Unmittelbarkeitszusammenhang - Schlag mit geladener Pistole
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T schlägt O – ohne Tötungsvorsatz – mit einer geladenen Pistole auf den Kopf, sodass sich ein blauer Fleck bildet. Unbeabsichtigt löst sich ein Schuss. O verstirbt an dieser Schussverletzung.
Einordnung des Falls
Unmittelbarkeitszusammenhang - Schlag mit geladener Pistole
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Tatbestandverwirklichung der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) setzt zunächst eine vorsätzliche Körperverletzung voraus.
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Ja!
2. Indem T den O mit der Pistole schlägt, fügt T dem O eine einfache Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu.
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Genau, so ist das!
3. Die Körperverletzung ist für den Tod des O kausal.
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Ja, in der Tat!
4. § 227 Abs. 1 StGB setzt auch den "grunddeliktischen Gefahrzusammenhang" voraus: Der Tod des Opfers muss also auf dem spezifischen Unrecht der Körperverletzung beruhen.
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Ja!
5. Durch den vorsätzlich herbeigeführten Körperverletzungserfolg (blauer Fleck am Hinterkopf) kommt es zum Tod des O.
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Nein, das ist nicht der Fall!
6. Die Rspr. bejaht den grunddeliktischen Gefahrzusammenhang bereits dann, wenn der Tod aus der spezifischen Gefahr der Körperverletzungshandlung resultiert.
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Ja, in der Tat!
7. Es liegt eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit des Erfolges vor.
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Ja!
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Finalda
2.10.2023, 16:58:02
Wird die Unterscheidung beim Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Körperverletzungserfolg und -handlung nur bei § 227 vorgenommen? Bedeutet das, dass beim Unmittelbarkeitszusammenhang im Rahmen des § 226 auch an Erfolg und Handlung angeknüpft wird oder nur an den Erfolg? Ist quasi die Anknüpfung an Erfolg und Handlung im Unmittelbarkeitszusammenhang der Grundsatz und nur im Rahmen des § 227 wollen manche davon abweichen oder ist der allgemeine Grundsatz, dass nur auf den Erfolg geschaut wird und im Rahmen des § 227 die Rechtsprechung hier eine Ausnahme mit der Anknüpfung an Erfolg und Handlung vornimmt?
Leo Lee
8.10.2023, 10:52:23
Hallo Finalda, in der Tat wird nur bei § 227 StGB eine Unterscheidung (die sogleich im Streitstand mündet) vorgenommen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass § 227 StGB schlicht auf die „Körperverletzung“ i.S.d. §§ 223 bis 226a StGB verweist. Allerdings beinhalten §§ 223 bis 226 StGB auch den § 223 II StGB, also die Versuchsvariante (wo es eben nur eine Handlung, jedoch keinen Erfolg gibt). D.h. diese Unterscheidung gibt es nur dann, wenn kein Erfolg vorliegt, sondern nur eine Handlung; also nur im Fall des erfolgsqualifizierten Versuchs i.R.d. § 227 StGB. Bei § 226 StGB bedeutet dies also, dass wenn der schwere Erfolg eingetreten ist, die Unterscheidung irrelevant ist. Liegt hingegen nur eine versuchte schwere Körperverletzung vor (§ 226 ist ein Verbrechen und ist somit immer strafbar!), so ist wiederum dieser Streit zu führen. Beachte i.Ü. noch, dass diese Streitigkeit bei anderen Qualifikationstatbeständen keine Rolle spielt. Bei § 251 StGB etwa ist eindeutig, dass nicht durch die Wegnahme bei Raub, sondern gerade durch die qualifizierte Handlung (Gewalt) die Todesfolge herbeigeführt werden muss (ansonsten hätte der Gesetzgeber auch den Diebstahl mit Todesfolge normiert). Hierzu kann ich die Lektüre von Fischer StGB 67. Auflage, § 227 Rn. 3a ff. empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo