Sicherungsübereignung zeitgleich

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Warenhändlerin W mietet ein Lager von V an. Zur Finanzierung des Einkaufs der Waren erhielt sie ein Darlehen von Bank B. Im Gegenzug übereignete sie an B zur Sicherheit alle gegenwärtigen und künftigen Waren, die sich in dem Lager befinden. Eine Woche später wird ein von W erworbener Schrank ins Lager verbracht.

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Einordnung des Falls

Sicherungsübereignung zeitgleich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Reicht der Wert eines Gegenstandes nicht aus, um die Forderungen aller Gläubiger zu befriedigen, so kommt es entscheidend auf die Rangfolge der verschiedenen Sicherungsmittel an.

Ja, in der Tat!

Das Rangverhältnis zwischen den verschiedenen Sicherungsrechten ist immer dann relevant, wenn der Wert eines Gegenstandes, der als Sicherheit dient, nicht ausreicht, um die Forderungen aller Gläubiger zu befriedigen. Wer sich zuerst aus dem Gegenstand befriedigen darf, richtet sich nach der Rangordnung.
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2. Die Rangfolge der verschiedenen Sicherungsmittel ist grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip zu entscheiden.

Ja!

Wenn bereits sicherungsübereignete Sachen in die Mieträume eingebracht werden, geht das Vermieterpfandrecht dem Sicherungseigentum nach, da es mangels Eigentums des Mieters nicht entstehen kann. Wenn die Sicherungsübereignung erst nach der Einbringung der Sache in die Mieträume erfolgt, ist das Sicherungseigentum stets mit dem vorrangigen Vermieterpfandrecht belastet.

3. Die Bank ist Eigentümerin des Schranks nach §§ 929 S.1, 930 BGB geworden, als W diesen ins Lager brachte.

Genau, so ist das!

Voraussetzungen für eine wirksame Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB sind: (1) Einigung über den Eigentumsübergang, (2) Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnis (§ 868 BGB), (3) Einigsein, (4) Berechtigung. W und B haben bereits vor Erwerb des Schranks durch W vereinbart, dass alle in das Lager der W eingebrachten Waren an B übereignet werden (antizipierte Einigung). Die Sicherungsabrede stellt dabei das Besitzkonstitut dar (antizipiertes Besitzkonstitut). Insbesondere wurde der Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt, da die Sicherungsübereignung eindeutig alle Waren umfassen soll, die in das Lager verbracht werden (Raumsicherungsvertrag). Folglich ist B mit Verbringen des Schranks ins Lager Eigentümerin des Schranks geworden.

4. Das Sicherungseigentum der Bank könnte allerdings mit einem vorrangigen Vermieterpfandrecht des V belastet sein.

Ja, in der Tat!

Ein Vermieterpfandrecht entsteht bei Vermietung von Gewerberäumen nach §§ 578 Abs. 2, 562 BGB, wenn (1) ein wirksamer Mietvertrag vorliegt, (2) eine Forderung aus dem Mietverhältnis besteht und (3) eine pfändbare, bewegliche Sache des Mieters (4) in die Mieträume eingebracht wurde. Zwischen V und W besteht ein Mietverhältnis nach §§ 535, 578 Abs. 2 BGB. Indem W den Schrank in das Lager gebracht hat, hat er die Sache willentlich in die Mieträume geschafft und damit eingebracht. Fraglich ist allerdings, ob es sich bei dem Schrank beim Einbringen auch um eine „Sache des Mieters“ im Sinne des § 562 BGB handelt. Denn W hat das Eigentum am Schrank bereits antizipiert an die Bank übertragen.

5. Bei einer solchen Kollision zwischen antizipierter Raumsicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht tritt das Vermieterpfandrecht hinter der zeitlich vorher erfolgten antizipierten Sicherungsübereignung zurück (Prioritätsprinzip), sodass V kein Vermieterpfandrecht erworben hat.

Nein!

In einem solchen Kollisionsfall genießt das Vermieterpfandrecht zum Schutz vor dessen wirtschaftlicher Aushöhlung Vorrang vor dem Sicherungseigentum und erstreckt sich daher auch auf solche Sachen, die erst nach der (antizipierten) Sicherungsübereignung in das Warenlager eingebracht werden. Die strenge Anwendung des Prioritätsprinzips würde dazu führen, dass vom Vermieterpfandrecht infolge des Austausches der Gegenstände immer weniger Sachen erfasst würden; denn die aus dem Lager entfernten Sachen werden nach § 562a BGB pfandfrei und die neuen sind vorab aufgrund antizipierter Sicherungsübereignung stets mit dem Sicherungseigentum belastet. Da das Vermieterpfandrecht Vorrang genießt, war der Schrank somit eine „Sache des Mieters“, sodass V ein Vermieterpfandrecht am Schrank erworben hat.
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