Zivilrecht

Werkrecht

Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel

Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB) Ausgeschlossen, wenn Unternehmer die Nacherfüllung verweigern darf

Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB) Ausgeschlossen, wenn Unternehmer die Nacherfüllung verweigern darf

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B liebt Blumen und möchte sich von U den Garten verschönern lassen. U soll ein großes Beet voller dunkelroter Blumen angelegen. Nach der Abnahme fangen jedoch hellrote Blüten an zu spießen, die den gleichen Marktwert haben. U verweigert einen Austausch. Dieser wäre unverhältnismäßig teuer.

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Einordnung des Falls

Selbstvornahme (§§ 634 Nr. 2, 637 BGB) Ausgeschlossen, wenn Unternehmer die Nacherfüllung verweigern darf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Werk ist bei Gefahrübergang frei von Mängeln (§ 633 Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Das Werk ist mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit bei Gefahrübergang aufweist (§ 633 Abs. 2 BGB). Der Gefahrübergang richtet sich beim Werkvertrag grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Abnahme (§ 644 Abs. 1 BGB). B und U vereinbarten, dass die Blumen dunkelrote Blüten haben sollen. Tatsächlich sind die Blüten hellrot.
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2. Hat B ein Nacherfüllungsanspruch (§ 635 Abs. 1 BGB)?

Ja!

Der Besteller hat einen Anspruch auf Nacherfüllung, wenn das Werk bei Gefahrübergang (Abnahme) mangelhaft ist (§ 634 Nr. 1 BGB, § 635 BGB, § 640 BGB). Der Unternehmer hat das Wahlrecht: er kann nachbessern oder das Werk neu herstellen (§ 635 Abs. 1 BGB). Das anzulegende Beet war bei Gefahrübergang mangelhaft.

3. U kann die Nacherfüllung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.

Genau, so ist das!

Ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 635 Abs. 3 BGB besteht, wenn die Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich und damit unzumutbar ist. Sofern die Mängelbeseitigungskosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum erstrebten Erfolg stehen, sind diese unverhältnismäßig. Ein maßgeblicher Faktor ist der Wert des Werkes in mangelhaftem und in mangelfreiem Zustand. Ein Leistungsverweigerungsrecht kann sich auch aus § 275 Abs. 2, Abs. 3 BGB ergeben. Nach § 275 Abs. 2 BGB müsste ein Nacherfüllungsverlangen nahezu rechtsmissbräuchlich sein. § 275 Abs. 3 BGB betrifft Fälle, bei denen der Unternehmer nur persönlich leisten kann.

4. Ist der objektive Wert des Beetes gemindert?

Nein, das trifft nicht zu!

Die objektive Wertminderung richtet sich nach dem Marktwert. Die Farbe der Blüten haben keinen Einfluss auf den Marktwert des Beetes.

5. Nach Abwägung der Umstände steht die Nacherfüllung in einem vernünftigen Verhältnis.

Nein!

Bei der Abwägung der Umstände werden vor allem die Nacherfüllungskosten dem objektiven Wert des Werkes gegenübergestellt. Maßgeblich kann auch eine etwaige Gebrauchsbeeinträchtigung des Werkes durch den Mangel sein. Der objektive Wert des Beetes ist nicht gemindert. Auch der Gebrauch des Beetes wird durch die hellroten Blüten nicht beeinträchtigt. Auf der anderen Seite wäre eine Neubepflanzung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich.

6. Kann B - anstelle des von U verweigerten Nacherfüllunganspruchs - das Selbstvornahmerecht geltend machen (§ 637 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Selbstvornahmerecht setzt voraus, dass dem Besteller (1) ein Nacherfüllungsanspruch zusteht und er dem Unternehmer eine (2) erfolglos abgelaufene Nacherfüllungsfrist gesetzt hat (§ 634 Nr. 2 BGB, § 637 BGB). Der Nacherfüllungsanspruch entfällt, wenn sich der Unternehmer auf das Leistungsverweigerungsrecht zu Recht beruft. Damit besteht auch kein Selbstvornahmerecht. Das Zugestehen des Selbstvornahmerechts, würde dafür sorgen, dass der Unternehmer letztlich doch die "unverhältnismäßigen" Aufwendungen der Nacherfüllung tragen müsste. U hat die Nacherfüllung zu Recht verweigert. Der Nacherfüllungsanspruch ist untergegangen, sodass kein Selbstvornahmerecht zugunsten des B besteht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

4.8.2023, 10:01:39

Das heißt, der Besteller hat hier überhaupt keine Rechte, obwohl er nicht das vertraglich vereinbarte erhalten hat? Eine Minderung scheidet mangels objektive Wertminderung ja auch aus.

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 17:45:37

Hallo Dogu, weil hier der Unternehmer die Nacherfüllung verweigert, könnte der Besteller nunmehr zurücktreten gem. §§ 634 Nr. 3, 323 I Var. 2 BGB, wobei eine Fristsetzung entbehrlich ist aufgrund der Verweigerung, § 323 II Nr. 1 BGB :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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