Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Handelsregister und sonstige Rechtsscheintatbestände

Publizität des Handelsregisters, Negative Publizität, § 15 Abs. 1 HGB (fehlende Voreintragung)

Publizität des Handelsregisters, Negative Publizität, § 15 Abs. 1 HGB (fehlende Voreintragung)

6. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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inkl. MoPeG

C tritt als Gesellschafter in die Surf X OHG ein und scheidet zwei Jahre später wieder aus. Weder der Eintritt, noch das Ausscheiden wurden in das Handelsregister eingetragen. Nach dem Ausscheiden schließt die OHG mit G einen Kaufvertrag über 10 Surfboards zum Preis von €6.000. G möchte C in Anspruch nehmen.

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Einordnung des Falls

Publizität des Handelsregisters, Negative Publizität, § 15 Abs. 1 HGB (fehlende Voreintragung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. C's Ausscheiden ist eine eintragungspflichtige Tatsache (§ 15 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

§ 15 Abs. 1 HGB schützt das Vertrauen in das Fehlen „einzutragender“ Tatsachen. Damit sind eintragungspflichtige (und nach § 10 HGB bekannt zu machende) Tatsachen gemeint. Das Ausscheiden des Gesellschafters einer OHG ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 106 Abs. 6 HGB). § 15 Abs. 1 HGB greift in der Regel bei deklaratorisch wirkenden Eintragungen, da bei konstitutiv wirkenden Eintragungen die Tatsache bei fehlender Eintragung gar keine Wirkung entfaltet. Im Zeitraum zwischen Eintragung und Bekanntmachung wirkt § 15 Abs. 1 HGB aber auch bei konstitutiv wirkenden Eintragungen.
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2. C's Ausscheiden wurde nicht in das Handelsregister eingetragen (§ 15 Abs. 1 HGB).

Ja!

Entscheidend für die Rechtsscheingrundlage des § 15 Abs. 1 HGB ist, dass Eintragung in das Handelsregister oder/und Bekanntmachung fehlen. Ein Dritter wird bereits geschützt, wenn die Tatsache eingetragen und nur die Bekanntmachung unterlassen wurde. Ausschlaggebend ist also, ob die Bekanntmachung im Zeitpunkt des Vorgangs vollzogen war. Der Vertrauensschutz greift nicht, wenn eine Eintragung versäumt wurde, die Bekanntmachung aber ordnungsgemäß erfolgt ist. C‘s Ausscheiden wurde nicht in das Handelsregister eingetragen. Eine Bekanntmachung ist ebenfalls nicht erfolgt.

3. § 15 Abs. 1 HGB greift hier nicht, da bereits C‘s Eintritt in die Gesellschaft nicht eingetragen wurde und somit kein schutzbedürftiges Vertrauen in C‘s Gesellschafterstellung besteht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach herrschender Meinung sind auch Fälle der sogenannten fehlenden Voreintragung über § 15 Abs. 1 HGB zu lösen. Geschützt wird nicht das Vertrauen in die Richtigkeit des Handelsregisters, sondern das abstrakte Vertrauen in die tatsächliche Rechtslage und das Schweigen des Handelsregisters bezüglich diesbezüglicher Änderungen. Der Rechtsverkehr kann bereits auf andere Weise von der eintragungspflichtigen Tatsache erfahren haben als durch das Handelsregister. Ausnahmsweise ist § 15 Abs. 1 HGB nicht anwendbar, wenn zwischen nicht eingetragener Erst- und Zweittatsache so wenig Zeit liegt, dass sich kein Vertrauen hat bilden können, oder die Tatsache intern geblieben ist.

4. G wusste nichts von C’s Ausscheiden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (§ 15 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Bei positiver Kenntnis des Dritten von der nicht eingetragenen Tatsache scheidet der Vertrauensschutz aus. Die Gutgläubigkeit des Dritten wird widerlegbar vermutet. Geschützt wird ein abstraktes Vertrauen. Der Dritte muss also nicht gerade im Vertrauen auf das Fehlen der Eintragung und Bekanntmachung eine Handlung vorgenommen haben. Anzeichen dafür, dass G das Ausscheiden von C kannte, gibt es nicht. Es ist daher von ihrer Unkenntnis auszugehen.

5. G kann C wegen der Kaufpreisforderung gegen die OHG in Anspruch nehmen (§ 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 126 S. 1 HGB).

Ja!

Die Gesellschafter einer OHG haften akzessorisch für die Verbindlichkeiten der OHG, die während ihrer Mitgliedschaft begründet worden sind (§ 126 S. 1 HGB). Die Kaufpreisforderung der G in Höhe von €6.000 ist eine Verbindlichkeit der OHG. C war zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit nicht mehr Gesellschafter der OHG. Aufgrund der fehlenden Eintragung des Ausscheidens (§ 106 Abs. 6 HGB), wird G in ihrem Vertrauen in das Schweigen des Handelsregisters bezüglich C‘s Ausscheidens jedoch geschützt (§ 15 Abs. 1 HGB). C kann dem Anspruch der G (§ 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 126 Abs. 1 HGB) demnach sein Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht entgegenhalten (§ 15 Abs. 1 HGB). G hat gegen C einen Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. §126 S. 1 HGB auf Zahlung des Kaufpreises von €6.000.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AMA

Amastris

5.11.2023, 19:23:43

Muss man im Fall davon ausgehen, dass der Vertragspartner zuvor wusste, dass C überhaupt jemals Gesellschafter der OHG war (obwohl dies nicht eingetragen war) sodass sich hierdurch ein Schutzbedürfnis ergibt, das sich im Falle des nicht eingetragenen Ausscheidens auf das Vertrauen stützt, dass C doch bisher Gesellschafter war? Wusste der Vertragspartner nicht, dass C jemals Gesellschafter war, dürfte doch auch kein Vertrauensschutz darüber bestehen da beides nicht eingetragen war?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.11.2023, 11:56:59

Hallo Amastris, ein guter Gedanke. Letztendlich würde dies aber den besonders nachlässigen Gesellschafter schützen. Daher besteht auch bei der sog. "doppelt-nicht eingetragenen Tatsache" ein abstrakter Vertrauensschutz. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Steinfan

Steinfan

9.5.2024, 18:32:12

§ 137 HGB wäre hier mE schon eine Erwähnung wert, schließlich ergibt sich hieraus im Umkehrschluss die Voraussetzung, dass die Gesellschafterstellung zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit vorgelegen haben muss. Es wird für mich persönlich nicht richtig deutlich, dass es konkret diese Voraussetzung ist, über die in diesem Fall § 15 HGB hinweghilft. Außerdem wäre mE eben der Vollständigkeit zu erwähnen, dass der Anspruch nach dem Ausscheiden nur unter den Voraussetzungen des § 137 HGB fortbesteht. LG


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