Zivilrecht

Sachenrecht

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Sicherungseigentum am AWR + Vermieterpfandrecht, wenn Eigentumserwerb nachträglich stattfindet

Sicherungseigentum am AWR + Vermieterpfandrecht, wenn Eigentumserwerb nachträglich stattfindet

4. Juli 2025

30 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Pizzaliebhaberin P erwirbt einen Pizzaofen unter Eigentumsvorbehalt. Sie stellt ihn in die Küche ihrer von V gemieteten Wohnung. Als P ein Darlehen bei Bank B aufnimmt, veräußert sie als Sicherheit für das Darlehen unter Offenlegung des Eigentumsvorbehalts ihr Anwartschaftsrecht an B. Später tilgt P die letzte Kaufpreisrate.

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Einordnung des Falls

Sicherungseigentum am AWR + Vermieterpfandrecht, wenn Eigentumserwerb nachträglich stattfindet

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vermieter V steht vor der vollständigen Kaufpreiszahlung überhaupt kein Vermieterpfandrecht zu, da P bei Einbringen des Pizzaofens in die Wohnung keine Eigentümerin des Pizzaofens war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vermieterpfandrecht entsteht nach § 562 BGB nur dann, wenn eine Sache des Mieters eingebracht wird. Die Sache muss also im Eigentum des Mieters stehen. Wenn der Mieter aufgrund eines Eigentumsvorbehalts nur aufschiebend bedingtes Eigentum an der Sache erworben hat, erfasst das Vermieterpfandrecht zunächst aber zumindest das dem Mieter zustehende Anwartschaftsrecht. V hat zunächst ein Pfandrecht an Ps Anwartschaftsrecht erlangt.
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2. Mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate durch P hat B Eigentum erworben.

Ja, in der Tat!

Zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts erstarkt das Anwartschaftsrecht in den Händen dessen Inhabers zum Vollrecht. B war zum Zeitpunkt der Tilgung der letzten Rate Inhaber des Anwartschaftsrechts. Durch die Zahlung der P ist die Bedingung eingetreten, §§ 449 Abs. 1, 158 Abs. 1 BGB, und das Anwartschaftsrecht somit in den Händen der B zum Vollrecht erstarkt.

3. B hat ein Anwartschaftsrecht von P nach §§ 929 S. 1, 930 BGB analog erworben.

Ja, in der Tat!

Da das Anwartschaftsrecht ein wesensgleiches Minus zum Vollrecht ist, können für die Übertragung die Vorschriften zum Eigentumserwerb analog angewendet werden. Die Veräußerung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB analog setzt voraus: (1) Einigung, (2) Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, (3) Einigsein, (4) Berechtigung. P und B haben sich über den Übergang des Anwartschaftsrechts geeinigt. B und P haben durch die Sicherungsabrede auch ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. Sie waren auch einig, dass das Anwartschaftsrecht an B übergehen soll. P war auch verfügungsbefugt. Die Belastung des Anwartschaftsrechts mit dem Vermieterpfandrecht zugunsten des V steht dem nicht entgegen. Das Pfandrecht ist ein beschränktes dingliches Recht, das keinen Verlust der Verfügungsbefugnis zur Folge hat. Genauso wie bei der Übertragung des Eigentums ist auch bei der Übertragung des Anwartschaftsrechts zwischen Berechtigung des Veräußerers und Belastung zu unterscheiden. Den Fall zur Übertragung des Eigentums einer mit einem Vermieterpfandrecht belasteten Sache findest du hier.

4. Mit der Übertragung des Anwartschaftsrechts an B ist das Vermieterpfandrecht des V erloschen.

Nein!

Bei der Veräußerung kann ein Recht eines Dritten, das die Sache des Veräußerers belastet, nach § 936 Abs. 1 S. 1 BGB erlöschen, sog. gutgläubiger lastenfreier Erwerb. Genauso wie die Erwerbstatbestände ist auch § 936 BGB beim Anwartschaftsrecht analog anzuwenden. § 936 Abs. 1 S. 1 BGB analog setzt voraus: (1) Rechtsgeschäftlicher Erwerb eines Anwartschaftsrechts, (2) Belastung des Anwartschaftsrechts mit einem dinglichen Recht eines Dritten, (3) Besitzerwerb des Erwerbers entsprechend den Voraussetzungen der §§ 932 ff., § 936 Abs. 1 S. 2, 3 BGB analog, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers hinsichtlich der Lastenfreiheit, § 936 Abs. 2 BGB analog, (5) Kein Ausnahmefall gem. § 936 Abs. 3 BGB analog, (6) Kein Abhandenkommen der Sache vom Rechtsinhaber, § 935 BGB doppelt analog. Ein rechtsgeschäftlicher Erwerb zwischen P und B liegt vor. Das Vermieterpfandrecht des V ist als beschränktes dingliches Recht ein Recht eines Dritten. Problematisch ist der Besitzerwerb der B, § 936 I S. 3 BGB analog. Hierfür genügt nicht der bei dem Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930 BGB analog ohnehin stets erlangte mittelbare Besitz des Erwerbers. Andernfalls würde der Erwerber im Fall von §§ 929 S. 1, 930 BGB analog stets lastenfrei erwerben. Dies liefe der Systematik des gutgläubigen Erwerbs nach § 933 BGB zuwider, der die Übergabe erfordert. Daher ist § 936 I S. 3 BGB analog so auszulegen, dass im Gleichlauf zu § 933 BGB analog eine Übergabe der Sache (unter Aufgabe jeglichen Besitzrests auf Veräußererseite) erforderlich ist. Mangels einer Übergabe an B scheidet der gutgläubige lastenfreie Erwerb hier aus. Auch hier entspricht die Argumentation 1:1 dem Fall zur Übertragung des Eigentums einer mit einem Vermieterpfandrecht belasteten Sache. Du kannst dein Wissen hier übertragen.

5. Durch das Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht ist das Vermieterpfandrecht des V erloschen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb beruht auf dem Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht. Ist das Anwartschaftsrecht wie hier mit einem Vermieterpfandrecht belastet, setzt sich diese Belastung beim Eigentum daher fort, § 1287 BGB analog. Jedes andere Ergebnis würde auch § 936 BGB (analog) vollkommen aushebeln. Auch falls der Mieter das Anwartschaftsrecht nicht überträgt und selbst später Eigentümer wird, setzt sich das Vermieterpfandrecht am Eigentum fort.

6. B hat daher nur belastet Eigentum erworben.

Ja, in der Tat!

Da das Vermieterpfandrecht des V nicht erloschen ist, besteht es weiter fort. Das Eigentum der B ist daher mit dem Vermieterpfandrecht belastet.
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