Einseitiger EVB 3
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H verkauft K einen Schrank unter Ratenzahlung. Vor Übereignung und Übergabe des Schranks erklärt H, dass er nur unter Eigentumsvorbehalt übereigne. K nimmt den Schrank in Kenntnis dessen kommentarlos entgegen.
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Einordnung des Falls
Einseitiger EVB 3
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Aus dem Kaufvertrag ist H dem K zu diesem Zeitpunkt zur unbedingten Übereignung verpflichtet.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Eigentumsvorbehaltserklärung des H hat eine schuld- und sachenrechtliche Bedeutung.
Genau, so ist das!
3. K hat durch Entgegennahme des Schranks einer Vertragsanpassung des Kaufvertrages zugestimmt, sodass schuldrechtlich ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde.
Nein, das trifft nicht zu!
4. H und K haben sich auf sachenrechtlicher Ebene über einen Eigentumsvorbehalt geeinigt.
Ja!
5. K hat Eigentum an dem Schrank nach § 929 S. 1 BGB erworben.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
MW
3.8.2021, 15:32:18
Ich verstehe etwas nicht: Eben war in einem ähnlichen gelagerten Fall bei Schweigen das dingliche Geschäft nicht tangiert und es kam sodann keine
dingliche Einigungzustande. Nun sagt mir der obj. Empf.Hor. angeblich, dass der Erwerber doch zumindest mit Blick aufs AWR einigen will. Also entweder nehme ich jetzt beim Schweigen und
konkludenten Handeln Konsens bei der dinglichen Einigung an oder nicht, aber dieses Hü/Hott verstehe ich nicht. Habe ich was übersehen, dass es mir so vorkommt?
Lukas_Mengestu
29.11.2021, 13:07:15
Hallo MW, vielen Dank für Deine Nachfrage. In der Session gibt es insgesamt 4 verschiedene Konstellationen: 1) Nach Übergabe der Kaffeemaschine wird Lieferschein übergeben mit dem Hinweis auf den Eigentumsvorbehalt 2) Bei der Annahme der Ware (Handy) wird explizit Eigentumsvorbehalt abgelehnt 3) Bei der Annahme der Ware (Schrank) wird gegen den Eigentumsvorbehalt nichts gesagt 4) Vor
Übereignungder Teller wird Lieferschein mit Eigentumsvorbehalt gezeigt, der aber nicht gelesen wird. Während in den Konstellationen 1+4 eine unbedingte
Übereignungerfolgte, so kam es in Fall 2 überhaupt nicht zu einer Einigung. Denn hier lag kein Schweigen, sondern eine Ablehnung des der dinglichen Einigung vor. Anders dagegen in unserem Fall 3 hier. Die Entgegennahme ist aus objektiver Sicht zumindest dinglich als
konkludentes Einverständnis mit dem Eigentumsvorbehalt zu verstehen, weswegen hier jedenfalls ein
Anwartschaftsrechterworben wurde. Wird es jetzt etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ira
12.8.2021, 11:10:35
Ich verstehe wie mein(e) Vorgänger/in auch nicht, dass das Schweigen hier plötzlich anders gewertet wird als im Schuldrecht. Kann man denn stets bei dingl Einigung davon ausgehen, dass - objektiv - die Annahme der Sache unter Schweigen als Annahme des ETV gewertet wird!?
Lukas_Mengestu
29.11.2021, 13:12:12
Hallo Ira, vorliegend wird weniger auf das Schweigen abgestellt, als vielmehr auf die Annahme des Schrankes. Insoweit liegt eine
konkludente Erklärung des K vor, die man nun nach dem
objektiven Empfängerhorizontauslegen muss. Schuldrechtlich hat K einen Anspruch auf unbedingte
Übereignungeines Schrankes. Diesen könnte er notfalls gerichtlich einklagen. Er ist nicht verpflichtet, den ursprünglich geschlossenen Vertrag anzupassen und sich darauf einzulassen, dass H auch das schuldrechtliche Geschäft unter einen Eigentumsvorbehalt stellt. Auf sachenrechtlicher Ebene sieht die Sache etwas anders aus. Wenn sich K gänzlich verweigert, erlangt er weder Eigentum an dem Schrank, noch an dem
Anwartschaftsrecht(siehe der vorherige Fall mit dem Handy). Da das
Anwartschaftsrechtaber zumindest eine etwas gesichertere Position ist, als gar kein Recht zu erhalten, ist die Annahme des Schrankes insoweit als Annahme des bedingten
Übereignungsangebotes zu werten. Ich hoffe, es wird dadurch etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
David.
9.7.2023, 11:57:59
Was sich dazu auch noch sagen lässt: Auf schuldrechtlicher Ebene lag bereits ein geschlossener Vertrag vor. Das
Verfügungsgeschäftjedoch, also die
Übereignung, lag noch nicht vor, bevor K den Schrank entgegennahm. Auf schuldrechtlicher Ebene wäre also der Vertrag im Nachhinein zuungunsten des K geändert worden. Auf dinglicher Ebene lag noch kein Vertrag vor, hier ist aber anzunehmen, dass eine erstmalige Einigung aus Sicht des K bezüglich des Anwartsschaftsrecht vorliegt, da diese für K positiv wäre (besser als gar kein Recht zu erhalten)
Jurafuchs
24.4.2024, 20:38:45
In dem vorherigen Fall steht allerdings, dass eine nachteilige Änderung nur dann anzunehmen ist, wenn der Wille hierfür erkennbar hervortritt. Der vorherige Fall nimmt also auf eine Gesamtbewertung der beiden Verträge ab. Was auch in diesen Konstellationen Sinn macht, da es eine wesentliche Vertragsänderung ist. Die Begründungen für die Fälle fallen auseinander. Hier besteht Bedarf zur Korrektur.
Pilea
21.4.2023, 13:28:27
Wenn hier nun die schuldrechtliche Einigung nicht vorliegt, die sachenrechtliche aber schon - was “passiert“ denn dann mit dem Vertrag?
CR7
12.5.2023, 11:25:14
Der Vertrag bleibt mE so wie er ist. Zahlt K nicht, hat H ein
Rücktrittsrechtwegen Nichtleistung und H bleibt Eigentümer. Wäre das Eigentum auf K übergangen, hätte H einen Anspruch auf Rückgewähr der Sache nach § 346 I BGB, wenn er den Rücktritt erklärt hat.
/qwas
15.2.2024, 17:22:35
David.
9.7.2023, 11:59:25
Was wäre, wenn der Schrank dem K geliefert worden wäre und K diesen kommentarlos entgegengenommen hätte. Dann wäre die Annahme dem V ja nicht zugegangen. Könnte man dann auf den § 151 abstellen?
Dominic
10.8.2023, 17:08:21
Aber da der K das Änderungsangebot auf schuldrechtlicher Ebene nicht angenommen hat, könnte er doch den Verkäufer auf unbedingte
Übereignungverklagen richtig? Falls das zutrifft könntet ihr das ja vielleicht in die Vertiefung schreiben.
Jopies
14.1.2024, 13:25:31
Theoretisch ja, praktisch sehe ich aber das Problem, dass solange K nicht zahlt sich H auf sein
Zurückbehaltungsrechtaus
§ 320 BGBberufen kann, bis K das Geld gezahlt hat. Durch die Zahlung wird K aber andererseits durch sein
Anwartschaftsrechtohnehin automatisch Eigentümer.
Itsajourney
25.1.2024, 19:40:38
Wäre es nicht so, dass V aufgrund der Ratenzahlung vor
leistungspflichtig wäre und daher aufgrund von § 320 l 1, 2. HS kein
Zurückbehaltungsrechtaus § 320 hat? Ich würde mich auch über eine Aufklärung bezüglich Dominics Frage freuen :)
Kind als Schaden
23.5.2024, 15:59:10
Unabhängig von der schuldrechtlichen Ebene kann K wegen venire contra factum proprium (§ 242) jedenfalls keine unbedingte
Übereignungverlangen, weil er ja der bedingten
Übereignungzugestimmt hat. Anders läge der Fall, wenn er dem widersprochen hätte.
Diaa
9.10.2023, 16:34:30
Aber Schweigen hat doch keine rechtliche Bedeutung, es sei denn, die Parteien haben das ausdrücklich vereinbart..oder irre ich mich?
ajboby90
28.11.2023, 23:48:03
Das stimmt, aber die
ergänzende Auslegungergibt , dass er lieber unter EVB als gar nicht (siehe vorige Aufgabe) erwirbt, was ja auch einleuchtet. Seine entgegennahme der Ware ist eine
konkludente Einwilligung.