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Grenzen von zulässigem Verteidigungsverhalten - Jurafuchs

Grenzen von zulässigem Verteidigungsverhalten - Jurafuchs

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: R macht vor Gericht falsche Angaben über den Besitz von Unterlagen seines Mandanten M.

R verteidigt M in einer Steuerstrafsache. R versteckt belastende Geschäftsunterlagen des M, die die Ermittlungsbehörden beschlagnahmen wollen, und gibt wahrheitswidrig an, die Unterlagen befänden sich nicht in seinem Besitz. Als es herauskommt, wird er vom zuständigen OLG als Verteidiger vom Verfahren ausgeschlossen.

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Einordnung des Falls

Die Grenzen zwischen zulässigem und verbotenen Verteidigungsverhalten sind teils fließend. Der BGH hat in diesem Beschluss entschieden, dass der Verteidiger in dem vorliegenden Fall diese Grenze überschritten hatte. Für Verteidigerunterlagen besteht ein Eine strafbare Strafvereitelung liegt aber vor, wenn der Verteidiger absichtlich oder wissentlich falsche Angaben über Geschäftsunterlagen in seinem Besitz macht, die dem Beschlagnahmeverbot nicht unterliegen und sich dadurch das Strafverfahren gegen den Mandanten zumindest für geraume Zeit verzögert. Verlangt die Ermittlungsbehörde die Herausgabe von Beweismitteln, die nicht originär durch die Verteidigung hervorgebracht wurden, darf der Verteidiger diese nicht dem staatlichen Zugriff entziehen, indem er sie verborgen hält oder falsche Angaben zum Belegenheitsort macht.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Steht R gegen die Entscheidung des OLG die sofortige Beschwerde zum BGH (§ 311 StPO) zu?

Genau, so ist das!

§ 138d StPO regelt das Verfahren bei Ausschließung eines Verteidigers. Zuständig für die Entscheidung über die Ausschließung eines Verteidigers ist das OLG (§ 138c StPO). Gemäß § 138d Abs. 6 StPO steht dem ausgeschlossenen Verteidiger gegen die Entscheidung des OLG die sofortige Beschwerde nach § 311 StPO zu. Über die sofortige Beschwerde entscheidet nach § 135 Abs. 2 Nr. 1 GVG der BGH.
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2. War der Ausschluss des R als Verteidiger rechtmäßig, wenn sein Verhalten eine Strafvereitelung (§ 258 StGB) darstellt?

Ja, in der Tat!

Gemäß § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist ein Verteidiger von dem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem für die Eröffnung des Hauptverfahrens ausreichenden Grad verdächtig ist, eine Strafvereitelung begangen zu haben. Der BGH hat daher zu prüfen, ob das Verstecken der Unterlagen und die wahrheitswidrigen Angaben darüber eine Strafvereitelung nach § 258 StGB darstellt.

3. Hat R sich wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) strafbar gemacht, wenn er eine Bestrafung des M zumindest verzögert hat?

Ja!

Die Strafbarkeit wegen Strafvereitelung nach § 258 StGB setzt voraus: (1) Vereiteln der Bestrafung eines anderen für eine Straftat; (2) Vorsatz hinsichtlich der Tat des anderen; (3) Absicht oder sicheres Wissen hinsichtlich der Vereitelung; (4) Rechtswidrigkeit; (5) Schuld. Zur Vollendung der Tat genügt es, wenn die Ahndung des anderen (hier M) wegen der Strafvereitelung des R für eine geraume Zeit unterbleibt, der Abschluss des Strafverfahrens also für geraume Zeit verzögert wird.

4. Darf R als Verteidiger belastende Beweisstücke wie die Geschäftsunterlagen den Strafverfolgungsbehörden vorenthalten, auch wenn sie diese beschlagnahmen wollen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar besteht für Verteidigungsunterlagen ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. BGH: Darunter fielen nur solche Unterlagen, auf die sich das Vertrauensverhältnis zwischen R und M erstreckt, nicht aber Geschäftsunterlagen des M. R dürfe als Verteidiger sein Mandat nicht missbrauchen, indem er gesuchten Beweisstücken "Asyl" gewährt. Ebenso wenig gewährten ihm die Vorschriften zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zu M (z.B. § 53 StPO) das Recht, falsche Angaben über seinen Besitz an Beweismaterial zu machen (RdNr. 15f.). B hat sich daher wegen Strafvereitelung strafbar gemacht - sein Ausschluss aus dem Verfahren war rechtmäßig.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Verfolgungsvereitelung gem. § 258 Abs. 1 StGBan?

  1. Objektiver Tatbestand
    1. Strafbare Vortat eines anderen
    2. Ganz oder teilweise Vereitelung
  2. Subjektiver Tatbestand
    1. Dolus eventualis bezüglich der Vortat
    2. Absicht oder Wissentlichkeit bezüglich der Vereitelung
  3. Rechtswidrigkeit
  4. Schuld
  5. Persönliche Strafausschließungsgründe § 258 Abs. 5 und 6 StGB

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