Fristende bei Zustellung per Übergabeeinschreiben fällt auf Sonntag


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Der am 07.01. zur Post gegebene Widerspruchsbescheid wurde B am 10.01. (Montag) per Übergabeeinschreiben zugestellt. B schafft es nicht, seine Klage bis zum 08.02. (Freitag) einzureichen, und reicht sie deshalb erst am 11.02. (Montag) ein. Ist die Klage verfristet?

Einordnung des Falls

Fristende bei Zustellung per Übergabeeinschreiben fällt auf Sonntag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klagefrist richtet sich nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Ja!

Für die Anfechtungsklage gilt eine Monatsfrist. Die Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids zu erheben (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ist ein Widerspruch nach § 68 VwGO nicht erforderlich, ist die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts, der angefochten werden soll, zu erheben (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO). Da der Fristbeginn an ein Ereignis anknüpft (Zustellung bzw. Bekanntgabe), handelt es sich um eine sog. Ereignisfrist.

2. Wird der Widerspruchsbescheid mittels Übergabeeinschreiben zugestellt, wird angenommen, dass die Zustellung am dritten Tag nach der Aufgabe bei der Post erfolgte.

Genau, so ist das!

Die Zustellung des Widerspruchsbescheids erfolgt von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes (VwZG) (§ 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO). In aller Regel erfolgt die Zustellung durch die Post mittels Einschreiben mit Rückschein (§ 4 Abs. 1 Alt. 2 VwZG) oder häufiger mittels Übergabe-Einschreiben (§ 4 Abs. 1 Alt. 1 VwZG). Beim Übergabeeinschreiben gilt der zugestellte Bescheid mit dem dritten Tag nach der Aufgabe bei der Post als zugestellt (gesetzliche Fiktion). Etwas anderes gilt, wenn der Bescheid nachweislich nicht oder später zugegangen ist (§ 4 Abs. 2 S. 2 VwZG; ähnlich § 41 Abs. 2 VwVfG). Unerheblich ist, ob er früher zugeht. Die Zustellung erfolgte am 10.01.

3. Die Berechnung der Klagefrist richtet sich nach den Normen des Zivilrechts.

Ja, in der Tat!

Die Fristberechnung für die Klagefrist (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO) richtet sich nach § 57 Abs. 1 und 2 VwGO. § 57 Abs. 2 VwGO verweist auf die Vorschriften des Zivilrechts (§ 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB).

4. Die Klagefrist begann am 11.01.

Ja!

Der Fristlauf beginnt mit dem Tag, der auf das Ereignis folgt, durch das die Frist in Gang gesetzt wird (§ 187 Abs. 1 BGB). Das Ereignis ist die Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Frist beginnt somit am Tag nach der Zustellung. Da die Zustellung am 10.01. erfolgte, begann die Frist am 11.01.

5. Die Klagefrist endet am 10.02. Bs Klage war daher verfristet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Frist endet mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche bzw. des letzten Monats der Frist, welcher dem Tag entspricht, in den das Ereignis des Fristbeginns fällt (§ 188 Abs. 2 BGB). Bei der Monatsfrist entspricht der Tag des Fristendes dem Tag, an dem das die Frist auslösende Ereignis stattfand. Fällt das Fristende jedoch auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, endet die Frist erst am darauf folgenden Werktag (§ 222 Abs. 2 ZPO bzw. § 193 BGB). Das Fristende fällt auf den 10.02. (Sonntag). Daher endet die Frist erst am 11.02. (Montag). Die Klage ist fristgemäß.

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NAI

Naitsab

24.2.2022, 11:09:06

Die Antwort der zweiten Frage irritiert mich. Ein früherer Zugang sei unerheblich. Gilt es nicht bei dieser Frage explizit auf den Unterschied zwischen dem Einschreiben mit Rückschein und dem Einschreiben durch Übergabe zu differenzieren? Gem. § 4 II 1 VwZG genügt zum Nachweis der Zustellung der Rückschein. So ist es auch in der Lektion ‚VerwR AT - Bekanntgabe durch förmliche Zustellung‘ beschrieben. Vielleicht ist die Antwort auch so gemeint und bezieht sich nur auf das Einschreiben durch Übergabe. Für mich liest sich das so nicht auf den ersten Blick. Oder ich übersehe oder fehlinterpretiere gerade etwas. Oder ich habe etwas falsch verstanden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.2.2022, 18:37:05

Völlig richtig, beim Einschreiben mit Rückschein ist in der Tat der Tag relevant, der auf dem Einschreiben vermerkt ist. Wir haben das hier nun präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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