Vereinbarung einer Form – Wahrung der Form hat deklaratorische Bedeutung


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V möchte K ihre 18 Jahre alte Schildkröte Jette verkaufen. Bei der Verhandlung über den Preis und die Haltungsbedingungen stimmen sie ab, der Vertrag solle in Textform erfolgen, um für später eine Dokumentation zu haben. Am Tag darauf schließen sie den Vertrag mündlich ab.

Einordnung des Falls

Vereinbarung einer Form – Wahrung der Form hat deklaratorische Bedeutung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Rechtsgeschäft, welches der vereinbarten Form nicht genügt, ist zwingend nichtig.

Nein, das trifft nicht zu!

Im Unterschied zum gesetzlichen Formerfordernis können die Parteien bei der gewillkürten Schriftform frei darüber entscheiden, welche Folgen die Nichtbeachtung der Schriftform nach sich zieht. Unterschieden wird zwischen dem konstitutiven und deklaratorischen Formerfordernis. Maßgebend für die Rechtsfolgen ist der Parteiwille.

2. Die Textformvereinbarung ist hier als deklaratorisch zu qualifizieren.

Ja!

Die deklaratorische Textform dient primär Beweiszwecken. Auch ohne Beachtung der Textform ist das Rechtsgeschäft in diesem Fall als wirksam zu betrachten. Entscheidend für die Abgrenzung des deklaratorischen und konstitutiven Formerfordernisses ist die Parteivereinbarung. Die Parteien vereinbaren die gewillkürte Textform zwecks Dokumentation „für später“. Nach ihrem Willen soll auch bei Nichtbeachtung der Form das Rechtsgeschäft wirksam sein.

3. Die Nichteinhaltung der Form berührt hier die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Nichtigkeit nach § 125 S. 2 BGB greift allein bei dem konstitutiven Formerfordernis. Hat die Textform eine deklaratorische Bedeutung, so kommt das Rechtsgeschäft auch bei Nichteinhaltung der gewillkürten Form wirksam zustande. Der mündlich geschlossene Kaufvertrag ist wirksam zustande gekommen.

4. V kann von K verlangen, dass sie den Vertrag nachträglich schriftlich fixieren.

Ja, in der Tat!

Den Parteien steht aus dem abgeschlossenen Vertrag ein Anspruch dahin gehend zu, die Form nachzuholen. V und K können jeweils vom Vertragspartner die schriftliche Fixierung des Vertrages verlangen.

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Blackpanther

Blackpanther

29.4.2022, 11:51:40

Dies ergibt sich aus § 127 II 2 für die Schriftform und § 127 III 3 für die elektronische Form.

QUIG

QuiGonTim

4.7.2022, 14:41:49

Handelt es sich bei diesem Anspruch auf nachträgliche Formberichtigung um einen solchen aus culpa in contrahendo?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 15:36:19

Hallo QuiGonTim, Ansprüche aus §§ 280 I, 241 II,

311 III BGB

(cic) können nur bei Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten entstehen. Haben beide gemeinsam mündlich einen Vertrag geschlossen liegt keine einseitige Schutzpflichtverletzung vor. Man könnte aber überlegen, ob ein Vorvertrag geschlossen wurde, aus dem sich der Anspruch einer bestimmten Form herleiten lässt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SvzW

SvzW

23.12.2023, 21:22:18

Was ist hier der Unterschied zum vorherigen Fall mit dem Papagei?

LELEE

Leo Lee

24.12.2023, 19:16:20

Hallo SvzW, der Unterschied liegt darin, dass beim Papageifall die Parteien „zwingend“ die Schriftform wollten, wohingegen beim hiesigen Fall nur die Textform erfolgen „soll“, damit man später etwas dokumentiert hat. Somit ist bei der „zwingenden“ Schriftform-Vereinbarung die Vereinbarung konstitutiv (weil es „zwingend“ sein sollte, soll auch mit Nichteinhaltung Unwirksamkeit eintreten), während bei der Textform (nur) zwecks Dokumentation die Vereinbarung eben „nur“ deklaratorisch ist (womit eben nicht die Unwirksamkeit automatisch eintreten soll, falls die Textform nicht eingehalten wird). Sprich, beim Papageifall war es den Parteien derart wichtig, dass eben die Form eingehalten wird, sodass ansonsten die Unwirksamkeit das Ergebnis ist. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Einsele § 125 Rn. 70 sehr empfehlen :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!


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