Rechtsverordnung als Verwaltungsakt bekannt gemacht – statthafter Rechtsbehelf


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gemeinde G will eine Wasserschutzanordnung, welche grundsätzlich eine Rechtsverordnung ist, für den Dorfsee erlassen. Diese wird jedoch nicht wie üblich verkündet, sondern als Einzelbekanntmachung dem Grundstückseigentümer A gegenüber erlassen. A erhebt dagegen Anfechtungsklage.

Einordnung des Falls

Rechtsverordnung als Verwaltungsakt bekannt gemacht – statthafter Rechtsbehelf

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da die Wasserschutzanordnung grundsätzlich als Rechtsverordnung erlassen wird, mangelt es der Einzelbekanntmachung an der Regelungswirkung für den Einzelfall.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Rechtsnatur staatlichen Handelns bemisst sich nicht danach, wie der Staat hätte handeln müssen, sondern ausschließlich daran, wie er gehandelt hat. Rechtmäßigkeit und Rechtsnatur einer Maßnahme müssen strikt voneinander getrennt werden. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass eine Wasserschutzanordnung eine Rechtsverordnung darstellt, liegt dennoch Regelungswirkung für den Einzelfall und damit ein Verwaltungsakt vor, wenn die Verordnung nicht in der für Rechtsverordnungen üblichen Form, sondern durch eine Einzelbekanntmachung gegenüber dem Grundstückseigentümer erlassen worden ist. Ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG) liegt vor. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft.

2. Eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Regelungscharakter liegt vor.

Ja!

Die Schutzanordnung ist ein einseitig diktierendes Verhalten der Gemeinde im Über-/Unterordnungsverhältnis, also eine hoheitliche Maßnahme. Die Gemeinde ist eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, mithin eine Behörde (§ 1 Abs. 4 VwVfG). Zudem handelt sie auf Basis des entsprechenden Landeswassergesetzes, also auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Die Schutzanordnung begründet auch unmittelbar Rechte und Pflichten, hat also Regelungscharakter.

3. Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn die Wasserschutzanordnung ein Verwaltungsakt ist, der sich noch nicht erledigt hat.

Genau, so ist das!

Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft, soweit es sich um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt handelt (§ 35 S. 1 VwVfG), der sich noch nicht erledigt hat. Ein Verwaltungsakt ist (1) eine hoheitliche Maßnahme (2) einer Behörde (3) auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung. Hat sich der Verwaltungsakt erledigt, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) statthaft.

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Dominik Rafanoharana

Dominik Rafanoharana

24.6.2021, 13:52:54

Hi es gilt das Verbot der Einzelfallgesetze. Eine Rechtsverordnung ist gesetztes Recht. Damit wäre hier nur eine Normenkontrolle statthaft. Wie sehen Sie es?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.6.2021, 18:19:25

Hallo Dominik, vielen Dank für Deine Frage. Grundsätzlich hast Du recht, dass eine Rechtsverordnung im Wege der Normenkontrollklage anzugreifen ist. Richtig ist auch, dass vorliegend die in Rede stehende Wasserschutzanordnung nur als Verordnung hätte ergehen dürfen, da es sich um eine allgemeingültige Regel handelt (abstrakt) und sich an einen unbestimmten Personenkreis richtet (generell). Es handelt sich insoweit um eine abstrakt-generelle Regelung und war eben inhaltlich nicht auf die Regelung eines Einzelfalls ausgerichtet. Die entscheidende Frage im Fall ist nun, wie man mit einer solchen Regelung umgehen soll, die inhaltlich zwar abstrakt-generell ist (Rechtsverordnung), ihrem äußeren Schein nach aber als Verwaltungsakt erlassen wird (konkret-individuelle Regelung). Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass "eine von einer Behörde als Verwaltungsakt gewollte und in der gesamten Form sowie der Veröffentlichungsart als solche ausgestaltete Anordnung grundsätzlich auch dann ein Verwaltungsakt [...] ist, wenn sie ihrem wesentlichen Inhalt nach etwas regelt, was nur durch eine Rechtsnorm wirksam geschehen kann" (BVerwG, NJW 1964, 1151). Salopp gesagt: Der Bürger muss bei der Wahl des prozessualen Mittels nicht schlauer sein als die erlassende Behörde. Das heißt, eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) kann auch dann erhoben werden, wenn es sich bei dem behördlichen Handeln nicht um einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) handelt, sofern die Behörde es so aussehen lässt, als wäre es einer. Im Hinblick auf die Begründetheit der Klage hat sich das BVerwG in der Entscheidung noch deutlicher geäußert: "Daß ein solcher Verwaltungsakt fehlerhaft ist und jeden von ihm Betroffenen in seinen Rechten verletzt, bedarf keiner näheren Darlegung". Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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