Strafrecht

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Anforderungen an den Rücktritt von beendeten Versuch: Mitverursachen der Nichtvollendung

Anforderungen an den Rücktritt von beendeten Versuch: Mitverursachen der Nichtvollendung

22. Mai 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: T informiert V von der sterbenden O.

T sticht mit Tötungsvorsatz auf seine Freundin O ein. O blutet stark. T flieht zu V und bittet ihn, zu O zu fahren und O zu helfen. Als V bei O ankommt, ist der Arzt schon da. Dieser bittet V, mit einer Blutprobe der O zur Klinik vorzufahren, damit dort die Not-OP vorbereitet werden kann. O überlebt.

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Einordnung des Falls

Diese Entscheidung des BGH beschäftigt sich mit den Anforderungen an einen Rücktritt vom beendeten Versuch. Dafür ist grds. das Ingangsetzen einer neuen Kausalkette nötig, welche für die Vollendung zumindest mitursächlich ist. Für dieses Ingangsetzen reicht auch aus, dass der Täter Dritte hinzuzieht. Andere Motive als die der Verhinderung der Tatvollendung, stehen dem Rücktritt nicht entgegen. Ebenso schließt es einen strafbefreienden Rücktritt nicht aus, wenn der Täter mehr hätte tun können, um die Vollendung mit größerer Sicherheit zu verhindern.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich wegen Totschlags (§ 212 StGB) strafbar gemacht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Strafbarkeit wegen Totschlags nach § 212 StGB setzt voraus: (1) Objektiver Tatbestand: (a) Tod eines anderen Menschen, (b) Kausalität, (c) objektive Zurechenbarkeit; (2) Subjektiver Tatbestand: Vorsatz; (3) Rechtswidrigkeit; (4) Schuld. Hier fehlt es am Erfolg der Tat, denn O ist nicht gestorben. Eine Strafbarkeit wegen vollendeten Totschlags scheidet daher aus.
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2. Ist der Versuch des Totschlags strafbar?

Ja, in der Tat!

Gemäß § 23 Abs. 2 StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, während der Versuch eines Vergehens nur dann strafbar ist, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Verbrechen sind nach § 12 Abs. 1 StGB Straftaten, die im Mindestmaß mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind. Die Mindeststrafe für einen Totschlag beträgt 5 Jahre. Damit ist der Totschlag ein Verbrechen, sodass der Versuch des Totschlags stets strafbar ist.

3. Hat T sich durch das Zustechen mit dem Messer zunächst eines versuchten Totschlags schuldig gemacht?

Ja!

Der Versuch ist unter folgenden Voraussetzungen strafbar: (1) Vorprüfung: (a) Nichtvollendung, (b) Strafbarkeit des Versuchs; (2) Tatbestand: (a) Tatentschluss, (b) unmittelbares Ansetzen; (3) Rechtswidrigkeit; (4) Schuld. Als persönlicher Strafaufhebungsgrund ist im Anschluss ein möglicher Rücktritt zu prüfen. Im Tatentschluss sind alle Merkmale des objektiven Tatbestands auf Grundlage der Tätervorstellung zu prüfen. T hat mit Tötungsvorsatz gehandelt und sich daher den objektiven Tatbestand eines Totschlags vorgestellt. Er hat die Tathandlung schon vollständig abgeschlossen, sodass auch ein unmittelbares Ansetzen (§ 22 StGB) vorliegt.

4. Ist T durch das Aufgeben der weiteren Tatausführung vom Versuch zurückgetreten?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der strafbefreiende Rücktritt vom Versuch setzt voraus: (1) kein fehlgeschlagener Versuch; (2) unbeendeter / beendeter Versuch; (3) Aufgeben der weiteren Ausführung / Verhindern der Vollendung; (4) Freiwilligkeit. Das bloße Aufgeben der weiteren Tatausführung reicht für einen strafbefreienden Rücktritt aus, wenn ein unbeendeter Versuch vorliegt. Der Versuch ist unbeendet, wenn T noch nicht alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zu ihrer Vollendung ausreicht. Hier hat T bereits alles nach seiner Vorstellung erforderliche getan, sodass der Versuch bereits beendet ist und das bloße Aufgeben nicht ausreicht.

5. Hat T die Vollendung der Tat verhindert. Ein Rücktritt liegt vor?

Ja, in der Tat!

Für die Verhinderung der Vollendung reicht es aus, dass der zum Rücktritt entschlossene Täter bewusst und gewollt eine neue Kausalreihe in Gang setzt, die für das Ausbleiben der Vollendung wenigstens mitursächlich wird. BGH: Für das Ingangsetzen dieser neuen Kausalkette könne T auch Dritte - wie hier V - hinzuziehen. Dass daneben andere, vom Willen des T unabhängige Umstände zur Verhinderung der Tat beitragen, stehe einem strafbefreienden Rücktritt nicht entgegen. Ebenso sei es unschädlich, wenn T mehr hätte tun können, um die Vollendung mit größerer Sicherheit zu verhindern (RdNr. 11). T ist daher strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du den Rücktritt vom beendeten Versuch im Fall des § 24 Abs. 1 S. 2 StGB?

  1. Kein fehlgeschlagener Versuch
  2. Beendeter Versuch
  3. Keine Vollendung, ohne Zutun des Täters
  4. Rücktrittshandlung: Ernsthaftes Bemühen der Erfolgsabwendung (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB)
  5. Freiwilligkeit
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Eine Besprechung von:
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AM

Amtsanwaltsanwärter

26.2.2021, 20:39:20

Eine Anschlussfrage mit den erfüllten Delikten wäre noch sinnvoll.

FML

FML

4.4.2021, 09:37:30

Nicht wirklich. Viel bleibt nicht übrig. 223,

224 StGB

liegt auf der Hand. Das spannende sind hier ja gerade die Voraussetzungen des Rücktritts.

JO

jomolino

26.10.2021, 07:34:49

Ist nicht eigentlich die Variante der Nichtvollendung ohne Zutun des T gegeben? Die vom ihm in Gang gesetzte Kausalkette war ja gerade nicht ursächlich, auch wenn sie mitunter ausreichend für ernstliche Rücktrittsbemühungen war?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2021, 10:19:39

Gut gesehen, nomamo. Das Ausgangsgericht hatte mit dieser Begründung einen Rücktritt sogar verneint. Der BGH hat indes ausreichen lassen, dass die Rettungsmaßnahme des T (mit-)ursächlich ist und insoweit festgestellt, dass dies der Fall wäre, wenn die Lieferung der Blutkonserve ins Krankenhaus durch zur vorbereitung der geeigneten Blutkonserven notwendig gewesen wäre und insoweit eine neue Kausalkette in Gang gebracht hätte. Aus diesem Grund ist hier keine Nichtvollendung ohne Zutun gegeben, sondern

tat

sächlich die Verhinderung der Vollendung nach § 24 Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB. Beste Grüße, Luaks - für das Jurafuchs-Team

JO

jomolino

26.10.2021, 10:41:09

Ah ok danke, das ging für mich dann so nicht aus dem Sachverhalt hervor, aber es gilt ja im dubio pro reo. Nimmt man daher an dass die Konserve zumindest mitursächlich geworden ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2021, 10:46:01

Genau :)


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