+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A füttert die Hühner des E. Er geht davon aus, dass das Futter von E ist. Es handelt sich allerdings um A's eigenes Futter.

Einordnung des Falls

Irrtümliche Eigengeschäftsführung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A die Tiere des E gefüttert hat, hat E „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

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Genau, so ist das!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen an fremden Sachen oder Rechten. Indem A das Futter auf das Grundstück des E streut, erlangt E Besitz daran: Besitz (§ 854 Abs. 1 BGB) ist die (1) von einem Besitzwillen getragene (2) tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache. Sachherrschaft hat man grundsätzlich an allen Gegenständen, die sich im eigenen Herrschaftsbereich befinden, etwa auf dem eigenen Grundstück.

2. E hat den Besitz am Futter „durch Leistung“ des A (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erlangt.

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Nein, das trifft nicht zu!

Der Begriff der Leistung dient einerseits der Abgrenzung der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) von den Bereicherungsansprüchen in sonstige Weise. Zum anderen dient der Leistungsbegriff der Bestimmung, zwischen welchen Beteiligten in Dreipersonenverhältnissen eine Leistung und der daraus folgende Bereicherungsanspruch besteht. Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Für das Leistungsbewusstsein ist ein rechtsgeschäftlicher Wille nicht erforderlich. Es genügt natürliche Einsichtsfähigkeit. Hier war A nicht bewusst, dass er sein eigenes Futter benutzt. A hat nicht bewusst das Vermögen des E gemehrt. Eine Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) scheidet aus.

3. E hat das Eigentum am Futter „durch Leistung“ des A (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erlangt.

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Nein!

Indem die Hühner das Futter fressen, verbinden sich Hühner (wie Sachen zu behandeln, § 90a BGB) und Futter. Es tritt eine Verbindung beweglicher Sachen ein (§ 947 Abs. 1 BGB). Als Eigentümer der Hauptsache (der Hühner) erwirbt E Eigentum an dem verzehrten Futter (§ 947 Abs. 2 BGB). Dieser gesetzliche Eigentumserwerb erfolgte aber nicht "durch Leistung" des A: Erstens war A gar nicht bewusst, dass er sein eigenes Futter benutzt. Zweitens besteht tatbestandlich keine Leistungsbeziehung zwischen A und dem Eigentum am Futter. Es handelt sich hier um einen gesetzlichen Eigentumserwerb. Eine etwaige Kondiktion würde sich nach §§ 951 Abs. 1. S. 1, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB richten.

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