenstände sind schon vorab mit dem antizipierten Sicherungseigentum belastet. Dann ebenfalls Kollisionsproblem, aber vor allem auch "Problem" mit dem Prioritätsprinzip. Lösung letztlich aber identisch, VermieterpfandR geht vor. Ein Durchgangserwerb bei W dürfte nach hM grds aber auch hier stattfinden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
clfrsc
9.5.2024, 13:33:51
Hallo, ist es denn wirklich so, dass das Sicherungseigentum in strenger Anwendung des Prioritätsprinzips vor dem Vermieterpfandrecht entsteht? Meinem Verständnis nach stehen beide Sicherungsrechte unter der Bedingung, dass die Waren in das Lager eingebracht werden. Diese Bedingung tritt für dann für beide Rechte gleichzeitig ein. Was habe ich falsch verstanden?
Kind als Schaden
28.6.2024, 12:50:21
Du hast vollkommen Recht, die Lösung zur letzen Frage ist mMn irreführend. Die strenge Anwendung des Prioritätsprinzips führt bei der antizipierten Raumsicherungs
übereignungzu einem gleichzeitigen Entstehen der konkurrierenden Rechte (Vgl. BeckOGK/Reuschle BGB § 562 Rn. 22).
Flohm
17.9.2024, 12:06:22
Siehe auch Kommentare im anderen Thread, da wird es erläutert :)