Polizeiverordnung (Beispielsfall)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Die Polizei erlässt eine stadtweit geltende Verordnung, die einen Leinenzwang für (näher bestimmte) gefährliche Hundearten vorsieht. Bei Verstößen ist ein empfindliches Bußgeld vorgesehen. Hundehalterin H ist hiermit nicht einverstanden und möchte gegen die Verordnung vorgehen.

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Einordnung des Falls

Polizeiverordnung (Beispielsfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H kann im Wege des Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gegen die Verordnung vorgehen.

Nein!

Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet das OVG auf Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Die Verordnung als abstrakt-generelle Rechtsvorschrift ist zwar eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, jedoch sieht das Hamburger Ausführungsgesetz zur VwGO kein Normenkontrollverfahren im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO vor. Ein Normenkontrollverfahren ist in Hamburg demnach nur nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO möglich, also insbesondere gegen Bebauungspläne.
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2. Die H kann im Wege des vorbeugenden Rechtsschutz vorgehen.

Genau, so ist das!

Vorbeugender Rechtsschutz kann verlangt werden, wenn das Abwarten eines Vollzugsaktes unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Abwarten eines Vollzugsaktes, etwa aufgrund der drohenden Verhängung eines Bußgeldes unzumutbar ist. Die Verordnung ist bußgeldbewehrt. Ein Abwarten des Vollzugsaktes und der Verweis auf den repressiven Rechtsschutz ist damit unzumutbar. Nach einer Ansicht ist die vorbeugende Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) statthaft. Hierfür spricht die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO. Nach anderer Ansicht (insbesondere der Rechtsprechung) ist die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. Hiernach wird die Subsidiaritätsklausel einschränkend ausgelegt und entfalte keine Wirkung für die weder frist- noch widerspruchsgebundene allgemeine Leistungsklage.

3. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 3 Abs. 1 SOG.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel ist nach dem Grundsatz der Spezialität verwehrt, soweit eine speziellere Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Für die Handlungsform der Rechtsverordnung sieht § 1 Abs. 1 SOG eine spezielle Ermächtigungsgrundlage vor. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 1 Abs. 1 SOG. Gemäß § 1 Abs. 2 SOG kann in Verordnungen zur Gefahrenabwehr auch bestimmt werden, dass vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße mit Geldbuße geahndet werden können.

4. Die Verordnung ist nur rechtmäßig, wenn alle Adressaten eine konkrete Gefahr verursachen.

Nein!

Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 SOG setzt das vorliegen einer abstrakten Gefahr voraus. Diese bemisst sich gerade nach einer typisierenden Betrachtung, bei der die typische Gefährlichkeit eines Verhaltens dazu Anlass gibt, dieser typischen Gefährlichkeit durch eine abstrakt-generelle Regelung zu begegnen. Würde eine konkrete Gefahr bei allen von einer Verordnung erfassten Sachverhalten gefordert, wäre der Anwendungsbereich erheblich verringert. Die Handlungsform der Verordnung wäre der Verwaltung dann kaum eröffnet, da ein solches Erfordernis kaum vorliegt und eine solche Prüfung praktisch kaum zu leisten wäre. Eine Verordnung zur Gefahrenabwehr setzt folglich nicht voraus, dass jeder Adressat eine konkrete Gefahr verursacht.

5. Rechtmäßige Verordnungen sind Teil der Rechtsordnung und fallen damit unter das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit.

Genau, so ist das!

Ein Teilschutzgut der öffentlichen Sicherheit ist die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung. Dies umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit Gesetze im formellen und materiellen Sinn. Die Verordnung als Gesetz im materiellen Sinne ist damit Teil des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit in Form der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung. Dies hat zur Folge, dass eine (drohende) Verletzung eines in einer Verordnung enthaltenen Ge- oder Verbots die Polizei in einem konkreten Fall - vorbehaltlich des Vorliegens einer Gefahr - dazu ermächtigt, Maßnahmen zu treffen, die der Abwehr der konkreten Gefahr dienen. Diese Maßnahmen könnten dann etwa auf die Generalklausel des § 3 Abs. 1 SOG gestützt werden.
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