Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2017
Freiwilliger Rücktritt bei herannahendem Zeugen?
Freiwilliger Rücktritt bei herannahendem Zeugen?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T schlägt mit Tötungsvorsatz auf O ein. O erleidet Knochenbrüche. T sieht, dass O noch nicht lebensgefährlich verletzt ist. Als sich mehrere Jogger nähern, erkennt T, dass das Entdeckungsrisiko bei weiterer Tatausführung zu groß wird. Er flieht im Auto.
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Einordnung des Falls
Der BGH beschäftigt sich in diesem Urteil mit dem Merkmal der Freiwilligkeit im Rahmen des Rücktritts vom Versuch. Hiernach könne der Anstoß, von der Tatvollendung abzulassen, auch von außen kommen, solange nicht angezweifelt wird, dass der Täter diese Entscheidung trotzdem autonom getroffen hat. Die Freiwilligkeit scheidet erst dann aus, wenn der Täter denkt, dass die von außen kommenden Ereignisse der Tatvollendung zwingend entgegenstehen.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat T sich wegen versuchten Totschlages (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht, indem er mit dem Baseballschläger auf O eingeschlagen hat?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann man vom Versuch einer Straftat bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen strafbefreiend zurücktreten?
Ja, in der Tat!
3. Hier liegt ein beendeter Versuch des T vor. Hat T alles Erforderliche für den Tod der O getan?
Nein!
4. Müsste T die Tat nur aufgeben (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB), da der Versuch noch nicht beendet ist?
Genau, so ist das!
5. Müsste T auch freiwillig zurückgetreten sein?
Ja, in der Tat!
6. Ist T freiwillig zurückgetreten?
Nein!
7. Hat T sich wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB) strafbar gemacht, indem er auf O mit dem Baseballschläger einschlägt?
Genau, so ist das!
Prüfungsschema
Wie prüfst Du den Rücktritt vom unbeendeten Versuch (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB)?
- Kein fehlgeschlagener Versuch
- Unbeendeter Versuch
- Rücktrittshandlung: Aufgabe der weiteren Tatausführung (§ 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 StGB)
- Freiwilligkeit
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
18 Punkte Kandidat
21.3.2022, 15:51:56
Aber hier geht's es doch lediglich um die Tatverschleierung. Im Sachverhalt ist gerade nicht geschildert, dass der T sich aufgrund der Zeugen nicht mehr in der Lage sah, die Tat zu vollenden, sondern nur, dass er die Verschleierung nicht mehr für möglich hielt
Lukas_Mengestu
23.3.2022, 11:47:53
Hallo 18 Punkte Kandidat, vielen Dank für Deinen Impuls. Wir habend den Sachverhalt hier noch einmal präzisiert. In der Tat muss es letztlich um die Frage gehen, inwieweit der Täter die Tat noch hätte vollenden können. Die Entdeckung der Tat kann indes eine "nicht mehr vertretbare Gefährdung der eigenen Interessen darstellen, aufgrund derer der Täter sich an der Tatvollendung gehindert sah". Insoweit stehen die Möglichkeit der Verschleierung und die Vollendung der Tat durchaus in einem Konnex. Im Originalfall hatte der BGH den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz verwiesen, da bezüglich dieser Frage noch Unklarheit bestand. Wir haben dies hier dagegen eindeutiger gefasst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team