Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2019
Kein Schaden durch lebenserhaltende Maßnahmen bei leidensbehaftetem Weiterleben
Kein Schaden durch lebenserhaltende Maßnahmen bei leidensbehaftetem Weiterleben
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Arzt B lässt den P in den letzten Monaten seines Lebens künstlich ernähren, obwohl das medizinisch nicht sinnvoll ist, weil keine Überlebenschance besteht. B klärt P darüber nicht richtig auf. Nach dem Tod des P verlangt K, der Alleinerbe des P, von B Zahlung von Schmerzensgeld. Dies stützt er auf die Behauptung, die künstliche Ernährung habe zu einer sinnlosen Verlängerung des Leidens des P geführt. K verlangt auch Ersatz der Behandlungskosten des P.
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Einordnung des Falls
Kein Schaden durch lebenserhaltende Maßnahmen bei leidensbehaftetem Weiterleben
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld, wenn P der behauptete Anspruch gegen B zustand.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die fehlerhafte Aufklärung des P durch B stellt eine Pflichtverletzung dar.
Genau, so ist das!
3. Die leidensbehaftete Verlängerung des Lebens des P durch B stellt einen immateriellen Schaden im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB dar.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verbietet es auch, die durch ein längeres Weiterleben verursachten zusätzlichen Behandlungskosten als Schaden anzusehen.
Nein!
5. Für einen Schadensersatzanspruch des K fehlt es am Schutzzweckzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des B und den Behandlungskosten.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Nookie
29.3.2021, 20:22:59
Ergeben sich Änderungen durch das
Recht auf Suizid? M.E. Dürfte nunmehr in einem solchen Fall ein Schmerzensgeld nicht mehr grundsätzlich (gerade bei entgegenstehender Patientenverfügung) ausgeschlossen sein
Lukas_Mengestu
4.1.2022, 18:42:11
Hallo Nookie, spannende Frage! In der Tat ließe sich das gut hören, dass das vom BVerfG entwickelte Recht auf selbstbestimmtes Sterben einen entsprechenden Schmerzensgeldanspruch umfasst, wenn gegen den Willen des Patienten lebenserhaltende Maßnahmen erbracht werden. Dabei ist dann aber zu beachten, dass das BVerfG dieses Recht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitet hat. Der BGH konnte eine Verletzung des
APRim vorliegenden Fall offenlassen, da ein entgegenstehender Wille nicht festgestellt werden konnt.
Lukas_Mengestu
4.1.2022, 18:45:51
Selbst wenn eine solche vorgelegen hätte, ist fraglich, ob der Erbe diesen Anspruch geltend machen könnte. Im Hinblick auf Verletzungen des Persönlichkeitsrechts hat der BGH indes entschieden, dass Ansprüche auf Geldentschädigung nicht vererbbar sind (NJW 2014, 2871). Denn die Geldentschädigung diene primär der Genuguung. Da das Recht auf selbstbestimmtes Sterben eine Ausprägung des Persönlichkeitsrechts ist, müsste dies konsequenterweise auch hier gelten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team