Einrede der Vorausklage, § 349 HGB (Grundfall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K und V haben einen Kaufvertrag geschlossen. Kaufmann B gibt gegenüber V schriftlich die Erklärung ab, für die Kaufpreisschuld des K zu bürgen. V macht den Kaufpreisanspruch sofort gegenüber B geltend. Er meint zur Begründung, er habe von Anfang an gewusst, dass bei K nichts zu holen ist. Das brauche er gar nicht erst versuchen.

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Einordnung des Falls

Einrede der Vorausklage, § 349 HGB (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung aus §§ 765 Abs. 1 BGB i.V.m. § 433 Abs. 2 BGB haben.

Ja, in der Tat!

Ein Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen ergibt sich aus § 765 Abs. 1 BGB i. V. m. der Anspruchsgrundlage der Hauptforderung. Die Voraussetzungen des Anspruchs sind: (1) Das Bestehen einer Hauptschuld (Akzessorietät), (2) ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger (§ 765 Abs. 1 BGB) und dass (3) dem Bürgen keine Einrede gegen seine Inanspruchnahme zusteht (§§ 768 Abs. 1 S. 1, 770, 771 S. 1 BGB).
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2. Zwischen V und K besteht ein Kaufvertrag (§ 433 BGB) (Hauptschuld).

Ja!

Die Bürgenschuld ist gegenüber der Hauptschuld akzessorisch. Sie besteht nur, soweit auch die Hauptschuld entstanden ist und bestimmt sich nach dem „jeweiligen Bestand der Hauptverbindlichkeit“ (§ 767 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Höhe der Bürgenschuld richtet sich somit nach der Höhe der Hauptschuld zum Zeitpunkt der Geltendmachung. Ein Kaufvertrag zwischen K und V besteht. Somit auch der Kaufpreisanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB), nach dessen Höhe sich auch die Bürgenschuld richtet. Die Regelung des § 767 BGB ist dispositiv. Sie wird oft durch die Vereinbarung eines bestimmten Höchstbetrags für die Bürgenschuld beschränkt.

3. Zwischen V und B besteht ein wirksamer Bürgschaftsvertrag (§ 765 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Bürgschaftsvertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande (§§ 145ff. BGB). Die Bürgschaftserklärung ist schriftlich zu erteilen (§§ 766 Abs. 1, 126 BGB). Die Willenserklärung des Gläubigers ist hingegen formfrei möglich. Auf eine Bürgschaft, die für den Bürgen ein Handelsgeschäft darstellt (§ 343 HGB), findet die Formvorschrift des § 766 S. 1 und 2 BGB keine Anwendung (§ 350 HGB). B hat schriftlich die Erklärung abgegeben, für die Kaufpreisforderung des V gegen K bürgen zu wollen. Er hat die gesetzliche Form damit eingehalten (§§ 766 S. 1, 126 BGB), obwohl er als Kaufmann von dem Formerfordernis befreit wäre (§ 350 HGB). Auf den Zugang der Annahmeerklärung des V bei B kann verzichtet werden (§ 151 S. 1 BGB).

4. B steht die Einrede der Vorausklage zu (§ 771 S. 1 BGB), sodass der Anspruch nicht durchsetzbar ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Einrede der Vorausklage ermöglicht es dem Bürgen, die Erfüllung der Hauptschuld zu verweigern, bis der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner erfolglos versucht hat (§ 771 BGB) (Subsidiarität). Auf eine Bürgschaft, die für den Bürgen ein Handelsgeschäft darstellt (§ 343 HGB), findet § 771 BGB keine Anwendung (§ 349 HGB). Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 Abs. 1 HGB). B ist Kaufmann. Die Zugehörigkeit des Geschäfts zum Betrieb seines Handelsgewerbes und damit das Vorliegen eines Handelsgeschäfts wird vermutet (§§ 343 Abs.1, 344 Abs. 1 HGB). B steht die Einrede der Vorausklage (§ 771 S. 1 BGB) daher nicht zu (§ 349 HGB).

5. V hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung aus §§ 765 Abs. 1 BGB i.V.m. § 433 Abs. 2 BGB.

Ja!

Ein Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen ergibt sich aus § 765 Abs. 1 BGB i. V. m. der Anspruchsgrundlage der Hauptforderung. Die Voraussetzungen des Anspruchs sind: (1) Das Bestehen einer Hauptschuld (Akzessorietät), (2) ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger (§ 765 Abs. 1 BGB) und dass (3) dem Bürgen keine Einrede gegen seine Inanspruchnahme zusteht (§§ 768 Abs. 1 S. 1, 770, 771 S. 1 BGB). Die Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere steht B als Kaufmann die Einrede der Vorausklage (§ 771 S. 1 BGB) nicht zu, da die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft darstellt (§§ 349 S. 1, 343 Abs. 1 HGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dolusdave

Dolusdave

8.2.2022, 20:49:01

Könnte B hier die Einrede nach 242 BGB erheben, da der V wusste, dass bei K nichts zu holen ist oder sagt man, das ist aufgrund von Sinn und Zweck der Bürgschaft das Risiko des Bürgen, mit dem insbes ein Kaufmann rechnen muss?

VIC

Victor

9.2.2022, 16:05:48

Letzter Punkt ist richtig. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass der Bürge ja nicht gezwungen war die Erklärung abzugeben. § 242 BGB sollte eher restriktiv verwendet werden.

/Q

/qwas

9.1.2024, 08:53:24

Ich hätte gedacht, dass V zumindest bei K nachfragen muss, ob er zahlt, auch wenn V K nicht verklagen muss. Sonst gibt es für den Bürgen ja keinen Unterschied zum Schuldbeitritt (außer das der Bürge beim Schuldbeitritt nicht immer die Möglichkeit hat, sich das

Geld

vom Schuldner zu holen).

Steinfan

Steinfan

27.4.2024, 14:58:34

Zumindest muss die Bürgschaft aber auch in diesem Fall fällig sein. Der Bürgschaftsfall müsste eingetreten sein,was mE schon eine Erwähnung wert ist, selbst wenn sich iE (§ 271 BGB bei Hauptverbindlichkeit) nichts ändert. Oder übersehe ich was?

LELEE

Leo Lee

28.4.2024, 06:12:02

Hallo Steinfan, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat muss der Bürgschaftsfall auch eingetreten sein, weil der Bürgschaftsgläubiger erst danach beim Bürgen was zurückholen kann. Der von der erwähnte Bürgschaftsfall – also die Vorausklage – wird allerdings auch vom 771 erfasst im Wortlaut, weshalb dieser Aspekt in der Einrede anzusprechen wäre :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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