Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

Grundfall zu § 110 BGB, alle Voraussetzungen liegen vor

Grundfall zu § 110 BGB, alle Voraussetzungen liegen vor

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wie jeden Monat bekommt die 10-jährige K von ihren Eltern E €10 Taschengeld. Hiermit darf sie sich kaufen, was sie möchte. Sie geht damit zum Kiosk des Verkäufers V. Dort sucht sie sich einige Comic-Hefte aus, die sie sogleich bezahlt und mit nach Hause nimmt.

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Einordnung des Falls

Grundfall zu § 110 BGB, alle Voraussetzungen liegen vor

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Kaufvertrag (§ 433 BGB) über die Comic-Hefte war für K lediglich rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB).

Nein!

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessert. Dies wiederum ist der Fall, wenn durch das Rechtsgeschäft ausschließlich persönliche Rechte begründet oder persönliche Pflichten aufgehoben werden. Der Kaufvertrag über die Comic-Hefte begründet für K zwar einerseits einen Anspruch auf Übereignung der Hefte, andererseits verpflichtet er sie jedoch auch zur Zahlung des Kaufpreises. Er ist damit nicht lediglich rechtlich vorteilhaft und bedarf daher grundsätzlich der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters.
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2. Indem die E dem K das Taschengeld zu freier Verfügung überließen, haben sie konkludent in den Kaufvertrag eingewilligt.

Genau, so ist das!

Die Mittelüberlassung an den Minderjährigen stellt eine konkludente Einwilligung der Eltern dar. Die Rechtsfolgen einer solchen Einwilligung sind in § 110 BGB sogar gesetzlich normiert. Auch ohne (ausdrückliche) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist ein vom Minderjährigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn er die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung vom Vertreter überlassen worden sind (§ 110 BGB). § 110 BGB ist diesbezüglich missverständlich formuliert. Er spricht von einem Vertrag, den der Minderjährige „ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters“ schließt und „mit vom Vertreter überlassenen Mitteln bewirkt.“ Die Mittelüberlassung stellt jedoch eine konkludente Einwilligung dar. Richtigerweise müsste § 110 BGB also von einem „ohne ausdrückliche Zustimmung“ geschlossenen Vertrag sprechen.

3. Die Wirksamkeit des Vertrags richtet sich vorliegend nicht nach § 107 BGB, sondern nach § 110 BGB.

Ja, in der Tat!

§ 110 BGB normiert nach h.M. einen Spezialfall des § 107 BGB, nämlich die konkludente Einwilligung durch Mittelüberlassung. Sofern eine solche vorliegt, richtet sich die Wirksamkeit des Vertrags nicht nach § 107 BGB, sondern nach § 110 BGB, denn dieser bietet dem Minderjährigen einen besseren Schutz. Während nach § 107 BGB ein Vertrag des Minderjährigen bei Einwilligung des gesetzlichen Vertreters sofort wirksam ist, wird er bei § 110 BGB trotz konkludenter Einwilligung erst wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung „bewirkt“ hat. Erforderlich ist Erfüllung nach § 362 BGB. Dies soll ihn davor schützen, sich zu verschulden.

4. Da K die Comic-Hefte mit ihrem Taschengeld bezahlt hat, ist der Kaufvertrag wirksam.

Ja!

Auch ohne (ausdrückliche) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, ist ein vom Minderjährigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn er die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung vom Vertreter überlassen worden sind (§ 110 BGB). K hat die Hefte vollständig mit dem Taschengeld bezahlt, das ihr die E zu freier Verfügung überlassen haben. Durch die Mittelüberlassung willigt der gesetzliche Vertreter nicht nur konkludent in den Vertragsschluss ein, sondern auch in das dazugehörige Erfüllungsgeschäft des Minderjährigen (Übereignung des Geldes). Denn zu genau diesem Zweck wird dem Minderjährigen schließlich das Geld übergeben.
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