Versuch der Erfolgsqualifikation

7. April 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T schießt auf den Unterleib der O. Er rechnet damit und nimmt auch billigend in Kauf, dass O infolge der Schussverletzung die Empfängnisfähigkeit verlieren könnte. Wider Erwarten wirkt sich die Schussverletzung jedoch nicht auf Os Empfängnisfähigkeit aus.

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich wegen schwerer Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 StGB) strafbar gemacht, indem er O in den Unterleib geschossen hat.

Nein!

§ 226 Abs. 1 StGB verlangt den Eintritt einer der in den Nr. 1-3 aufgezählten schweren Folgen. Fortpflanzungsfähigkeit (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 StGB) meint die männliche und weibliche Fähigkeit zu natürlicher Fortpflanzung. Bei Männern gehört dazu die Fähigkeit zur Erzeugung gesunder Samenzellen und die Beischlaffähigkeit; bei Frauen sind es die Empfängnis-, Austragungs- und Gebärfähigkeit. O hat ihre Empfängnisfähigkeit nicht verloren.
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2. Es liegt ein "Versuch der Erfolgsqualifikation" vor. T hat sich wegen versuchter schwerer Körperverletzung (§§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Nach h.M. kommt der Versuch der Erfolgsqualifikation in Betracht, wenn das Grunddelikt (§ 223 Abs. 1 StGB) vollendet wurde, jedoch der qualifizierende Erfolg (die schwere Folge des § 226 Abs. 1 StGB) nicht eingetreten ist, aber billigend in Kauf genommen wurde.(1) § 226 Abs. 1 StGB ist nicht vollendet. (2) § 226 StGB ist ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). Daher ist der Versuch mit Strafe bedroht (§ 23 Abs. 1 StGB). Dass die schwere Körperverletzung ein erfolgsqualifiziertes Delikt ist, steht der Versuchsstrafbarkeit nicht entgegen. (3) T hatte Tatentschluss in Form von dolus eventualis. Er rechnete mit dem Verlust der Empfängnisfähigkeit der O und nahm dies auch billigend in Kauf. (4) Mit dem Schuss auf O hat er zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB unmittelbar angesetzt. (5) T handelte rechtswidrig und schuldhaft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

26.10.2021, 11:02:25

Hier sind die Gesetzesstellen nicht hinterlegt worden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 11:18:28

Vielen Dank für den Hinweis, nomamo. Beim "Versuch" scheint die automatische Verlinkung zurzeit Probleme zu machen. Wir bemühen uns aber um eine zeitnahe Lösung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

melb1995

melb1995

20.12.2022, 17:32:25

Hätte er es jetzt darauf abgesehen die Empfängnisverhütung zu beeinträchtigen wäre es dann der §226 Abs.2 versucht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2022, 12:14:41

Hallo melb1995, sofern eine dahingehende Absicht vorgelegen hätte, so wäre in der Tat der Versuch des § 226 Abs. 2 StGB zu bejahen (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, StGB § 226 Rn. 16). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Tim

Tim

27.4.2024, 21:49:37

Im Unterkapitel davor heißt es „Lediglich

dolus eventualis

ist unzureichend. Begründet wird dies unter anderem mit dem hohen Strafmaß des § 226 Abs. 2 StGB.“. Warum nehmen wir hier also einen Versuchsstrafbarkeit aufgrund des

dolus eventualis

an? Verbirgt sich hier kein Wertungswiderspruch? Die vollendete Tat mit

dolus eventualis

wäre nicht zu bestrafen, der Versuch aber schon.

MAX

Max

2.5.2024, 16:26:08

Hi Tim, wenn ich es richtig sehe ist vorliegend die Frage, ob eine

versuchte schwere Körperverletzung

nach §§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 vorliegt. Zu prüfen ist also, ob der Täter nach seiner Vorstellung eine schwere Körperverletzung nach Absatz 1 wollte, nicht Absatz 2. Läge kein Versuch vor, sondern wäre der Erfolg eingetreten, so hätte für eine Strafbarkeit in diesem Fall bereits Fahrlässigkeit ausgereicht, § 18 StGB. Das Unterkapitel vorher hatte sich allerdings auf eine Strafbarkeit nach § 226 Abs. 2 StGB bezogen. Im Gegensatz zu Absatz 1 ist der Strafrahmen mindestens drei Jahre. Daher entsprang die Wertung aus der vorherigen Aufgabe. Der Täter soll für "bloßes" billigendes Inkaufnehmen einem höheren Strafrahmen ausgesetzt sein. Absatz 1 hat allerdings einen Strafrahmen zwischen einem und zehn Jahren. Dieser ist geringer. Deswegen hätte ich keinen Wertungswiderspruch gesehen, sondern die schematische Anwendung der Versuchsstrafbarkeit. Falls ich einen Aspekt nicht berücksichtigt habe, gib gerne Bescheid :) LG Max

Kai

Kai

20.12.2024, 18:04:33

Hatte den gleichen Denkfehler. Eigentlich steht alles dran, aber man hat noch den Abs. 2 im Kopf. Danke für die Aufklärung @[Max](149033)


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