Einseitiger EVB 3

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H verkauft K einen Schrank unter Ratenzahlung. Vor Übereignung und Übergabe des Schranks erklärt H, dass er nur unter Eigentumsvorbehalt übereigne. K nimmt den Schrank in Kenntnis dessen kommentarlos entgegen.

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Einordnung des Falls

Einseitiger EVB 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Aus dem Kaufvertrag ist H dem K zu diesem Zeitpunkt zur unbedingten Übereignung verpflichtet.

Ja!

H und K haben einen Kaufvertrag geschlossen. Aus diesem ist H dem K aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zur unbedingten Eigentumsübertragung verpflichtet, da H und K im Kaufvertrag keinen Eigentumsvorbehalt vereinbart haben. H ist auch nicht zur Eigentumsübertragung nur Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung (§ 320 Abs. 1 S. 1 BGB) verpflichtet, da H dem K eine Ratenzahlung gewährt hat.
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2. Die Eigentumsvorbehaltserklärung des H hat eine schuld- und sachenrechtliche Bedeutung.

Genau, so ist das!

Die nachträgliche Erklärung des Eigentumsvorbehalts durch H hat zwei Bedeutungen: 1) Auf schuldrechtlicher Ebene liegt hierin ein Angebot des H, das schuldrechtliche Rechtsgeschäft dergestalt zu ändern, dass nunmehr nur die auf vollständige Kaufpreiszahlung bedingte Eigentumsübertragung geschuldet ist. 2) Auf sachenrechtlicher Ebene liegt ein Angebot des H zur aufschiebend bedingten Eigentumsübertragung (§ 158 Abs. 1 BGB, 929 S. 1 BGB) vor.

3. K hat durch Entgegennahme des Schranks einer Vertragsanpassung des Kaufvertrages zugestimmt, sodass schuldrechtlich ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Allein aus der Entgegennahme des Schranks lässt sich noch keine konkludente Annahme des K annehmen, den Kaufvertrag auf das Angebot des H hin abzuändern. Da die nachträgliche Vereinbarung eines Eigentumvorbehalts auf schuldrechtlicher Ebene für den Käufer nur nachteilig ist, ist ein diesbezüglicher Änderungswille nur anzunehmen, wenn er erkennbar hervortritt.

4. H und K haben sich auf sachenrechtlicher Ebene über einen Eigentumsvorbehalt geeinigt.

Ja!

Ein Eigentumsvorbehalt kann auch nachträglich noch vereinbart werden, selbst wenn dies auf schuldrechtlicher Ebene nicht vorgesehen war. K hat den Schrank in Kenntnis des Angebots des H, das nur die bedingte Eigentumsübertragung beinhaltete, kommentarlos entgegegengenommen. Bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ist davon auszugehen, dass K das Angebot zur bedingten Eigentumsübertragung annimmt: Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass dem Käufer der Erwerb einer gesicherten Rechtsposition durch die bedingte Eigentumsübertragung (Anwartschaftsrecht) lieber ist, als gar keine Rechtsposition zu erwerben.

5. K hat Eigentum an dem Schrank nach § 929 S. 1 BGB erworben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. Hier hat H dem K im Rahmen der dinglichen Einigung ein Angebot zur bedingten Eigentumsübertragung gemacht. K hat dieses Angebot angenommen. Da somit keine unbedingte Einigung vorliegt, hat K bislang kein Eigentum an dem Schrank erworben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MW

MW

3.8.2021, 15:32:18

Ich verstehe etwas nicht: Eben war in einem ähnlichen gelagerten Fall bei Schweigen das dingliche Geschäft nicht tangiert und es kam sodann keine

dingliche Einigung

zustande. Nun sagt mir der obj. Empf.Hor. angeblich, dass der Erwerber doch zumindest mit Blick aufs AWR einigen will. Also entweder nehme ich jetzt beim Schweigen und

konkludent

en Handeln Konsens bei der dinglichen Einigung an oder nicht, aber dieses Hü/Hott verstehe ich nicht. Habe ich was übersehen, dass es mir so vorkommt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 13:07:15

Hallo MW, vielen Dank für Deine Nachfrage. In der Session gibt es insgesamt 4 verschiedene Konstellationen: 1) Nach Übergabe der Kaffeemaschine wird Lieferschein übergeben mit dem Hinweis auf den Eigentumsvorbehalt 2) Bei der Annahme der Ware (Handy) wird explizit Eigentumsvorbehalt abgelehnt 3) Bei der Annahme der Ware (Schrank) wird gegen den Eigentumsvorbehalt nichts gesagt 4) Vor

Übereignung

der Teller wird Lieferschein mit Eigentumsvorbehalt gezeigt, der aber nicht gelesen wird. Während in den Konstellationen 1+4 eine unbedingte

Übereignung

erfolgte, so kam es in Fall 2 überhaupt nicht zu einer Einigung. Denn hier lag kein Schweigen, sondern eine Ablehnung des der dinglichen Einigung vor. Anders dagegen in unserem Fall 3 hier. Die Entgegennahme ist aus objektiver Sicht zumindest dinglich als

konkludent

es Einverständnis mit dem Eigentumsvorbehalt zu verstehen, weswegen hier jedenfalls ein

Anwartschaftsrecht

erworben wurde. Wird es jetzt etwas klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ira

Ira

12.8.2021, 11:10:35

Ich verstehe wie mein(e) Vorgänger/in auch nicht, dass das Schweigen hier plötzlich anders gewertet wird als im Schuldrecht. Kann man denn stets bei dingl Einigung davon ausgehen, dass - objektiv - die Annahme der Sache unter Schweigen als Annahme des ETV gewertet wird!?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 13:12:12

Hallo Ira, vorliegend wird weniger auf das Schweigen abgestellt, als vielmehr auf die Annahme des Schrankes. Insoweit liegt eine

konkludent

e Erklärung des K vor, die man nun nach dem

objektiven Empfängerhorizont

auslegen muss. Schuldrechtlich hat K einen Anspruch auf unbedingte

Übereignung

eines Schrankes. Diesen könnte er notfalls gerichtlich einklagen. Er ist nicht verpflichtet, den ursprünglich geschlossenen Vertrag anzupassen und sich darauf einzulassen, dass H auch das schuldrechtliche Geschäft unter einen Eigentumsvorbehalt stellt. Auf sachenrechtlicher Ebene sieht die Sache etwas anders aus. Wenn sich K gänzlich verweigert, erlangt er weder Eigentum an dem Schrank, noch an dem

Anwartschaftsrecht

(siehe der vorherige Fall mit dem Handy). Da das

Anwartschaftsrecht

aber zumindest eine etwas gesichertere Position ist, als gar kein Recht zu erhalten, ist die Annahme des Schrankes insoweit als Annahme des bedingten

Übereignung

sangebotes zu werten. Ich hoffe, es wird dadurch etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

9.7.2023, 11:57:59

Was sich dazu auch noch sagen lässt: Auf schuldrechtlicher Ebene lag bereits ein geschlossener Vertrag vor. Das

Verfügungsgeschäft

jedoch, also die

Übereignung

, lag noch nicht vor, bevor K den Schrank entgegennahm. Auf schuldrechtlicher Ebene wäre also der Vertrag im Nachhinein zuungunsten des K geändert worden. Auf dinglicher Ebene lag noch kein Vertrag vor, hier ist aber anzunehmen, dass eine erstmalige Einigung aus Sicht des K bezüglich des Anwartsschaftsrecht vorliegt, da diese für K positiv wäre (besser als gar kein Recht zu erhalten)

JURAFU

Jurafuchs

24.4.2024, 20:38:45

In dem vorherigen Fall steht allerdings, dass eine nachteilige Änderung nur dann anzunehmen ist, wenn der Wille hierfür erkennbar hervortritt. Der vorherige Fall nimmt also auf eine Gesamtbewertung der beiden Verträge ab. Was auch in diesen Konstellationen Sinn macht, da es eine wesentliche Vertragsänderung ist. Die Begründungen für die Fälle fallen auseinander. Hier besteht Bedarf zur Korrektur.

Pilea

Pilea

21.4.2023, 13:28:27

Wenn hier nun die schuldrechtliche Einigung nicht vorliegt, die sachenrechtliche aber schon - was “passiert“ denn dann mit dem Vertrag?

CR7

CR7

12.5.2023, 11:25:14

Der Vertrag bleibt mE so wie er ist. Zahlt K nicht, hat H ein

Rücktrittsrecht

wegen Nichtleistung und H bleibt Eigentümer. Wäre das Eigentum auf K übergangen, hätte H einen Anspruch auf Rückgewähr der Sache nach § 346 I BGB, wenn er den Rücktritt erklärt hat.

/Q

/qwas

15.2.2024, 17:22:35

Und K hat einen

Anspruch auf Übereignung

des Volleigentums aus dem Vertrag, oder?

DAV

David.

9.7.2023, 11:59:25

Was wäre, wenn der Schrank dem K geliefert worden wäre und K diesen kommentarlos entgegengenommen hätte. Dann wäre die Annahme dem V ja nicht zugegangen. Könnte man dann auf den § 151 abstellen?

DO

Dominic

10.8.2023, 17:08:21

Aber da der K das Änderungsangebot auf schuldrechtlicher Ebene nicht angenommen hat, könnte er doch den Verkäufer auf unbedingte

Übereignung

verklagen richtig? Falls das zutrifft könntet ihr das ja vielleicht in die Vertiefung schreiben.

Jopies

Jopies

14.1.2024, 13:25:31

Theoretisch ja, praktisch sehe ich aber das Problem, dass solange K nicht zahlt sich H auf sein

Zurückbehaltungsrecht

aus

§ 320 BGB

berufen kann, bis K das Geld gezahlt hat. Durch die Zahlung wird K aber andererseits durch sein

Anwartschaftsrecht

ohnehin automatisch Eigentümer.

IT

Itsajourney

25.1.2024, 19:40:38

Wäre es nicht so, dass V aufgrund der Ratenzahlung vor

leistungspflicht

ig wäre und daher aufgrund von § 320 l 1, 2. HS kein

Zurückbehaltungsrecht

aus § 320 hat? Ich würde mich auch über eine Aufklärung bezüglich Dominics Frage freuen :)

Kind als Schaden

Kind als Schaden

23.5.2024, 15:59:10

Unabhängig von der schuldrechtlichen Ebene kann K wegen venire contra factum proprium (§ 242) jedenfalls keine unbedingte

Übereignung

verlangen, weil er ja der bedingten

Übereignung

zugestimmt hat. Anders läge der Fall, wenn er dem widersprochen hätte.

DIAA

Diaa

9.10.2023, 16:34:30

Aber Schweigen hat doch keine rechtliche Bedeutung, es sei denn, die Parteien haben das ausdrücklich vereinbart..oder irre ich mich?

ajboby90

ajboby90

28.11.2023, 23:48:03

Das stimmt, aber die

ergänzende Auslegung

ergibt , dass er lieber unter EVB als gar nicht (siehe vorige Aufgabe) erwirbt, was ja auch einleuchtet. Seine entgegennahme der Ware ist eine

konkludent

e Einwilligung.


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