Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Handelsregister und sonstige Rechtsscheintatbestände

Publizität des Handelsregisters, Negative Publizität, § 15 Abs. 1 HGB

Publizität des Handelsregisters, Negative Publizität, § 15 Abs. 1 HGB

5. Januar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der kleingewerbetreibende K hat die Eintragung seiner Firma K e.K. in das Handelsregister beantragt. Die Eintragung wurde vorgenommen, eine Bekanntmachung ist jedoch unterblieben. K liefert an die X-GmbH mangelhafte Ware. Er lehnt Gewährleistungsansprüche ab, da die X-GmbH den Mangel nicht unverzüglich gerügt habe (§ 377 Abs. 2 HGB).

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Einordnung des Falls

Publizität des Handelsregisters, Negative Publizität, § 15 Abs. 1 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Firma des K ist eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache (§ 15 Abs. 1 HGB).

Genau, so ist das!

§ 15 Abs. 1 HGB schützt das Vertrauen in das Fehlen „einzutragender“, also eintragungspflichtiger Tatsachen. § 15 Abs. 1 HGB greift in der Regel bei deklaratorisch wirkenden Eintragungen (= Sekundärtatsachen), da bei konstitutiv wirkenden Eintragungen (= Primärtatsachen) die Tatsache bei fehlender Eintragung keine Wirkung entfaltet. Im Zeitraum zwischen Eintragung und Bekanntmachung wirkt § 15 Abs. 1 HGB nach herrschender Meinung auch bei konstitutiv wirkenden Eintragungen. Die Firma eines Kaufmanns ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 29 HGB). Für Kleingewerbetreibende wirkt die Eintragung in das Handelsregister konstitutiv für den Erwerb der Kaufmannseigenschaft (§ 2 S. 1 HGB) (=Primärtatsache).
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2. K‘s Firma wurde nicht in das Handelsregister eingetragen und/oder bekanntgemacht (§ 15 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Entscheidend für die Rechtsscheingrundlage des § 15 Abs. 1 HGB ist, dass Eintragung in das Handelsregister oder/und Bekanntmachung fehlen. Ein Dritter wird bereits geschützt, wenn die Tatsache eingetragen und nur die Bekanntmachung unterlassen wurde. Ausschlaggebend ist also, ob die Bekanntmachung im Zeitpunkt des Vorgangs vollzogen war. Der Vertrauensschutz greift nicht, wenn eine Eintragung versäumt wurde, die Bekanntmachung aber ordnungsgemäß erfolgt ist. K’s Firma wurde in das Handelsregister eingetragen (§ 29 HGB). Die Eintragung wirkt konstitutiv, K hat durch sie die Kaufmannseigenschaft erworben (§ 2 S. 1 HGB). Eine Bekanntmachung ist jedoch nicht erfolgt. Mit der Neufassung des § 10 HGB mit Wirkung zum 01.08.2022 gelten Eintragungen durch ihre erstmalige Abrufbarkeit über das elektronische Informations- und Kommunikationssystem als bekannt gemacht. Dadurch ist es technisch nahezu unmöglich geworden, dass Eintragung und Bekanntmachung auseinanderfallen. Die Neuerung diente der Umsetzung der europäischen Digitalisierungsrichtlinie.

3. Die Organe der X-GmbH wussten nichts von K’s Kaufmannseigenschaft im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 15 Abs. 1 HGB).

Ja!

Bei positiver Kenntnis des Dritten von der nicht eingetragenen Tatsache scheidet der Vertrauensschutz aus. Die Gutgläubigkeit des Dritten wird widerlegbar vermutet. Geschützt wird ein abstraktes Vertrauen. Der Dritte muss also nicht gerade im Vertrauen auf das Fehlen der Eintragung und Bekanntmachung eine Handlung vorgenommen haben. Anzeichen dafür, dass die Organe der X-GmbH K’s Kaufmannseigenschaft kannten, gibt es nicht. Es ist daher von ihrer Unkenntnis auszugehen.

4. K kann der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen durch X-GmbH entgegenhalten, dass er Kaufmann ist und die X-GmbH ihre Rügeobliegenheit verletzt hat (§ 377 Abs. 2 HGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei beiderseitigen Handelsgeschäften muss der Käufer die Sache unverzüglich auf Mängel untersuchen und etwaige Mängel rügen (§ 377 Abs. 1 HGB). Unterlässt er dies, sind Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen (§ 377 Abs. 2 HGB). Die X-GmbH ist Kaufmann kraft Rechtsform (§ 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG). K ist Kaufmann kraft Handelsregistereintragung (§ 2 S. 1 HGB). Es handelt sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft (§§ 343 Abs. 1, 344 Abs. 1 HGB). Aufgrund der unterbliebenen Bekanntmachung wird die X-GmbH in ihrem Vertrauen auf das Fehlen von K‘s Kaufmannseigenschaft geschützt (§ 15 Abs. 1 HGB). K kann den Gewährleistungsansprüchen der X-GmbH seine Kaufmannseigenschaft und die unterbliebene Rüge (§ 377 Abs. 2 HGB) nicht entgegenhalten (§ 15 Abs. 1 HGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SO

sozialstunden

22.8.2022, 20:28:35

Hier wäre es vielleicht praktisch, auf die Neufassung des § 10 HGB (01.08.22) zu verweisen. Das Auseinanderfallen von Eintragung und Bekanntmachung ist mit Umsetzung der europäischen Digitalisierungsrichtlinie technisch nun so gut wie unmöglich. Eintragungen gelten nun mit erstmaliger Abrufbarkeit als bekanntgemacht.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.8.2022, 15:05:00

Hallo sozialstunden, danke für den aufmerksamen Hinweis. Wir haben diese Information in einer Vertiefung ergänzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FUCH

Fuchsfrauchen

13.9.2024, 20:46:37

Liebe @[Nora Mommsen](178057), müsste die Falllösung dann nicht anders ausgehen? K ist doch dann im HR eingetragen - für die GmbH ersichtlich und so sollte K doch mit § 377 II HGB erfolgreich sein.

REUS04

Reus04

11.4.2023, 15:41:00

Ist dies der einzige Fall zur Mängelrüge?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.4.2023, 17:43:16

Hallo Reus04, zur Untersuchungs- und Rüge

obliegenheit

werden wir noch ein eigenes Kapitel im Handelsrecht aufnehmen. Weitere Fälle zur Mängelrüge findest Du aber zB im Kaufrecht ( https://applink.jurafuchs.de/CpkKqCkKUyb). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

REUS04

Reus04

12.4.2023, 09:26:29

Super, danke dir Lukas!

Lord Denning

Lord Denning

10.7.2024, 14:49:48

Inwiefern drückt § 15 I HGB aus, dass bereits das abstrakte und nicht das konkrete Vertrauen geschützt wird? Irgendwie ist es ja klar, aber ich kann es nicht ganz festmachen, zumal doch Canaris einen konkreten Vertrauensschutz gefordert hat.

BLAC

Blackiel

14.10.2024, 11:28:28

Das ergibt sich mE aus dem Sinn und Zweck des Handelsregisters sowie aus dem Wortlaut der Norm. Sinn und Zweck des Handelsregisters ist es, für Rechtssicherheit zu sorgen. Deshalb sind bestimmte Eintragungen konstitutiv und andere deklaratorisch. Des Weiteren würde es zu einer Verschiebung der Beweislast führen. Wäre der konkrete Vertrauensschutz geschützt, müsste der Kläger beweisen, dass er in das Handelsregister geguckt hat, da dies für ihn ein günstige

Tat

sache darstellt. Ist hingegen das abstrakte Vertrauen geschützt, so muss der Kläger nicht mal in das Handelsregister geguckt haben. Es genügt, dass das Handelsregister unrichtig ist. Die Ausnahme, dass der Rechtsschein nicht gilt, wenn der Kläger bzw. Dritte die Unrichtigkeit kannte, müsste der Beklagte beweisen. Dementsprechend ist Dreh- und Angelpunkt bezüglich der Frage, welches Vertrauensinteresse geschützt werden soll, wohl die Frage, wer die Beweislast tragen soll.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

17.8.2024, 11:13:58

Der Maßstab zu Frage 1 hat mich verwirrt. Nach meinem Verständnis ist "deklaratorisch" nicht mit Sekundär

tat

sachen und "konstitutiv" nicht mit Primär

tat

sachen gleichzusetzen. Es gibt Meinungsstreite zu beiden Themen. Ist es sinnvoll, diese möglichen Meinungsstreite hier anzureißen, wenn sie hinterher in diesem Fall gar nicht genutzt werden?

Johannes Nebe

Johannes Nebe

17.8.2024, 11:14:02

Der Maßstab zu Frage 1 hat mich verwirrt. Nach meinem Verständnis ist "deklaratorisch" nicht mit Sekundär

tat

sachen und "konstitutiv" nicht mit Primär

tat

sachen gleichzusetzen. Es gibt Meinungsstreite zu beiden Themen. Ist es sinnvoll, diese möglichen Meinungsstreite hier anzureißen, wenn sie hinterher in diesem Fall gar nicht genutzt werden?


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