Publizität des Handelsregisters, Wirkung richtiger Eintragung und Bekanntmachung, § 15 Abs. 2 S. 2 HGB


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V verhandelt mit Gesellschafter G der K-OHG über ein Verkaufsgeschäft. Am 10.4. nimmt V Einsicht in das Handelsregister, wo G als Gesellschafter eingetragen ist. Am 10.5. wird der Vertrag unterzeichnet. G verschweigt, dass am 5.5. sein Ausscheiden aus der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht wurde.

Einordnung des Falls

Publizität des Handelsregisters, Wirkung richtiger Eintragung und Bekanntmachung, § 15 Abs. 2 S. 2 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Handelsregister richtig eingetragene und bekanntgemachte Tatsachen muss ein Dritter grundsätzlich gegen sich gelten lassen (§ 15 Abs. 2 HGB).

Genau, so ist das!

Im Handelsregister (1) richtig eingetragene und (2) bekanntgemachte (3) eintragungspflichtige Tatsachen müssen Dritte gegen sich gelten lassen (§ 15 Abs. 2 S. 1 HGB). Die Registereintragung wirkt rechtsscheinzerstörend und dient dem Schutz des Eintragungspflichtigen. Jedoch kommt dem Dritten eine Schonfrist von 15 Tagen nach der Bekanntmachung zugute, sofern der Dritte beweist, dass er die Tatsache weder kannte noch kennen musste (§ 15 Abs. 2 S. 2 HGB).

2. Gs Ausscheiden aus der OHG ist eine richtig eingetragene und bekanntgemachte, eintragungspflichtige Tatsache (§ 15 Abs. 2 S. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer OHG ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 106 Abs. 6 HGB). Es handelt sich daher um eine eintragungspflichtige Tatsache. Die Eintragung wirkt deklaratorisch. Eintragung und Bekanntmachung des eintragungspflichtigen Ausscheidens des G erfolgt. Bei der Anmeldung eintragungspflichtiger Tatsachen zum Handelsregister müssen regelmäßig sämtliche Gesellschafter mitwirken (etwa §§ 106 Abs. 7, 141 Abs. 1 S. 1 HGB). Das dient der Entlastung des Handelsregisters, da bei Mitwirkung aller Gesellschafter von einer gewissen Richtigkeitsgewähr ausgegangen wird. Im Fall des Ausscheidens ist auch der Ausgeschiedene anmeldepflichtig.

3. Gs „Vertretung“ der OHG bei Abschluss des Vertrages mit V ist eine Rechtshandlung, die innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntmachung vorgenommen wurde (§ 15 Abs. 2 S. 2 HGB).

Ja!

Die Schonfrist des Dritten nach Bekanntmachung einer eintragungspflichtigen Tatsache beträgt 15 Tagen ab Bekanntmachung (§ 15 Abs. 2 S. 2 HGB). Die Frist berechnet sich nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Die Bekanntmachung ist am 5.5. erfolgt. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Bekanntmachung (§ 187 Abs. 1 BGB), also am 6.5. (0:00 Uhr). Sie endet mit Ablauf des 20.5. (24:00 Uhr) (§ 188 Abs. 1 BGB). Die Vertragsunterzeichnung erfolgt am 10.5. und somit noch innerhalb der 15-Tage-Frist.

4. V hätte Gs Ausscheiden aus der Gesellschaft und damit seine fehlende Vertretungsbefugnis kennen müssen (§ 15 Abs. 2 S. 2 HGB).

Genau, so ist das!

Der Dritte muss beweisen, dass er die Tatsache weder kannte noch kennen musste (§ 15 Abs. 2 S. 2 HGB). Der Haftungsmaßstab ergibt sich aus § 276 BGB, für Kaufleute aus § 347 HGB. Ein ordentlicher Kaufmann handelt grundsätzlich fahrlässig, wenn er sich über ordnungsgemäß bekanntgemachte Eintragungen im Handelsregister nicht unterrichtet. Er unterliegt einer weitreichenden Informationsobliegenheit über die Verhältnisse anderer Kaufleute. Unverschuldete Unkenntnis liegt nur in Extremfällen vor. V hat am 10.4. Einblick in das Handelsregister genommen. Aufgrund der einfachen Möglichkeit, Einsicht in das elektronische Handelsregister zu nehmen, wäre es ihm möglich und geboten gewesen, sich unmittelbar vor der Unterzeichnung erneut zu informieren.

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FL

Flohm

9.8.2023, 18:18:12

Ich stehe gerade auf dem Schlauch…. Wieso hätte V die fehlenden Befugnis kennen müssen? Ich dachte dadurch, dass die 15-Tage-Frist noch nicht abgelaufen ist, ist das nicht der Fall…

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 16:27:22

Hallo Flohm, es stimmt natürlich, dass die 15-Tage-Schonfrist nicht abgelaufen ist und grundsätzlich dies nicht geltend gemacht werden kann gem. § 15 II 2 1. Hs. HGB. Beachte jedoch, dass dies nur dann der Fall ist gem. 2. Hs., wenn der Dritte (also hier der V) BEWEISEN kann, dass die Bekanntmachung weder kannte noch kennen MUSSTE. V kannte zwar die Bekanntmachung nicht, jedoch hätte er - auch innerhalb der Schonfrist - aufgrund des Maßstabs aus § 347 HGB diese kennen müssen. Denn von einem Kaufmann kann erwartet werden, dass er nicht nur 4 Wochen vor, sondern auch kurz vor dem Vertragsschluss mal ins Handelsregister schaut (leicht zugänglich, weil elektronisch!). Mithin kann er sich auf die Schonfrist nicht berufen, weil er als Kaufmann nicht "sorgfältig" genug war :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

ROBB

Robb

14.9.2023, 10:15:13

§ 347 HGB bezieht sich nur auf Kaufleute. Dass V Kaufmann sein soll, geht nicht aus dem Sachverhalt hervor.

BECCA00

Becca00

23.2.2024, 09:29:24

Handelt auch ein Nicht-Kaufmann grds. fahrlässig wenn er sich nicht kurzfristig nochmal über die Eintragungen im Handelsregister informiert? Wenn dann natürlich nach § 276 BGB. Mir stellt sich die Frage, weil aus dem Fall für mich nicht klar wird, dass V Kaufmann ist.


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