+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die einzige bei A beschäftigte Paketlieferantin P beschließt, zur Bewältigung ihrer Aufgaben, ihre regelmäßige Fahrtgeschwindigkeit innerorts auf 60km/h zu erhöhen. Aufgrund der erhöhten Geschwindigkeit kommt P von der Fahrbahn ab und fährt gegen einen Baum. An As Lieferwagen entsteht ein Schaden in Höhe von 50.000€.
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Einordnung des Falls
Fahrlässig
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A könnte gegen P einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs.1, 241 Abs.2 BGB haben.
Ja!
Zwischen A und F besteht ein Arbeitsvertrag. Indem P die innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit überschritt (§ 3 Abs.3 StVO), hat sie eine arbeitsvertragliche Schutzpflicht aus § 241 Abs.2 BGB im Hinblick auf den FIrmenwagen verletzt. Sie hat dadurch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und fahrlässig gehandelt (§ 276 Abs.1, 2 BGB). Aufgrund des hierdurch bedingten Zusammenstoßes mit dem Baum ist auch ein Schaden für Arbeitgeberin A entstanden.
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2. Allerdings könnte P nicht in voller Höhe zur Leistung des Schadensersatzes verpflichtet sein.
Genau, so ist das!
Sofern die Voraussetzungen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs -(1) Anspruchsgegner gehört zum geschützten Personenkreis, (2) Schaden ist bei betrieblich veranlasster Tätigkeit entstanden- vorliegen, kommt es zu einer Haftungsprivilegierung zugunsten des Arbeitnehmers. Dabei richtet sich der Umfang nach dem Verschuldensgrad. Zum einen ist P Arbeitnehmerin, zum anderen entstand der Schaden bei einer Tätigkeit, die der P für den Betrieb übertragen wurde, also bei betrieblich veranlasster Tätigkeit. Da die Voraussetzungen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs vorliegen, könnte P nicht in voller Höhe zur Schadensersatzleistung verpflichtet sein.
3. P handelte vorsätzlich, sodass sie den verursachten Schaden in vollem Umfang zu tragen hat.
Nein, das trifft nicht zu!
Vorsätzlich handelt, wer wissentlich und willentlich einen anderen schädigt. Dabei muss sich der Vorsatz nicht nur auf die Pflichtverletzung, sondern darüber hinaus auch auf den konkret eingetretenen Schaden beziehen. Zwar hat P die zulässige Höchstgeschwindigkeit bewusst und gewollt überschritten, jedoch musste ein solche Verhalten nicht zwingend zum Unfall führen. Es fehlt am Vorsatz hinsichtlich des konkret eingetretenen Schadens.
4. P handelte nur leicht fahrlässig (leichteste Fahrlässigkeit), sodass sie den verursachten Schaden gar nicht zu tragen hat.
Nein!
Leichteste Fahrlässigkeit liegt bei geringfügigen Sorgfaltsverstößen vor, die unterhalb der Schwelle der mittleren Fahrlässigkeit liegen und während eines Dauerschuldverhältnisses auch dem sorgfältigsten Arbeitnehmer einmal passieren können. Da P bewusst die Geschwindigkeit überschritten hat, hat nicht nur ein bloßes Versehen zum Unfall geführt. Das Vorliegen leichtester Fahrlässigkeit ist daher abzulehnen.
5. Der Schaden wäre zwischen A und P anteilsmäßig aufzuteilen, wenn mittlere Fahrlässigkeit vorliegt.
Genau, so ist das!
Liegt normale Fahrlässigkeit (auch mittlere Fahrlässigkeit) vor, erfolgt eine Schadensteilung nach Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Dabei werden folgende Kriterien herangezogen: Grad des Verschuldens, Gefahrgeneigtheit der Arbeit, einkalkuliertes und vom Arbeitgeber durch eine Versicherung abdeckbares Risiko, Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, Höhe des Arbeitsentgelts. Nach Literaturansicht werden persönliche Umstände des Arbeitnehmers nicht in die Abwägung einbezogen, da diese nichts mit der Organisationsmacht des Arbeitgebers zu tun haben; die Organisationsmacht sei aber letztlich der maßgebliche Grund für die Haftung des Arbeitgebers.
6. Es liegt mittlere Fahrlässigkeit vor, sodass P und A den Schaden anteilig tragen.
Ja, in der Tat!
P hat durch die Geschwindigkeitsüberschreitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Dies überschreitet einerseits die Grenze der leichtesten Fahrlässigkeit. Aufgrund der verhältnismäßig geringen Überschreitung begründet dies aber andererseit noch keine grobe Fahrlässigkeit, sodass mittlere Fahrlässigkeit gegeben ist. Im Rahmen der Abwägung zur Bildung der Haftungsquote ist haftungsschärfend der bewusste Verstoß gegen die StVO anzuführen. Haftungsmildernd zu berücksichtigen ist der Umstand, dass Grund für die erhöhte Geschwindigkeit die große Anzahl an Paketen bildete, die A allein ausfahren musste. Insoweit realisiert sich ein von A begründetes Betriebsrisiko im Unfall.
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