Polizeiverordnung (Grundfall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Polizeianwärter P ist sich nicht sicher, wie er in einem Fall vorgehen soll. Er weißt, dass als Handlungsform im Polizeirecht auch die Verordnung zur Gefahrenabwehr in Betracht kommt, aber er hat keine Ahnung, wofür die gut ist.

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Einordnung des Falls

Polizeiverordnung (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Rechtsverordnungen sind abstrakt-generelle Regelungen der Exekutive.

Genau, so ist das!

Unter einer Rechtsverordnung versteht man Rechtssätze als abstrakt-generelle Regelungen der Exekutive. Sie sind Gesetze im materiellen Sinn und damit Teil der Rechtsordnung. Von Gesetzen im formellen Sinn unterscheiden sie sich dadurch, dass sie nicht von der Legislative erlassen werden, sondern von der Exekutive. Die Befugnis zum Erlass einer Verordnung bedarf einer entsprechenden Verordnungsermächtigung. Diese muss den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG bzw. entsprechenden landesrechtlichen Regelungen genügen. Sie müssen insbesondere hinreichend bestimmt sein, was in Bezug auf die polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen aufgrund der hinreichenden Konkretisierung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bejaht wird.
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2. Gegen eine Verordnung kann in Hamburg im Wege des Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO vorgegangen werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet das OVG auf Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Die Verordnung als abstrakt-generelle Rechtsvorschrift ist zwar eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, jedoch sieht das Hamburger Ausführungsgesetz zur VwGO kein Normenkontrollverfahren im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO vor. Ein Normenkontrollverfahren ist in Hamburg demnach nur nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO möglich, also insbesondere gegen Bebauungspläne.

3. Mangels Möglichkeit des Vorgehens nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO scheidet die Möglichkeit, die Gültigkeit einer Verordnung gerichtlich zu überprüfen lassen aus.

Nein!

Obwohl ein direktes Kontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Hamburg nicht möglich ist, kann die gerichtliche Überprüfung der Verordnung auf ihre Gültigkeit dennoch begehrt werden. Relevant sind insbesondere zwei Konstellationen: Zum einen wird im Rahmen einer Anfechtungklage gegen einen auf Grundlage der Verordnung erlassenen Verwaltungsakt die Rechtmäßigkeit der Verordnung überprüft, zum anderen kann vorbeugender Rechtsschutz gegen einen drohenden Vollzugsakt begehrt werden, wenn das Abwarten des Vollzugsaktes - etwa aufgrund eines drohenden Bußgeldes (§ 1 Abs. 2 SOG HH) - unzumutbar ist. Die statthafte vorbeugende Rechtsschutzform ist umstritten. Nach einer Ansicht ist die vorbeugende Unterlassungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO), nach anderer Ansicht (insbesondere der Rechtsprechung) ist die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft.

4. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zur Gefahrenabwehr ist § 3 Abs. 1 SOG HH.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel ist nach dem Grundsatz der Spezialität verwehrt, soweit eine speziellere Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Für die Handlungsform der Rechtsverordnung sieht § 1 Abs. 1 SOG eine spezielle Ermächtigungsgrundlage vor. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der von Verordnungen zur Gefahrenabwehr ist § 1 Abs. 1 SOG HH. Gemäß § 1 Abs. 2 SOG kann in Verordnungen zur Gefahrenabwehr auch bestimmt werden, dass vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße mit Geldbuße geahndet werden können.

5. Der Erlass einer Verordnung zur Gefahrenabwehr setzt das Vorliegen einer Gefahr voraus, ein materieller Unterschied zum Gefahrenbegriff des § 3 Abs. 1 SOG HH besteht nicht.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Generalklausel des § 3 Abs. 1 SOG HH setzt das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus. Aus dem Charakter der Rechtsverordnung als abstrakt-generelle Regelung folgt, dass die Wahl dieser Handlungsform wenig sinnhaft wäre, um einer konkreten Gefahr zu begegnen. Hierfür wäre der Verwaltungsakt als konkret-individuelle bzw. in Form der Allgemeinverfügung (§ 35 S. 1 VwVfG) konkret-generelle Regelung besser geeignet. Voraussetzung für den Erlass einer Rechtsverordnung ist daher eine abstrakte Gefahr. Anders als das Erfordernis einer konkreten Gefahr im Rahmen des § 3 Abs. 1 SOG HH bedarf die Rechtsverordnung gemäß § 1 Abs. 1 SOG HH einer abstrakten Gefahr.
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