Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Vertretung des Kaufmanns

Umfang der Handlungsvollmacht, nur gewöhnliche Geschäfte, § 54 Abs. 1 HGB

Umfang der Handlungsvollmacht, nur gewöhnliche Geschäfte, § 54 Abs. 1 HGB

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K ist Inhaberin eines kleinen Bistros. Sie überträgt ihrer Mitarbeiterin M die Bistroleitung. M ist der Meinung, um in der Corona-Pandemie überleben zu können, muss das Bistro schnellstmöglich einen Lieferservice anbieten. Sie schließt Leasingverträge über zwei VW UP mit einer Laufzeit von zwei Jahren ab.

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Einordnung des Falls

Umfang der Handlungsvollmacht, nur gewöhnliche Geschäfte, § 54 Abs. 1 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Jede Vollmacht, die in einem Handelsgewerbe erteilt wird, die keine Prokura ist, ist eine Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Jede in einem Handelsgewerbe erteilte Vollmacht, die keine Prokura ist, ist eine Handlungsvollmacht (§ 54 Abs. 1 HGB). Diese kann durch den Geschäftsinhaber selbst, einen Prokuristen oder einen anderen Handlungsbevollmächtigten erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Nach herrschender Meinung ist die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen nicht erforderlich. Die Handlungsvollmacht wird durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Vertreter (= Innenhandlungsvollmacht, § 167 Abs. 1 Alt. 1 BGB) oder gegenüber dem Dritten (=Außenhandlungsvollmacht, § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB) erteilt. Sie kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
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2. K hat M Handlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB).

Ja!

Handlungsvollmacht kann durch den Geschäftsinhaber, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten erteilt werden (§ 54 Abs. 1 HGB). Sie kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden (§ 167 Abs. 1 BGB). Eine konkludente Erteilung kann insbesondere in der Übertragung von Aufgaben liegen, deren Erfüllung typischerweise Handlungsvollmacht erfordert. K ist Inhaberin des Bistros. Eine ausdrücklichen Vollmachterteilung an M ist nicht erfolgt. M wurde die Leitung des Bistros zugewiesen. In dieser Position muss sie in der Lage sein, Verträge für K abzuschließen. Dafür benötigt sie Vollmacht. Der Zuweisung der Leitungsaufgaben ist konkludente Erteilung von Handlungsvollmacht zu entnehmen (§ 167 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 HGB).

3. Der Abschluss der Leasingverträge ist von M‘s Vertretungsmacht umfasst (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB, § 54 Abs. 1 HGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der gesetzliche Umfang der Handlungsvollmacht ist auf Geschäfte und Rechtshandlungen beschränkt, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 HGB). Hierfür kommt es auf Branche, Art und Größe des Unternehmens an. Generalhandlungsvollmacht ist nicht auf eine bestimmte Art oder ein ganz bestimmtes Geschäft beschränkt (§ 54 Abs. 1 Var. 1 HGB). Die Leitung eines Bistros umfasst verschiedenartige Aufgaben. K hat M durch Zuweisung der Leitung konkludent Generalhandlungsvollmacht erteilt (§ 54 Abs. 1 HGB). Der Abschluss von Leasing-Verträgen ist jedoch kein Geschäft, das der Betrieb eines kleinen Bistros ohne vorhandenen Lieferservice gewöhnlich mit sich bringt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Larzed

Larzed

25.9.2022, 09:51:36

Wäre eine andere Ansicht vertretbar, wenn das Gastgewerbe aufgrund der CoronaVO der jeweiligen Länder nur auf Lieferdienste beschränkt wäre?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.11.2022, 17:46:02

Hallo Larzed, spannende Frage :D da es sich hier um die Auslegung einer Willenserklärung handelt, ist hier natürlich stets Spielraum für eine andere Argumentation. Aber auch wenn im Zuge der Corona-Pandemie die zulässigen Tätigkeiten auf Lieferdienste beschränkt hätte, spricht doch einiges dafür, dass M zunächst mit K Rücksprache hält und die bestehende Vollmacht entsprechend modifziert wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jasim

Jasim

4.10.2024, 11:59:39

Aus der Schilderung des Sachverhaltes ergibt sich keine Hinweise darauf, dass die K die kaufmännische Eigenschaft besitzt. Daher sollte es kurz, die NUR analoge Anwendbarkeit des § 54 Abs. 1 HGB, angesprochen worden sein.


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