Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geheimer Vorbehalt / Scherzerklärung / Scheingeschäft

Zulässigkeit des „Shill bidding“ bei Bieten durch Dritten – eBay

Zulässigkeit des „Shill bidding“ bei Bieten durch Dritten – eBay

4. Juli 2025

16 Kommentare

4,8(32.009 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V möchte seinen VW Golf verkaufen. Kurz vor Ende der eBay-Auktion ist K mit einem Gebot von €1,50 Höchstbietender. Daraufhin bittet V seinen Freund F, mitzubieten. F treibt den Preis auf €17.000 hoch. V und F wollten niemals einen Vertrag schließen. Außer K und F hat niemand mitgeboten.

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Einordnung des Falls

Zulässigkeit des „Shill bidding“ bei Bieten durch Dritten – eBay

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat mit der Auktionseröffnung ein Angebot zum Verkauf des Golfs an den Höchstbietenden abgegeben.

Ja!

Gemäß § 7 Nr. 2 eBay-AGB (Stand: 01.12.2021) gibt der Verkäufer durch Einstellen eines Artikels im Auktionsformat ein verbindliches Angebot zum Vertragsabschluss über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt er einen Startpreis und eine Annahmefrist (Angebotsdauer). Diese Regeln sind bei der Auslegung der Erklärungen der Parteien nach objektivem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) zu berücksichtigen. V hat demnach mit der Auktionseröffnung bereits ein verbindliches Angebot (§ 145 BGB) abgegeben. Das Angebot richtet sich dabei an den Höchstbietenden, auch wenn dessen Identität zum Auktionsstart noch unbekannt ist.
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2. F hat dieses Angebot als Höchstbietender wirksam angenommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Mit der Abgabe eines Gebots erklärt sich der Bietende zur Annahme des Vertrages in der Höhe des aktuellen Höchstgebots bereit. Nach § 117 Abs. 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung allerdings nichtig, wenn sie mit dem Einverständnis des Empfängers nur zum Schein abgegeben wird. Das Scheingeschäft wird auch das simulierte Geschäft genannt. Hier hat F nur mitgeboten, um den Kaufpreis künstlich in die Höhe zu treiben. In Wahrheit wollten V und F niemals einen Vertrag schließen. Damit handelt es sich bei den Geboten des F nur um Scheingeschäfte. Diese sind nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig.

3. K hat das Angebot des V zum Preis von €1,50 angenommen.

Ja, in der Tat!

Mit der Abgabe eines Gebots erklärt sich der Bietende zur Annahme des Vertrages in der Höhe des aktuellen Höchstgebots bereit. Dabei bleiben abgegebene Gebote Dritter, derer sich der Verkäufer bedient, um den Gebotspreis zu manipulieren (sog. Scheinbieter), in der Reihe der abgegebenen Gebote unberücksichtigt. Ein regulärer Bieter muss es deshalb auch nicht übertreffen, um Meistbietender zu werden oder zu bleiben. Neben F hat niemand sonst mitgeboten. Damit ist €1,50 das höchste abgegebene Gebot und ein Kaufvertrag i.H.v. €1,50 zustande gekommen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Anonym

Anonym

28.10.2020, 09:41:44

Ich fände es tatsächlich etwas klarer, wenn im Sachverhalt stehen würde, dass es sich hier um eine eBay Auktion handelt. Mir ist das dann erst am Ende aufgefallen, weil ich mir das Bild dazu erst am Ende angeschaut habe... Und normalerweise muss man ja auch keine Bilder interpretieren, um sich den SV zu erschließen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

28.10.2020, 16:09:59

Hallo, bei Jurafuchs gehört die Illustration zum Sachverhalt dazu. Dennoch haben wir das Wörtchen "ebay" im Sachverhalt ergänzt, sodass keine Missverständnisse mehr auftreten.

QUIG

QuiGonTim

13.2.2022, 23:13:34

Liebes Jurafuchs-Team ich finde eure Wiederholungs-/Definitionseinheiten echt klasse. Es wäre echt toll, wenn sich am Ende dieses Kapitels ebenfalls eine solche finden würde. :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2022, 11:06:09

Vielen Dank, QuiGonTim! Wir sind schon dabei, die Wiederholungskapitel insgesamt noch auszuweiten. Hier bitten wir Dich noch um ein wenig Geduld. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PAULA9

Paula99

8.5.2023, 12:53:33

Wie wäre denn die Rechtslage bei mehreren Bieter*innen, deren Gebote erst durch die "Fake-Gebote" in die Höhe getrieben werden? Da ist ja im Zweifel nicht mehr wirklich festzustellen, wie sich die Auktion ohne das Zutun des V entwickelt hätte, bzw. welche Gebote dann (nicht) abgegeben worden wären, oder?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.5.2023, 17:09:24

Hallo Paula99, dieses Verfahren des künstlichen Hochtreibens von Preisen bei Online-Auktionen wird auch als "

shill bidding

" bezeichnet. Es werden alle Angebote ab erstem manipulativen Eingreifen außer Acht gelassen. Berücksichtigt wird das letzte Angebot, das abgegeben wurde bevor es zu dem Fake-Angebot kam. Der BGH hat sich in dem folgenden Urteil damit beschäftigt, wie das zu bewerten ist wenn die Fake-Angebote von dem Verkäufer selbst abgegeben werden. 24.8.2016 – VIII ZR 100/15 . Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

BEN

benjaminmeister

10.11.2024, 21:19:55

@[Nora Mommsen](178057) Das ist so nicht richtig. In dem von dir angegebenen Urteil schreibt der BGH in Rn. 46, dass es für sich genommen keine Rolle spielt, wenn in der Gebotskette ein oder mehrere Eigengebote stehen sollten. Entscheidend ist nur, ob Höchstgebot oder das diesem unmittelbar vorangegangene Gebot ein Eigengebot ist. Ist das vorletzte Gebot ein reguläres Fremdgebot, will der Bieter ein Übergebot abgegeben und die Eigengebote sind unbeachtlich.

ZACHA

Zacharias

27.5.2024, 14:52:34

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat der Dritte mitge

boten

unter der Anweisung des Versteigerers und ist dann berechtigter Weise vom Vertrag zurückgetreten. Dem Kläger wurde hier gerade kein

Schaden

sersatz zugesprochen. Nach der Aufgabenstellung wurde hier aber ein Vertrag geschlossen in Höhe von 1,50€. Was stimmt also nun?

Sassun

Sassun

19.11.2024, 14:40:04

Die Originalklage wurde abgewiesen, daher wurde sich nicht mit § 138 II, 134 I beschäftigt. In eurem Fall allerdings müsste das Geschäft doch gem. § 138 I BGB wegen Wucherähnlichkeit unwirksam sein, oder?

LEA

Lea

3.1.2025, 18:24:35

So wie ich es verstanden habe ist es bei ebay-Fällen idR so, dass Wucher eben nicht angenommen wird, da es bei Internetauktionen gerade darum geht Dinge (weit) unter Marktwert zu kaufen und sich Verkäufer darüber bewusst sein müssen.

AN

antoniaaakr

12.2.2025, 15:10:37

Könnte mir noch jemand erklären, warum hier überhaupt von einem

Scheingeschäft

gem §117 I ausgegangen wird? Die Konstellation ist doch folgende: Damit § 117 Abs. 1 BGB greift, müsste V der Erklärungsempfänger dieser Willenserklärung sein. Wer ist der Erklärungsempfänger des Gebots von F? -> C gibt sein Gebot nicht gegenüber V, sondern gegenüber EBay ab. • Das System von Ebay verarbeitet das Gebot und erkennt es als wirksame Erklärung -> § 117 Abs. 1 BGB setzt aber voraus, dass die Erklärung direkt gegenüber dem Geschäftspartner abgegeben wird – hier also gegenüber V V ist nicht der Empfänger des Gebots von C, sondern nur derjenige, der von der Plattform erfährt, dass jemand ge

boten

hat. -> Fehlendes beiderseitiges Einverständnis über die Scheinhandlung? Ein

Scheingeschäft

liegt nur vor, wenn beide Parteien (hier: Vund F) sich darüber einig sind, dass die Willenserklärung nur zum Schein erfolgt. • Aber: F gibt sein Gebot gegenüber Ebay ab, nicht gegenüber V. • Ebay weiß nichts von der Absprache zwischen V und F → kein

Scheingeschäft

? Abgrenzung:

Täuschung

vs.

Scheingeschäft

• F gibt ein tatsächliches Gebot im Auktionssystem ab, das als „real“ verarbeitet wird. • Der Unterschied zu einem

Scheingeschäft

: Beim

Scheingeschäft

soll die Erklärung gar keine Rechtswirkung haben. Hier hingegen erzeugt das Gebot sehr wohl eine Rechtswirkung → es beeinflusst die Auktion und das Verhalten von K Ist die zutreffende rechtliche Einordnung daher eine

arglistige Täuschung

nach §

123 BGB

, nicht

§ 117 BGB

?

LMA

Lt. Maverick

28.5.2025, 20:58:09

@[antoniaaakr](269460) Du sagst V, C und F hätten ihre Gebote gegenüber Ebay abgegeben. Wenn Ebay selbst nicht Vertragspartner ist, kannst du also nur meinen, dass Ebay dabei dann sozusagen als Stellvertreter für die Erklärung des V bzw. des C+F fungiert. Das ist sehr fernliegend. Ebay arbeitet mit automatisierten Systemen. Auch gibt Ebay keine eigenen Willenserklärungen ab, sondern bildet nur die Inserate bzw. Gebote bildlich ab. Man könnte bestenfalls eine

Botenschaft

annehmen, aber hier ist schon fraglich, ob der Upload eines Inserats bzw. die Benachrichtigung über ein Gebot überhaupt eine Willenserklärung und nicht vielmehr faktisches Handeln ist, worauf Stellvertretung und

Botenschaft

ohnehin keine Anwendung finden oder lediglich eine Wissenserklärung vorliegt, die selbst keine rechtsverbindliche Wirkung entfaltet. Solange keine Stellvertretung vorliegt, wirken die Willenserklärungen zwischen den Beteiligten. Anerkannt ist nur, dass Ebay im Zeitpunkt des Auktionsendes

Empfangsvertreter

164 III BGB

) des Verkäufers ist. V gibt ein Angebot ab, indem er dieses bei Ebay als elektronischen

Boten

inseriert. Mit Upload und Veröffentlichung ist grundsätzlich von Zugang auszugehen. C gibt zwar gegenüber Ebay ein Gebot ab, hier ist Ebay aber auch nur Bote seiner an den V gerichteten Erklärung. Selbiges gilt für F. Da es weder auf das Wissen noch den Kenntnisstand des

Boten

, anders als bei der Vertretung, ankommt, liegt hier ein

Scheingeschäft

vor. Wenn F als Höchstbietender wirksam angenommen hat, dann liegt Zugang bei V vor, sobald Ebay vom Auktionsende und dem Höchstbietenden Kenntnis erlangt hat (§

164 III BGB

). Eine

arglistige Täuschung

macht keinen Sinn, denn es kann ja nur einer am Vertrag Beteiligter arglistig getäuscht werden. C wäre aber nicht Vertragspartner geworden, wenn V und F wirksam einen Vertrag geschlossen hätten. Da dieser Vertrag zwischen V und F aber wegen § 117 I BGB nichtig ist, kommt doch der Vertrag mit C zustande. Wo liegt denn da dann noch die

Täuschung

? Er wurde weder durch V noch F zur Abgabe seines Gebots und späteren Annahme getäuscht.

AN

antoniaaakr

12.2.2025, 11:50:59

Hi, ich hätte auch noch eine Frage: in meiner Hausarbeit geht es um das Scheinbieten durch einen Dritten. Ich frage mich, wo und wie ich die AGBs (bzgl. Angebot und Annahme bei Internetauktionen) von Ebay in meine Arbeit integriere. Könnte mir da jemand helfen? Danke im Voraus!

AR

arianck

14.6.2025, 17:39:09

Hallo, in der Aufgabe heißt es, zwischen V und K sei somit ein

Kaufvertrag

zustande gekommen. Im Leitsatz des LG-Urteils heißt es wiederum "Bedient sich der Verkäufer bei einer E-Bay Auktion eines sogenannten Scheinbieters, um den Gebotspreis zu manipulieren, so kommt gleichwohl kein

Kaufvertrag

mit dem unterlegenen zweithöchsten Bieter zustande." Widerspricht sich das nicht? Ich blicke leider gerade nicht mehr durch :D


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