Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Abgabe und Zugang von Willenserklärungen
Widerruf erfolgt mit anderem Medium als die zu widerrufende Erklärung.
Widerruf erfolgt mit anderem Medium als die zu widerrufende Erklärung.
11. Juni 2025
7 Kommentare
4,8 ★ (39.231 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S ärgert sich über seine Nachbarn und entschließt sich spontan, seine Wohnung zu kündigen. Er gibt den Brief mit der Kündigung an V vormittags bei der Post auf. Am Nachmittag bereut er seinen Entschluss. Er ruft V an und erklärt, an der Kündigung nicht festhalten zu wollen.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Widerruf erfolgt mit anderem Medium als die zu widerrufende Erklärung.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Kündigung an V ist wirksam geworden, als S sie bei der Post aufgegeben hat.
Nein, das trifft nicht zu!
2. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
Ja!
3. Die Kündigung ist nicht wirksam geworden. V ist vorher ein Widerruf zugegangen.
Genau, so ist das!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
S
3.10.2021, 13:50:43
Für den Widerruf ist also nicht genauso das etwaige Schriftformerfordernis der ursprünglichen WE erforderlich?

Lukas_Mengestu
4.10.2021, 11:58:41
So ist es S! Der Widerruf bedarf - auch dann, wenn die widerrufene Willenserklärung formbedürftig ist - keiner bestimmten Form (vgl. BeckOK BGB, Hau/Posck, 59. Ed Stand 01.08.2021, § 130 Rn. 30). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
28.1.2022, 17:11:32
Ich habe zu dieser Frage gerade mal im den BeckOK und in den MüKo geschaut. In beiden fehlt es an einer Begründung, warum das Formerfordernis für den Widerruf nicht gelten soll. Weiß jemand mehr dazu?

Richter Alexander Hold
10.11.2023, 16:49:01
Ich könnte mir vorstellen, dass bei dem Widerruf einer Willenserklärung der durch die Schriftform bezweckte Übereilungsschutz bzw. die Warnfunktion nicht gegeben sein muss. Ein Widerruf einer (nicht gewollten) Willenserklärung hat für den Erklärenden ja nicht dieselben möglicherweise einschneidenden Konsequenzen wie die zu widerrufene Willenserklärung selbst (da durch Kündigung Mietvertrag erlischt). Im Zweifel kann der Erklärende die widerrufene Kündigung ja nochmal erklären.

cSchmitt
5.5.2025, 18:05:41
Das, was @[Richter Alexander Hold](222206) sagt. Zusätzlich wird der in § 130 Abs. 1 S. 2 BGB genannte Widerruf in den folgenden Paragrafen nicht mit einem Formerfordernis belegt. Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt auch die
Formfreiheit(sofern nicht gesetzlich eingeschränkt). Liegt keine Einschränkung vor, so ist demnach von der freien Wahl der Form auszugehen. Hätte der Gesetzgeber ein Formerfordernis für den Widerruf vorsehen wollen, wäre es ein einfaches gewesen, dieses ins Gesetz zu schreiben. Folglich sprechen der Wortlaut (oder die Abwesenheit dessen), die Systematik des Gesetzes sowie die teleologische Auslegung für eine
Formfreiheitdes Widerrufs.