+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T schießt auf den Unterleib der O. Er rechnet damit und nimmt auch billigend in Kauf, dass O infolge der Schussverletzung die Empfängnisfähigkeit verlieren könnte. Wider Erwarten wirkt sich die Schussverletzung jedoch nicht auf Os Empfängnisfähigkeit aus.

Einordnung des Falls

Versuch der Erfolgsqualifikation

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich wegen schwerer Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 StGB) strafbar gemacht, indem er O in den Unterleib geschossen hat.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein!

§ 226 Abs. 1 StGB verlangt den Eintritt einer der in den Nr. 1-3 aufgezählten schweren Folgen. Fortpflanzungsfähigkeit (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 StGB) meint die männliche und weibliche Fähigkeit zu natürlicher Fortpflanzung. Bei Männern gehört dazu die Fähigkeit zur Erzeugung gesunder Samenzellen und die Beischlaffähigkeit; bei Frauen sind es die Empfängnis-, Austragungs- und Gebärfähigkeit. O hat ihre Empfängnisfähigkeit nicht verloren.

2. Es liegt ein "Versuch der Erfolgsqualifikation" vor. T hat sich wegen versuchter schwerer Körperverletzung (§§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Nach h.M. kommt der Versuch der Erfolgsqualifikation in Betracht, wenn das Grunddelikt (§ 223 Abs. 1 StGB) vollendet wurde, jedoch der qualifizierende Erfolg (die schwere Folge des § 226 Abs. 1 StGB) nicht eingetreten ist, aber billigend in Kauf genommen wurde.(1) § 226 Abs. 1 StGB ist nicht vollendet. (2) § 226 StGB ist ein Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB). Daher ist der Versuch mit Strafe bedroht (§ 23 Abs. 1 StGB). Dass die schwere Körperverletzung ein erfolgsqualifiziertes Delikt ist, steht der Versuchsstrafbarkeit nicht entgegen. (3) T hatte Tatentschluss in Form von dolus eventualis. Er rechnete mit dem Verlust der Empfängnisfähigkeit der O und nahm dies auch billigend in Kauf. (4) Mit dem Schuss auf O hat er zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB unmittelbar angesetzt. (5) T handelte rechtswidrig und schuldhaft.

Jurafuchs kostenlos testen


JO

jomolino

26.10.2021, 11:02:25

Hier sind die Gesetzesstellen nicht hinterlegt worden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 11:18:28

Vielen Dank für den Hinweis, nomamo. Beim "Versuch" scheint die automatische Verlinkung zurzeit Probleme zu machen. Wir bemühen uns aber um eine zeitnahe Lösung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

melb1995

melb1995

20.12.2022, 17:32:25

Hätte er es jetzt darauf abgesehen die Empfängnisverhütung zu beeinträchtigen wäre es dann der §226 Abs.2 versucht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2022, 12:14:41

Hallo melb1995, sofern eine dahingehende Absicht vorgelegen hätte, so wäre in der Tat der Versuch des § 226 Abs. 2 StGB zu bejahen (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, StGB § 226 Rn. 16). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2023