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Tötungsvorsatz ja oder nein? (BGH, Urt. v. 18.01.2024 - 4 StR 289/23)

Tötungsvorsatz ja oder nein? (BGH, Urt. v. 18.01.2024 - 4 StR 289/23)

22. Januar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T und O haben Streit. T schlägt den O und wirft ihn zu Boden. O bleibt regungslos liegen. T schlägt O fünfmal mit der Faust gegen den Kopf, wobei dieser gegen die Straße schlägt. Ts Bekannte rufen, er solle damit aufhören. T stoppt sofort. O kommt später wieder zu Bewusstsein, als T schon weg ist.

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Einordnung des Falls

Tötungsvorsatz ja oder nein? (BGH, Urt. v. 18.01.2024 - 4 StR 289/23)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 18 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T den O schlug, zu Boden schleuderte und weiter gegen Os Kopf schlug, könnte er sich wegen versuchtem Totschlag strafbar gemacht haben (§§ 212, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Dies setzt voraus: (1)Strafbarkeit des Versuchs und Nichtvollendung (2)Tatentschluss, den O zu töten (3)Unmittelbares Ansetzen (4)Rechtswidrigkeit (5)Schuld (6)Kein Rücktritt.
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2. T müsste Tatentschluss gehabt haben, den O zu töten. Waren Ts Faustschläge so stark, dass man ohne Weiteres annehmen kann, dass T Tatentschluss hatte, den O zu töten?

Nein!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestandes in Kenntnis aller objektiven Tatumstände handelt. Hier liegen zwar durchaus Körperverletzungen vor, die besonders heftig und geeignet waren, den O in Todesgefahr zu bringen. Es ist jedoch unklar, ob T wusste und wollte, dass seine Schläge zum Tod des O führen könnten. Insbesondere angesichts des hohen Strafrahmens des § 212 StGB ist es hier wichtig, ausführlich zu untersuchen, ob T vorsätzlich handelte oder nicht. Denke hier auch an die vom BGH vertretene Hemmschwellentheorie. Mehr dazu findest Du in unserem systematischen Kurs hier .

3. Ob T Tatentschluss bezüglich einer Tötung des O hatte, musst Du hier genauer prüfen. Könnt T auch nur bewusst fahrlässig gehandelt haben?

Genau, so ist das!

Die Grenze zwischen vorsätzlichem Handeln und fahrlässigen Handel verläuft zwischen dem Eventualvorsatz und der bewussten Fahrlässigkeit. Hier wirst Du häufig eine Abgrenzung vornehmen müssen. Die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist umstritten. Einigkeit besteht insoweit, dass der Täter zumindest Wissen bezüglich der Tatbestandsverwirklichung gehabt haben muss (kognitives Element). Es ist durchaus möglich, dass T sich nicht bewusst war, dass seine Schläge gegen Os Kopf tödlich gewesen sein könnten. In unserem systematischen Kurs findest Du viele Fälle zu dieser sehr relevanten Abgrenzungsthematik .

4. Die Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist umstritten. Ist es nach allen Ansichten Voraussetzung, dass für vorsätzliches Handeln (auch) ein voluntatives Element vorliegen muss?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit ist umstritten. Einigkeit besteht insoweit, dass nach allen Theorien zur Bejahung des Vorsatzes Wissen des Täters bezüglich der Tatbestandsverwirklichung vorhanden sein muss (kognitives Element). Das ergibt sich aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Ob darüber hinaus ein voluntatives Element für eine vorsätzliche Begehung erforderlich ist, ist umstritten. Nach der Möglichkeitstheorie liegt bedingter Vorsatz bereits vor, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und dennoch handelt. Auf das voluntative Vorsatzelement kommt es hiernach gar nicht an. Gegen die teilweise in der Literatur vertretene Möglichkeitstheorie spricht, dass der Verzicht auf das voluntative Element zu einer Vorsatzbereichsausdehnung führt. Die Kriterien der Möglichkeitstheorie sind zur Grenzziehung besonders unsicher und unpraktikabel.

5. Um Eventualvorsatz und bewusst fahrlässiges Verhalten voneinander abzugrenzen, ist nach der h.M. zusätzlich ein voluntatives Element erforderlich.

Ja!

Die h.M. (Lit. & Rspr.) nimmt die Abgrenzung Vorsatz / bewusste Fahrlässigkeit anhand des voluntativen Elements vor. Der Täter hat bedingten Vorsatz, wenn er den Erfolg ernsthaft für möglich hält und sich mit ihm abfindet (Ernstnahmetheorie der h.L.) bzw. den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt (Billigungstheorie der Rspr). Er handelt bewusst fahrlässig, wenn er mit dem als möglich erkannten Erfolg nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, dass er nicht eintritt. Für das Erfordernis eines voluntativen Elements spricht, dass der Unterschied zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit sich nur über das Willenselement erklären und rechtfertigen lässt. Hier ist es wichtig, dass du eine gute und saubere Argumentation entlang des Sachverhaltes entwickelst. Den Streitentscheid kannst Du klausurtaktisch führen, im Zweifel empfiehlt sich wohl die h.M. Im zweiten Examen brauchst Du zur Abgrenzung nur noch die von der Rspr. vertretene Billiungstheorie. Im Zweifel hilft der Kommentar mit Fallbeispielen!

6. Nach der Billigungstheorie liegt Vorsatz vor, wenn der Täter den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt. Kommt es für die Feststellung des Vorsatzes allein auf eine objektive Betrachtung der Umstände an (BGH)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach dem BGH (st.Rspr) ist in jedem Einzelfall „eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände erforderlich“ (RdNr. 12). Dazu gehören die konkrete Tatsituation und die Angriffsweise, die Lage und Abwehrmöglichkeiten des Opfers, die psychische Verfassung des Täters, seine kognitiven Erfassung der Gefahr sowie seine Motivation.

7. Heftige Schläge gegen den Kopf einer bewusstlosen Person können nach allgemeiner Kenntnis tödlich sein. Spricht dies dafür, Ts kognitive Element des Eventualvorsatzes anzunehmen?

Ja, in der Tat!

Nach dem BGH entspricht es „gesicherter allgemeiner Kenntnis, dass derartige Schläge gegen den Kopf einer regungs- und reaktionslosen Person mit anschließendem Aufprall gegen einen festen Gegenstand immer äußerst schwerwiegende Folgen bis hin zum Tod haben können“. Medizinischen Fachwissens bedürfe es dazu nicht (RdNr. 15). Die Handlungen des T waren offensichtlich lebensgefährlich. Dies hat T auch bei der Ausführung seiner Faustschläge auf den regungslosen O aus nächster Nähe erkennen können. Damit liegt das kognitive Element des bedingten Vorsatzes vor. Wenn Du Grenzfälle zwischen dem Eventualvorsatz und der bewussten Fahrlässigkeit prüfst, bietet es sich an, immer sauber zwischen dem kognitiven und dem voluntativen Element zu unterscheiden und das in Deiner Prüfung auch deutlich zu machen!

8. T erkannte die Gefährlichkeit seines Tuns und setzte es trotzdem fort. Kann man daraus zunächst auf Ts billigende Inkaufnahme von Os Tod (= voluntatives Vorsatzelement) schließen?

Ja!

Nach der st.Rspr. des BGH liegt es bei äußerst gefährlichen Handlungen nahe , dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, und dass er, wenn er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (RdNr. 12). Trotzdem darf man aus der objektiven Gefährlichkeit nicht ohne weiteres auf das voluntative Element schließen. Der BGH bestätigte die Feststellungen des Landgerichts, wonach aus dem Fortsetzen von Ts gefährlichen Handeln und der von ihm erkannten objektiven Gefährlichkeit seines Tuns (kognitives Element) auf dessen billigende Inkaufnahme eines tödlichen Ausgangs (voluntatives Element) geschlossen werden könnte (RdNr. 16). Damit lege bei T auch das voluntative Element des bedingten Vorsatzes vor.

9. Gegen die Annahme des voluntativen Elements könnte ausnahmsweise sprechen, dass T im Affekt handelte und die Gefahr seiner Handlung nicht erkannte. Liegt hier allein deswegen eine Affekttat vor, weil T und O sich vorher gestritten haben?

Nein, das ist nicht der Fall!

>Bei dem Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf bedingten Tötungsvorsatz muss man auch die Umstände berücksichtigen, die den Vorsatz in Frage stellen. Nach der Rspr. kann „insbesondere bei spontanen, unüberlegt oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus der Kenntnis der Gefahr des möglichen Todeseintritts nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das voluntative Vorsatzelement (…) ohne Weiteres gegeben ist“. T war hier während der Tat noch ansprechbar. Als seine Bekannten ihm zuriefen, er solle weitere Schläge unterlassen, tat er dies sofort. Dies spricht gegen eine Affekttat. Damit ist das voluntative Element nicht aufgrund einer Affekttat ausgeschlossen. T handelte mit Tatentschluss bezüglich des objektiven Tatbestands des § 212 StGB.

10. T hat den O schon mehrmals heftig gegen den Kopf geschlagen. Liegt damit ein unmittelbares Ansetzen unproblematisch vor?

Ja, in der Tat!

Der Täter setzt unmittelbar an, wenn er subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. T hat O bereits mehrmals gegen den Kopf geschlagen. Auch als dieser schon bewusstlos am Boden lag, hat T ihm fünf weitere heftige Faustschläge gegen den Kopf versetzt, so dass dieser gegen die asphaltierte Straße schlug. Die Handlungen waren geeignet, den O ohne wesentliche Zwischenschritte zu töten. Damit liegt unmittelbares Ansetzen vor. Wenn der Täter bereits mit der Ausführung der Handlung, die zum tatbestandlichen Erfolg führen könnte, begonnen hat, solltest Du Dich nicht lange mit der Prüfung des unmittelbaren Ansetzens aufhalten (Stichwort: Schwerpunktsetzung).

11. T hat den Tatbestand erfüllt. Könnte T aber strafbefreiend vom Versuch des Totschlages zurückgetreten sein, indem er weitere Schläge unterließ (§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB)?

Ja!

Bei einer Versuchsprüfung solltest Du immer an den Rücktritt denken. Auch, wenn Du ihn nur in einem Satz ablehnst. So machst Du deutlich, dass Du ihn nicht „vergessen“ hast. Hier hat T (bewusst) von O abgelassen, sodass Du den Rücktritt genauer zu untersuchen solltest. Voraussetzung für den Rücktritt ist zunächst, dass der Versuch nicht fehlgeschlagen ist. Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. Nach der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre ist die Sicht des Täters nach Vornahme der letzten Ausführungshandlung maßgeblich. T hätte den O (aus Ts Sicht) noch weiter schlagen können. Mithin hätte T noch weitere tödliche Handlungen durchführen können. Der Versuch ist damit nicht fehlgeschlagen.

12. Für die weiteren Voraussetzungen des Rücktritts musst Du zunächst zwischen beendetem und unbeendetem Versuch unterscheiden (§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch ist die Vorstellung des Täters von der Tat, weil die Rücktrittsleistung nur auf Grundlage des Täterplans bewertet werden kann. Ein unbeendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter davon ausgeht, noch nicht alles für die Tatbestandsverwirklichung getan zu haben, was nach seiner Vorstellung dafür erforderlich ist. Dabei reicht es aus, dass er den Erfolgseintritt für möglich hält.Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter davon ausgeht, alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan zu haben, um den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen. Dabei reicht es aus, dass der Täter es für möglich hält, dass er alles Erforderliche getan hat, aber auch, wenn er sich keine Gedanken macht, aber die Möglichkeit des Erfolges sieht.

13. Hier liegt unproblematisch ein unbeendeter Versuch vor, weil T offensichtlich dachte, noch nicht alles getan zu haben, was zu Os Tod führen könnte.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein unbeendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter davon ausgeht, noch nicht alles für die Tatbestandsverwirklichung getan zu haben, was nach seiner Vorstellung dafür erforderlich ist. Dabei reicht es aus, dass er den Erfolgseintritt für möglich hält und Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Erfolgseintritt nahelegen, hat (RdNr. 21). Nach dem BGH spricht die andauernde Unfähigkeit des Opfers zu körperlichen Reaktionen für die vom Täter nach der letzten Ausführungshandlung für möglich gehaltene Lebensgefährlichkeit seiner Tathandlungen (RdNr. 22). O war bereits nach Ts ersten Schlägen bewusstlos. T wusste, dass die Schläge, die er O zufügte, tödlich gewesen sein könnten. Er hielt den Tod von O auch für möglich. Damit musste er davon ausgehen, schon alles getan zu haben, was zu Os Tod führen konnte. Damit liegt ein beendeter Versuch vor.

14. Ts Versuch war beendet. Scheidet damit ein Rücktritt von vornherein aus?

Nein!

Da kein unbeendeter Versuch vorliegt, kommt nur noch ein Rücktritt nach § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, Abs. 2 StGBin Betracht. Voraussetzung dafür wäre, dass T entweder die Vollendung der Tat verhindert oder dass er bei Nichtvollendung der Tat ohne sein Zutun sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern. T ist, nachdem er den O weitere fünfmal gegen den Kopf schlug, einfach weggegangen. Damit hat T weder die Vollendung der Tat verhindert noch sich bei Nichtvollendung der Tat freiwillig und ernsthaft darum bemüht, die Vollendung zu verhindern. Damit scheidet ein Rücktritt aus.

15. Zudem könnte T eine gefährliche Körperverletzung begangen haben. Hat T den O körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt (§§ 223 Abs. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Schädigung der Gesundheit ist das Hervorrufen oder Steigern eines, wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Zustands, unabhängig davon, ob das Opfer zuvor gesund war oder ob eine Vorschädigung bestand. T hat den O geschlagen und ihn zu Boden geworfen. Dort hat er ihn weiter mit der Faust gegen den Kopf geschlagen, so dass der Kopf gegen den Straßenasphalt schlug. O wurde in der Folge bewusstlos. Os körperliches Wohlbefinden und seine körperliche Unversehrtheit waren mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. In der Bewusstlosigkeit liegt ein pathologischer Zustand. T hat den objektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB erfüllt.

16. T hat die Körperverletzung außerdem „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begangen (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

Ja, in der Tat!

Eine Behandlung ist lebensgefährdend, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Bereits die harten Schläge gegen den Kopf sind geeignet, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Rspr. und h.L. verlangen eine Begehungsweise, die nach den Umständen des konkreten Falles objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Eine konkrete Lebensgefahr sei nicht erforderlich. Nach a.A. muss das Opfer durch die Körperverletzung in eine konkrete Lebensgefahr kommen. Systematische Gründe sprechen mit Blick auf den Unrechtsgehalt der übrigen Nummern des § 224 Abs. 1 StGB dagegen, eine konkrete Lebensgefahr zu verlangen. Den Streit kannst Du Dir genauer in unserem Kurs zum Strafrecht-AT anschauen. Wenn das Tatbestandsmerkmal wie hier unproblematisch vorliegt, reicht es aus, wenn du den Streit nur kurz ansprichst und darauf hinweist, dass es nach beiden Ansichten vorliegt. Im zweiten Examen folgst Du – ohne weitere Begründung – der Rspr.

17. Subjektiv setzt der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nach allgemeiner Ansicht voraus, dass der Täter sein Opfer in eine Lebensgefahr bringen will.

Nein!

Nach dem BGH ist es für den subjektiven Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ausreichend, wenn der Täter mit Verletzungsvorsatz handelt und dabei die Umstände erkennt, die die allgemeine Lebensgefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Opfer begründen. Nach a.A. muss der Täter bezüglich der Lebensgefährlichkeit seines Handelns bedingten Vorsatz aufweisen, also die Lebensgefahr zumindest für möglich halten und billigend in Kauf genommen haben. Dagegen sprechen Abgrenzungsschwierigkeiten zum versuchten Totschlag mit Eventualvorsatz.

18. T hat sich vorliegend wegen versuchtem Totschlag nach §§ 212, 22, 23 Abs. 1 StGB und wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht. Tritt die gefährliche Körperverletzung hinter den versuchten Totschlag zurück?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Körperverletzung und der Totschlag beendet, tritt die Körperverletzung im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. Ist der Totschlag versucht und die Körperverletzung beendet, stehen beide nebeneinander in Tateinheit (§ 52 StGB). Zwar bildet die Körperverletzung ein notwendiges Durchgangsstadium zur Tötung. Allerdings kann ein Delikt nur hinter ein anderes zurücktreten, wenn der Unrechtsgehalt weiterhin erschöpfend erfasst ist. Der Unrechtsgehalt einer folgenlosen versuchten Tötung unterscheidet sich jedoch maßgeblich von dem einer versuchten Tötung mit schwersten gesundheitlichen Schäden (BGH, Urt. v. 24.09.1998 - 4 StR 272/98). T hat sich wegen versuchtem Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht (§§ 212, 22, 23 Abs. 1, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5, 52 StGB).
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