Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

vertragsmäßige Leistung ist durch den beschränkt Geschäftsfähigen noch nicht voll bewirkt worden, zB Ratenzahlung

vertragsmäßige Leistung ist durch den beschränkt Geschäftsfähigen noch nicht voll bewirkt worden, zB Ratenzahlung

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 17-jährige K geht zum Elektrofachmarkt und vereinbart mit Verkäufer V einen Ratenkauf über eine Kamera für €400. Die erste Rate von €100 kann K sofort bezahlen, da sie ihr Taschengeld angespart hat, welches ihr ihre Eltern zu freier Verfügung überlassen. Drei weitere Raten stehen noch aus.

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Einordnung des Falls

vertragsmäßige Leistung ist durch den beschränkt Geschäftsfähigen noch nicht voll bewirkt worden, zB Ratenzahlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) über die Kamera wäre für K lediglich rechtlich vorteilhaft (§ 107 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen aussschließlich verbessert. Dies wiederum ist der Fall, wenn durch das Rechtsgeschäft ausschließlich persönliche Rechte begründet oder persönliche Pflichten aufgehoben werden. Der Kaufvertrag über die Kamera begründet für K zwar einen Anspruch auf Übereignung der Kamera, gleichzeitig jedoch auch eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung. Er ist daher rechtlich nachteilig.
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2. Der Kaufvertrag über die Kamera ist wirksam, da K die erste Rate von ihrem Taschengeld bezahlt hat (§ 110 BGB).

Nein!

Auch ohne (ausdrückliche) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist ein vom Minderjährigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn er die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung vom Vertreter überlassen worden sind (§ 110 BGB). Taschengeld, das der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen zweckgebunden oder zu freier Verfügung überlassen hat, ist ein solches Mittel. Der Minderjährige muss damit die von ihm geschuldete vertragsmäßige Leistung „bewirkt“ haben. Erfüllung nach § 362 BGB muss eingetreten sein. K hat nur die erste von vier Raten bezahlt. Somit hat sie die vertragsmäßige Leistung noch nicht bewirkt. § 110 BGB soll den Minderjährigen davor bewahren, sich zu verschulden, indem ein Vertrag nur dann wirksam wird, wenn der Minderjährige ihn mit den ihm überlassenen Mitteln erfüllen kann.

3. Der Kaufvertrag über die Kamera ist schwebend unwirksam. Er wird jedoch wirksam, wenn K die letzte Rate bezahlt.

Genau, so ist das!

Gemäß § 110 BGB ist der Vertrag schwebend unwirksam bis der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung „bewirkt“ hat. Bei einem Ratenkauf ist die Leistung mit Bezahlung der letzten Rate „bewirkt“. Dadurch wird der Vertrag ex tunc, das heißt von Anfang an wirksam.Beachte: Auch bei der Überlassung zur „freien Verfügung“ ist regelmäßig nicht jegliche Verwendung umfasst. Vielmehr ist eine implizite Zweckbindung der Mittel zu berücksichtigen und die Reichweite der damit verbundenen Einwilligung anhand des mutmaßlichen Willens der Erziehungsberechtigten zu messen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TUBAT

TubaTheo

12.5.2023, 10:16:07

Die Eltern haben ja jetzt hier der K die 100 Euro zur freien Verfügung überlassen. Könnten sie den Kaufvertrag trotzdem noch genehmigen, womit wieder § 108 I BGB greift und der Kaufvertrag auch ohne vollständige Bewirkung der Leistung (die restlichen 300 Euro) ex tunc wirksam wird? Danke schonmal im Voraus für die Antwort :)

TUBAT

TubaTheo

12.5.2023, 10:22:40

Hat sich erledigt. Das Problem wird in der nächsten Frage behandelt. Trotzdem danke.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

2.8.2023, 13:06:52

Dieser Fall könnte streitig sein. Denn die Überlassung des Taschengeldes „zur freien Verfügung“ ist keine völlig unbedingte Überlassung. Hier ist es auch ohne weitere Angaben fraglich, ob die Eltern wollen, dass K über Monate hinweg keine anderen Ausgaben tätigen darf, sondern alles verfügbare Geld zur Ratenzahlung der Kamera aufwendet. Es müssen auch erzieherische Gesichtspunkte berücksichtigt werden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.8.2023, 15:32:34

Hi Johannes, vielen Dank für Deinen Hinweis! In der Tat ist die "freie Verfügung" der Eltern kein Blankoschein, d.h. auch hier ist die Überlassung des Taschengeldes implizit an eine Zwecksetzung gebunden. Im konkreten Fall ist die Überlassung also auszulegen und zu prüfen, ob der Einsatz der (impliziten) Zwecksetzung entspricht. Die Überlassung von Taschengeld an einen 10-jährigen wird zB regelmäßig nicht dazu erfolgen, dass er sich damit pornographisches Material besorgt. Wir haben hier einen Vertiefungshinweis mit aufgenommen. Im konkreten Fall halte ich dies allerdings für unproblematisch. Der Kauf einer teuren Kamera ist per se nicht ausgeschlossen, sofern K dies mit den bereitgestellten Mitteln bewirken kann. Auch das Ansparen des Taschengeldes kann dazu dienen, den Einsatz mit Geld zu erlernen, sodass es grundsätzlich nicht darauf ankommen kann, dass der erworbene Gegenstand den wöchentlichen/monatlichen Taschengeldsatz nicht übersteigt. K ist hier rechtlich auch nicht daran gehindert, andere Ausgaben zu tätigen. Denn der Abschluss des Ratenkaufs wird ja erst wirksam, wenn er tatsächlich alle Raten bezahlt hat. Mangels wirksamen Vertragschlusses hat V bis dahin keinen Anspruch auf die vereinbarten Raten. Er könnte allenfalls die Kamera zurückverlangen (gegen Rückzahlung der bereits geleisteten Raten). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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