Verfallklauseln

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Sicherungsgeber S erhält von Bank B einen Kredit über €100.000. Als Sicherheit übereignet S der B seinen nagelneuen Porsche (Wert: €120.000). S und B vereinbaren, dass der Porsche im Verwertungsfall ohne Veräußerungsvorgang im Eigentum der B bleibt. Trotz Fälligkeit und Mahnung zahlt S die Darlehenssumme nicht zurück.

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Einordnung des Falls

Verfallklauseln

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Bank steht ein Verwertungsrecht an dem Porsche zu.

Ja, in der Tat!

Dem Sicherungsnehmer steht im Sicherungsfall ein Verwertungsrecht zu. Sofern ausdrückliche Regelungen in der Sicherungsabrede fehlen, steht dem Sicherungsnehmer im Zweifel mit Fälligkeit der gesicherten Forderung und Verzug des Sicherungsgebers ein Verwertungsrecht zu (Gedanke des § 1228 Abs.2 BGB). Nach § 488 Abs.1, Abs.3 S.1 BGB wird der Darlehensrückzahlungsanspruch mit Kündigung des Darlehens durch die Bank fällig. Weil S trotz Mahnung nicht zahlt, gerät er in Verzug (§ 286 BGB). Ab diesem Zeitpunkt steht der Bank das Verwertungsrecht an dem Porsche zu.
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2. Die Verwertung des Porsches richtet sich grundsätzlich nach der Sicherungsabrede.

Ja!

Die Voraussetzungen sowie Art und Weise der Verwertung des Sicherungsguts richten sich primär nach den Vereinbarungen der Parteien in der Sicherungsabrede. Die Verwertung des Sicherungsgutes kann durch freihändigen Verkauf, öffentliche Versteigerung oder im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 808 ff. ZPO) erfolgen.

3. Nach der zwischen B und S im Sicherungsvertrag getroffenen Vereinbarung würde B bei Eintritt des Verwertungsfalls automatisch Eigentümerin des Porsches bleiben.

Genau, so ist das!

B und S haben in der Sicherungsabrede eine sogenannte Verfallklausel vereinbart. Danach soll der Porsche im Verwertungsfall ohne Veräußerungsvorgang im Eigentum der B bleiben.

4. Eine solche vereinbarte Verfallklausel ist sowohl für den Sicherungsgeber als auch für den Sicherungsnehmer vorteilhaft.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Verfallklausel ist regelmäßig für den Sicherungsgeber sehr nachteilig. Denn das Sicherungsgut ist meist mehr wert als die zu sichernde Forderung. Wenn die B im Verwertungsfall automatisch Eigentümerin bleibt, bleibt der Porsche im Wert von €120.000 in ihrem Vermögen, obwohl die zu sichernde Forderung nur €100.000 beträgt.

5. Die Bank bleibt hier nach hM aufgrund der vereinbarten Verfallklausel im Eigentum des Porsches und darf das Eigentum ohne treuhänderische Bindung behalten.

Nein!

Der Sicherungsnehmer ist aufgrund treuhänderischer Bindung verpflichtet, die Sache so gewinnbringend wie möglich zu verwerten (Rücksichtnahmepflicht des Sicherungsnehmers). Eine Verfallklausel würde jedoch dazu führen, dass der Sicherungsnehmer das Eigentum ohne treuhänderische Bindung behalten darf und der Sicherungsgeber stark benachteiligt wird. Nach dem Rechtsgedanken des § 1229 BGB sind Verfallklauseln daher nach h.M. unwirksam. B bleibt mit der Verwertungsreife nicht dauerhaft Eigentümerin, sondern muss den Porsche unter Berücksichtigung des Interesses des S bestmöglich verwerten. Übersteigt der Erlös den Wert der gesicherten Forderung, muss B den Restbetrag an S auszahlen. Nach a.A. ist § 1229 BGB unanwendbar, da der Sicherungsgeber sein Eigentum bereits mit Sicherungsübereignung verloren hat. Vielmehr resultiere die Unwirksamkeit aus § 138 BGB, aufgrund der Gefahr des wirtschaftlichen Verlustes eines Gegenstandes, dessen Wert, den der gesicherten Forderung übersteigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FUCH

Fuchsfrauchen

13.12.2022, 08:56:55

Falls der Porsche jetzt einen Wert von 100.000 € gehabt hätte, wäre die Verfallklausel nach h.M. trotzdem unwirksam aber nach a.A. wirksam, da 138 BGB hier "wegfällt"?

GI

GingerCharme

26.12.2022, 14:52:11

Ich hätte es mir versucht in der Klausur einfach zu machen: beide Ansichten werden vertretbar sein, da sie lediglich auf unterschiedlichen dogmatischen Säulen fußen. Nun möchte die herrschende Meinung verhindern und argumentiert primär damit, dass es nicht angehen könne, dass der Sicherungsnehmer ein "Mehr" erhält, welches ihm eigentlich gar nicht zustände, er also nicht quasi nachträglich übersichert werden solle. Die andere Ansicht sucht den Weg über 138 statt über 1229, hat jedoch dasselbe Ziel vor Augen. Im Ergebnis soll lediglich keine

Übersicherung

erzeugt werden, in dem von dir gebildeten Beispiel, träte eine solche jedoch gar nicht ein, weshalb man einen Streitentscheid mMn vermeiden kann und sowohl 1229 als auch 138 nicht anwenden muss. Es wäre bloße Förmelei, wenn der Porsche aus Prinzip verwertet werden müsste, auch wenn der Verwertungserlös sich genau mit dem Wert eben jenes selbst decken würde. Außerdem ist der Sicherungsnehmer hier ja gar nicht übersichert, sondern erhält genau dassjenige, welches für den Eintritt der Sicherungsfalles vorgesehen war (100.000 Euro Porsche zum Zwecke der Verwertung vs. Bestätigte Eigentümerstellung am Porsche im Wert von 100.000 Euro), weshalb sich das Problem primär in

Übersicherung

sfällen stellt schätze ich.

Jonas91

Jonas91

19.6.2023, 11:28:26

Blöde Frage: ist das - auch wenn sich das mE absolut überzeugend liest- wirklich h. M. ? Frage deshalb, weil im Grüneberg bei 930, Rn. 33 zur Verwertung des Sicherungsgutes bei der Si

Übereignung

steht, dass „Verfallklausel iSv 1229 in den Grenzen von 138, 307 zulässig (BGH NJW 80, 226 (…); aA BeckOK/Kindl Rn. 36 mWn: 1229 allg RGedanke“. Wenn ich das in den falschen Hals bekommen habe- sorry!

CR7

CR7

17.1.2024, 14:00:48

Ich glaube, hier kommt es wohl auch auf den Einzelfall an. Im ArbeitsR gibt es ja auch Verfallklauseln, die eingeschränkt zulässig sind (bspw. 3 Monate, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht werden). Ich denke wenn Kredit und Wert gleich hoch sind, wirst du nicht zu einer Unwirksamkeit kommen. Und im Zweifel wirst du eine AGB-Kontrolle machen und bei § 307 die unangemessene Benachteiligung erörtern, wo du bestimmt auch eine a.A. vertreten kannst.


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