Zivilrecht
Sachenrecht
Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Ausnahme: gewöhnliche Erhaltungskosten
Ausnahme: gewöhnliche Erhaltungskosten
19. Mai 2025
16 Kommentare
4,7 ★ (14.191 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

K kauft von V gutgläubig ein Auto, nicht wissend, dass dieser psychisch erkrankt ist. Das Auto bringt K nach einigen Wochen planmäßig zur Inspektion und zahlt dafür 300 €. Kurz darauf fordert der gesetzliche Vertreter des V das Auto heraus.
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Einordnung des Falls
Ausnahme: gewöhnliche Erhaltungskosten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es bestand eine Vindikationslage als K das Fahrzeug zur Inspektion brachte.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Inspektion stellt eine „Verwendung“ dar (§ 994 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. War die Verwendung auch „notwendig“ (§ 994 Abs. 1 BGB)?
Ja!
4. K hat deshalb einen Anspruch gegen V aus § 994 Abs. 1 S. 1 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
JohannW
6.1.2023, 16:45:14
Ist für den Ausschluss des
Verwendungsersatzes irrelevant, dass K das Auto lediglich für einige Wochen besessen hat, während eine Inspektion nur ca. alle zwei Jahre
erforderlichist?

Nora Mommsen
11.1.2023, 13:42:22
Hallo Johann W, auch wenn der Turnus einem vielleicht sehr weit erscheint, stellt die Inspektion eine für ein KfZ sehr gewöhnliche und wiederkehrende
Verwendungdar. Hätten dabei größere und außergewöhnliche Reparaturen angestanden, die nur in Ausnahmefällen nötig sind, wäre die Wertung eine entsprechend andere. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
JohannW
12.1.2023, 13:43:28
Hallo Nora, vielen Dank für die Antwort! Verstehe ich es richtig, dass in diesem Fall der bößgläubige/verklagte Besitzer nach § 994 II iVm
GoA Aufwendungsersatzverlangen kann, der gutgläubige Besitzer wegen des Ausschlusses nach § 994 I 2 hingegen nicht?
Donald
12.3.2023, 14:41:30
Moin Johann, meines Erachtens kommt auch ein Anspruch des
bösgläubigen/verklagten Besitzers aus GoA in diesem Fall nicht in Betracht: Dieser würde sich aus § 687 II ergeben und kann vom Geschäftsführer nur insofern geltend gemacht werden, als dass der Geschäftsherr seinerseits Ansprüche aus der Geschäftsführung geltend macht - § 687 II 2
benjaminmeister
12.3.2025, 08:58:51
@[Donald](111670) das stimmt so mMn. nicht: § 994 Abs. 2 enthält eine partielle Rechtsgrundverweisung, es müssen alle Voraussetzungen der GoA vorliegen außer der
Fremdgeschäftsführungswille. Wenn die notwendigen
Verwendungen berechtigt sind (Interesse + (mutmaßlicher) Wille des Geschäftsherrn, § 683 S. 1), kann auch der
bösgläubige/verklagte Besitzer diese ersetzt verlangen. Das ist auch nicht unbillig, weil die Nutzungen dem unredlichem Besitzer nicht verbleiben. Auch der vorliegende JF-Fall ist falsch (siehe anderer Thread): Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind nur nicht zu ersetzen, wenn die Nutzungen dem unrechtmäßigen, gutgläubigen Besitzer auch erhalten bleiben. Vorliegend würde aber nach Rspr. §
988 analoggreifen und der unrechtmäßige Besitzer müsste
Nutzungsersatzleisten. Weil die Nutzungen ihm also nicht verbleiben, kann er im vorliegenden Fall aber auch (entgegen der Falllösung) die Inspektionskosten ersetzt verlangen.
Aleton
28.4.2025, 11:28:21
@[benjaminmeister](216712) Warum verwendet man §
988 BGB analogin dieser Situation? Wenn ein verbleiben nicht vorliegt (wo ich dir recht gebe), dann müsste er die
Verwendungen in Form der Erhaltungskosten ersetzt verlangen oder nicht? Warum müssen wir die Norm anwenden?
benjaminmeister
28.4.2025, 14:15:14
Die Rspr. würde hier mMn. §
988 analoganwenden, weil der rechtsgrundlose Besitzer (Kaufvertrag ist ja nichtig!) dem unentgeltlichen Besitzer gleichzustellen ist. Das Argument für §
988 analogist: Wenn nur das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) unwirksam wäre, das
Verfügungsgeschäftaber wirksam, dann könnte der Veräußerer gem. §§ 812 ff. Nutzungsherausgabe verlangen. Wenn sowohl Verpflichtungsgeschäft als auch
Verfügungsgeschäftunwirksam sind, soll der Veräußerer aber nicht schlechter stehen als in der ersten Konstellation. Das tut er aber wegen § 993 Abs. 1 Hs. 2. Die Rspr. wendet deswegen §
988 analogan und die Lit. nimmt glaube ich eine teleologische Reduktion von § 993 vor. § 994 Abs. 1 S. 2 schließt den Ersatz von gewöhnlichen Nutzungen nur aus, wenn dem Besitzer die Nutzungen verbleiben. Wendet die Rspr. hier aber §
988 analogan, verbleiben dem Besitzer gar keine Nutzungen, so dass mMn. auch die gewöhnlichen Nutzungen vorliegend ersetzt werden müssen.
Dogu
2.4.2024, 10:43:40
Wieso hat der Gesetzgeber die gewöhnlichen Erhaltungskosten ausgeschlossen?
lexspecialia
30.4.2024, 14:33:58
Weil der Besitzer den Vorteil aus einer Sache hat, trägt er daher auch die daraus resultierenden Nachteile
hardymary
17.4.2025, 14:27:48
in Ergänzung zu @[lexspecialia](213087) : man muss sich vor Augen halten, dass § 994 I für den gutgläubigen Besitz gilt, der gerade keinen
Nutzungsersatzzu leisten hat. Somit würde er besser stehen, wenn er
Verwendungen auf eine Sache tätigt, die nicht seine ist als wenn sie seine wäre (weil dann würde er ja keine
Verwendungen ersetzt bekommen). Im Ergebnis wäre er überprivilegiert und stünde besser, als bei einer eigenen Sache. Deswegen hat er die Erhaltungskosten zu tragen.

Rechthaber
12.6.2024, 10:17:24
Wieso habt ihr bei dem Tatbestandsmerkmal der gewöhnlichen Erhaltungsosten nicht eine Inzidentprüfung des Eigentümers auf Nutzungsherausgabe aus EBV gegen den Besitzer durchgeführt, wie es der Wortlaut de § 994 I 2 BGB erfordert ?
Lisa
1.12.2024, 19:27:37
Die gleiche Frage stelle ich mir auch: Ich dachte nämlich, dass für § 994 I 2 BGB die Voraussetzungen des §
988 BGBvorliegen müssen, also der Besitz unentgeltlich erlangt hätte werden müssen. Da das hier nicht der Fall ist, dachte ich, dass ein Anspruch aus § 994 I 1 besteht. Wo liegt der Fehler?
benjaminmeister
1.3.2025, 19:03:35
Ich stimme hier @[Rechthaber](162337) zu: Hier müsste man noch inzident prüfen, ob K auch wirklich die Nutzungen behalten darf. Hier müsste K mMn. nach der Rspr. gem. §
988 analogdie Nutzungen herausgeben, da der rechtsgrundlose Besitzer dem unentgeltlichen Besitzer gleichstellt wird. Deshalb hätte er mMn. auch einen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten.
benjaminmeister
1.3.2025, 19:07:10
Ich stimme hier @Rechthaber zu: In der Aufgabe fehlt komplett die Prüfung, ob K die Nutzungen auch wirklich verbleiben. Hier müsste K mMn. nach der Rspr. gem. §
988 analogdie Nutzungen herausgeben, da der rechtsgrundlose Besitzer dem unentgeltlichen Besitzer gleichstellt wird. Deshalb hätte er mMn. auch einen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten. @Sebastian Schmitt @Linne_Karlotta
benjaminmeister
1.3.2025, 19:07:58
Ich stimme hier @[Rechthaber](162337) zu: In der Aufgabe fehlt komplett die Prüfung, ob K die Nutzungen auch wirklich verbleiben. Hier müsste K mMn. nach der Rspr. gem. §
988 analogdie Nutzungen herausgeben, da der rechtsgrundlose Besitzer dem unentgeltlichen Besitzer gleichstellt wird. Deshalb hätte er mMn. auch einen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten. @[Sebastian Schmitt](263562) @[Linne_Karlotta_](243622)

erikxxx
27.1.2025, 17:40:49
Nach § 994 Abs. 1 S. 1 BGB und § 601 Abs. 1 BGB trägt der Besitzer bzw. Entleiher die gewöhnlichen Erhaltungskosten, ohne Ersatzanspruch. Demnach muss derjenige der den unmittelbaren Vorteil aus einer Sache zieht, auch die daraus entstehenden Nachteile tragen.