Abgrenzung Primär-/Sekundärpflichten

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Sammlerin S verkauft ein Unikat des Künstlers Banksy für €3.000 mit einem tatsächlichen Wert von €4.000 an Kunstliebhaberin K. Vor der Übergabe und Übereignung des Bildes schüttet S fahrlässig ihren Kaffee darüber und es wird völlig zerstört.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Primär-/Sekundärpflichten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K gegen S nach Zerstörung des Bildes noch einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Bildes (§ 433 Abs. 1 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Anspruch des Gläubigers besteht, wenn der entsprechende Anspruch entstanden, nicht untergegangen und durchsetzbar ist. Zwar haben K und S einen wirksamen Kaufvertrag (§ 433 BGB) geschlossen, sodass der Anspruch ursprünglich entstanden ist. Da das Bild aber ein Unikat ist und es bei dem Unfall komplett zerstört wurde, ist die Erfüllung des Anspruches für jedermann unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Der Anspruch ist deshalb erloschen.
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2. Bei vertraglichen Schuldverhältnissen kann der Gläubiger nur die Erfüllung der „Primärpflicht“ verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei vertraglichen Schuldverhältnissen kann man zwischen primären und sekundären Pflichten unterscheiden. Ziel ist zunächst die Erfüllung der vereinbarten, primären Leistungspflicht. Sofern der Schuldner eine primäre Leistungspflicht verletzt, können daraus Sekundärpflichten entstehen. Diese treten entweder neben die primäre Leistungspflicht (zB „einfacher“ Schadensersatz, § 280 Abs. 1 BGB) oder an deren Stelle (zB Schadensersatz wegen nachträglicher Unmöglichkeit, §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB).

3. K kann gegen S keinerlei Ansprüche mehr geltend machen.

Nein!

S kann zwar ihre primäre Leistungspflicht (Übergabe und Übereignung des Bildes) nicht mehr erfüllen, da das Bild zerstört wurde. Da sie insoweit ihrer Primärleistungspflicht aber nicht nachgekommen ist, kommt eine Sekundärpflicht in Form von Schadensersatz in Betracht. Vorliegend besteht ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB) in Höhe von €1000 (Differenz zwischen Kaufpreis und Wert des Bildes).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

21.7.2022, 10:05:36

Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen einem bloßem Mangel und einer die Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 begründenden Zerstörung? Wie wäre der Fall zur beurteilen, wenn auf dem Gemälde ein großer Kaffeefleck deutlich sichtbar wäre, es aber in seiner Substanz (Leinwand und Farbe) weitestgehend intakt wäre? Müsste man dann schon von der Unmöglichkeit der Leistung,

Übergabe und Übereignung

des (unbeschädigten) Gemäldes, ausgehen?

  HYPERION

HYPERION

1.8.2022, 23:52:19

Soweit das Gemälde nicht restauriert werden kann, dürfte ein Fall der objektiven Unmöglichkeit vorliegen. Diese liegt nämlich auch dann vor, wenn die Sache vor

Gefahrübergang

völlig entwertet wird (Grüneberg Par. 275 Rn. 14). Dies dürfte bei dem Gemälde dann der Fall sein, wenn das sich auf der Leinwand befindliche Kunstwerk selbst unwiderruflich zerstört ist, da dieses für den Wert konstitutiv ist. Das Sachsubstrat ist dann irrelevant. Sollte das Gemälde allerdings restaurierbar sein, könnte allenfalls ein Fall von Unmöglichkeit nach Abs. 2 vorliegen, wenn die Restaurierung im Verhältnis zum Gemälde unverhältnismäßig kostenintensiv ist.


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