Zivilrecht

Sachenrecht

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Sicherungsübereignung nach Vermieterpfandrecht

Sicherungsübereignung nach Vermieterpfandrecht

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Antiquitätenliebhaberin A kauft eine wertvolle Standuhr ein und bringt diese in ihre von V angemietete Wohnung. Um weitere antike Schätze erwerben zu können, nimmt sie bei Bank B ein Darlehen auf und übereignet die Uhr zur Sicherheit an B.

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Einordnung des Falls

Sicherungsübereignung nach Vermieterpfandrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vermieter V hat an der Standuhr ein Vermieterpfandrecht erworben (§ 562 BGB).

Ja!

Nach § 562 BGB ist für die Entstehung eines Vermieterpfandrechts erforderlich: (1) wirksamer Mietvertrag über Wohnräume, sonstige Räume oder Grundstücke (vgl. § 578 BGB), (2) Forderung aus dem Mietverhältnis, (3) pfändbare, bewegliche Sache des Mieters, (4) „Einbringen“ durch den Mieter. Vorliegend besteht ein Mietvertrag über die Wohnräume. Auch hat V aus dem Mietverhältnis eine Forderung (§ 535 Abs.2 BGB). Zudem hat A die Standuhr willentlich in die Mietwohnung hineingeschafft. Zu diesem Zeitpunkt der Einbringung war A überdies Eigentümerin der Standuhr. Folglich hat V ein Vermieterpfandrecht erworben.
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2. B hat das Eigentum an der Standuhr nach §§ 929 S. 1, 930 BGB erworben.

Genau, so ist das!

Die Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses, (3) Einigsein, (4) Berechtigung. A und B haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. A und B haben durch die Sicherungsabrede auch ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. A und B waren einig, dass das Eigentum an B übergehen soll. A war auch verfügungsbefugt. Die Belastung der Uhr mit dem Vermieterpfandrecht zugunsten des V steht dem nicht entgegen. Das Pfandrecht ist ein beschränktes dingliches Recht, ein Splitter aus dem Vollrecht Eigentum. Die Belastung des Eigentums mit einem beschränkten dinglichen Recht hat jedoch keinen Verlust der Verfügungsbefugnis zur Folge. Es ist insoweit zu trennen zwischen Berechtigung des Veräußerers und Belastung der Sache. A war daher Berechtigter.

3. Mit dem Eigentumserwerb der B ist das Vermieterpfandrecht des V an der Standuhr erloschen.

Nein!

Bei der Veräußerung kann ein Recht eines Dritten, das die Sache des Veräußerers belastet, nach § 936 Abs. 1 S. 1 BGB erlöschen, sog. gutgläubiger lastenfreier Erwerb. Dieser setzt voraus: (1) Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglicher Sache, (2) Belastung der Sache mit einem dinglichen Recht eines Dritten, (3) Besitzerwerb des Erwerbers entsprechend den Voraussetzungen der §§ 932 ff., § 936 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers hinsichtlich der Lastenfreiheit, § 936 Abs. 2 BGB, (5) Kein Ausnahmefall gem. § 936 Abs. 3 BGB, (6) Kein Abhandenkommen der Sache vom Rechtsinhaber, § 935 BGB analog. Ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb zwischen A und B liegt vor. Das Vermieterpfandrecht ist als beschränktes dingliches Recht ein Recht eines Dritten. Problematisch ist der Besitzerwerb der B. Da eine Veräußerung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB vorliegt, ist § 936 I S. 3 BGB zu beachten. Danach müsste B von A den Besitz an der Sache erlangen. Zwar hat B hat durch die Sicherungsübereignung aufgrund der Sicherungsabrede als Besitzmittlungsverhältnis von A den mittelbaren Besitz an der Standuhr erlangt. Dies kann aus Wertungsgesichtspunkten aber nicht genügen: Bei jeder Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB erlangt der Erwerber mit der Übereignung den mittelbaren Besitz. Ließe man dies für § 936 I S. 3 BGB ausreichen, so würde der Erwerber im Fall von §§ 929 S. 1, 930 BGB stets lastenfrei erwerben. Dies liefe der Systematik des gutgläubigen Erwerbs nach § 933 BGB zuwider, der die Übergabe erfordert. Wieso im Fall des gutgläubigen Wegerwerbs eines Rechts an einer Sache der Berechtigte schlechter geschützt werden sollte als im Fall des gutgläubigen Erwerbs des Eigentums der Eigentümer, ist nicht ersichtlich. Daher ist § 936 I S. 3 BGB systematisch und teleologisch so auszulegen, dass im Gleichlauf zu § 933 BGB eine Übergabe der Sache (unter Aufgabe jeglichen Besitzrests auf Veräußererseite) erforderlich ist. Mangels einer Übergabe an B scheidet der gutgläubige lastenfreie Erwerb hier aus.

4. B hat daher nur mit dem Vermieterpfandrecht belastetes Eigentum erworben.

Genau, so ist das!

Da das Vermieterpfandrecht des V nicht nach § 936 Abs. 1 S. 1 BGB erloschen ist, besteht es weiter fort. Das Eigentum der B ist daher mit dem Vermieterpfandrecht belastet. Im Fall des §§ 929 S. 1, 930 BGB wird regelmäßig keine Übergabe vorliegen, da es gerade Sinn des § 930 BGB ist, diese zu ersetzen. § 936 Abs. 1 S. 1, 3 BGB scheitert daher regelmäßig an der fehlenden Übergabe. Liegt ausnahmsweise eine Übergabe vor, ist im Fall des Vermieterpfandrechts auch die Gutgläubigkeit des Erwerbers problematisch. Wer weiß, dass der Veräußerer zur Miete wohnt, muss bei dem Erwerb von in Mieträumen befindlichen Sachen nach Ansicht des BGH regelmäßig mit einem Vermieterpfandrecht rechnen. Mehr dazu hier.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

30.8.2023, 22:59:01

Ist dann ein Pfandrecht an einer Sache möglich, die nicht im Eigentum des Verpfänders steht?

CAN

cann1311

31.8.2023, 01:05:30

Guck mal in § 1207 ;)

LELEE

Leo Lee

31.8.2023, 11:23:46

Hallo Diaa und cann1311, wie cann1311 zu Recht kommentiert hat, kann man auch gutgläubig ein (vertragliches) Pfandrecht nach § 1207 BGB erwerben. Beachte noch in diesem Kontext, dass ein gutgläubiger Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts streitig ist (und nach der h.M. zu verneinen ist) :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

der D

der D

17.10.2024, 06:38:41

Muss man wirklich 935 BGB analog beim lastenfreien Erwerb prüfen? Wenn die Sache dem Eigentümer abhandengekommen ist, würde doch ohnehin schon kein Eigentumserwerb in Betracht kommen und die Voraussetzungen des 936 I BGB schon nicht vorliegen. Oder übersehe ich etwas?

LELEE

Leo Lee

20.10.2024, 13:12:47

Hallo der D, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat kann man sich die Frage stellen, ob 935 wirklich analog angewendet werden soll. Stellt man lediglich auf den Eigentümer ab, so ist - wie du zutreffend erwähnst - diese analoge Anwendung insofern überflüssig, als 935 ausreicht. Allerdings meint die analoge Anwendung des 935 vielmehr die Fälle, in denen dem RECHTSinhaber, der sich vom Eigentümer unterscheidet, die Sache abhandenkommt. Wenn etwa dem Pfandgläubiger der Besitz entzogen wird (durch den Eigentümer), so ist 935 eben nicht gegeben. Würden wir 935 nicht analog anwenden, stünde der Pfandgläubiger insofern schutzlos dar, als die Rechte erlöschen und der Eigentümer wieder damit machen kann, was er möchte. Um dieser Gefahr vorzubeugen, wird 935 also in diesem Fall analog angewandt. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Oechsler § 936 Rn. 13 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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