Ausnahme: gewöhnliche Erhaltungskosten

19. Mai 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V gutgläubig ein Auto, nicht wissend, dass dieser psychisch erkrankt ist. Das Auto bringt K nach einigen Wochen planmäßig zur Inspektion und zahlt dafür 300 €. Kurz darauf fordert der gesetzliche Vertreter des V das Auto heraus.

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Einordnung des Falls

Ausnahme: gewöhnliche Erhaltungskosten

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es bestand eine Vindikationslage als K das Fahrzeug zur Inspektion brachte.

Genau, so ist das!

Dazu musste ein Vindikationsanspruch vorliegen. Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. V war ursprünglich Eigentümer. Da er nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, ist die dingliche Einigung nichtig. Er hat das Eigentum daher nicht verloren (§ 929 S. 1 BGB). K war Besitzer. Da auch der Kaufvertrag aufgrund von Vs Geschäftsunfähigkeit nichtig war, bestand auch kein Besitzrecht zugunsten des K.§ 104 Nr. 2 BGB erfordert das Vorliegen einer bestimmten geistigen Beeinträchtigung, sodass eine freie Willensbestimmung durch die psychische Erkrankung ausgeschlossen ist.
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2. Die Inspektion stellt eine „Verwendung“ dar (§ 994 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Verwendungen sind Vermögensaufwendungen, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer Sache dienen. Die Zahlung für die Inspektion stellt ein freiwilliges Vermögensopfer, also eine Aufwendung dar. Diese diente auch dem Erhalt der Funktionsfähigkeit des Autos. Mithin handelt es sich um eine Verwendung.

3. War die Verwendung auch „notwendig“ (§ 994 Abs. 1 BGB)?

Ja!

Notwendige Verwendungen sind solche, die objektiv erforderlich sind, um die Sache in ihrer Substanz oder ihrer Nutzbarkeit zu erhalten. Die Inspektion ist eine gängige Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Autos, die regelmäßig stattfindet. Grundsätzlich führt jeder Eigentümer diese durch. Wird sie nicht durchgeführt, können unerkannte Folgeschäden auftreten. Die Verwendung war daher notwendig.

4. K hat deshalb einen Anspruch gegen V aus § 994 Abs. 1 S. 1 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Ausnahme vom Verwendungsersatz nach § 994 Abs. 1 S. 1 BGB statuiert § 994 Abs. 1 S. 2 BGB. Demnach bekommt der Besitzer gewöhnliche Erhaltungskosten nicht ersetzt. Darunter fallen typischerweise regelmäßig wiederkehrende und vorhersehbare Ausgaben. Die Inspektion wird regelmäßig nach einem gewissen Kilometerstand durchgeführt. Sie gehört daher zu den gewöhnlichen Erhaltungskosten, die den Eigentümer eines Autos treffen und mit denen er rechnen muss. Anders verhält es sich bei außergewöhnlichen Reparaturen, wie etwa dem Austausch des Motors.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

JohannW

6.1.2023, 16:45:14

Ist für den Ausschluss des

Verwendung

sersatzes irrelevant, dass K das Auto lediglich für einige Wochen besessen hat, während eine Inspektion nur ca. alle zwei Jahre

erforderlich

ist?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2023, 13:42:22

Hallo Johann W, auch wenn der Turnus einem vielleicht sehr weit erscheint, stellt die Inspektion eine für ein KfZ sehr gewöhnliche und wiederkehrende

Verwendung

dar. Hätten dabei größere und außergewöhnliche Reparaturen angestanden, die nur in Ausnahmefällen nötig sind, wäre die Wertung eine entsprechend andere. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JO

JohannW

12.1.2023, 13:43:28

Hallo Nora, vielen Dank für die Antwort! Verstehe ich es richtig, dass in diesem Fall der bößgläubige/verklagte Besitzer nach § 994 II iVm

GoA Aufwendungsersatz

verlangen kann, der gutgläubige Besitzer wegen des Ausschlusses nach § 994 I 2 hingegen nicht?

DO

Donald

12.3.2023, 14:41:30

Moin Johann, meines Erachtens kommt auch ein Anspruch des

bösgläubig

en/verklagten Besitzers aus GoA in diesem Fall nicht in Betracht: Dieser würde sich aus § 687 II ergeben und kann vom Geschäftsführer nur insofern geltend gemacht werden, als dass der Geschäftsherr seinerseits Ansprüche aus der Geschäftsführung geltend macht - § 687 II 2

BEN

benjaminmeister

12.3.2025, 08:58:51

@[Donald](111670) das stimmt so mMn. nicht: § 994 Abs. 2 enthält eine partielle Rechtsgrundverweisung, es müssen alle Voraussetzungen der GoA vorliegen außer der

Fremdgeschäftsführungswille

. Wenn die notwendigen

Verwendung

en berechtigt sind (Interesse + (mutmaßlicher) Wille des Geschäftsherrn, § 683 S. 1), kann auch der

bösgläubig

e/verklagte Besitzer diese ersetzt verlangen. Das ist auch nicht unbillig, weil die Nutzungen dem unredlichem Besitzer nicht verbleiben. Auch der vorliegende JF-Fall ist falsch (siehe anderer Thread): Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind nur nicht zu ersetzen, wenn die Nutzungen dem unrechtmäßigen, gutgläubigen Besitzer auch erhalten bleiben. Vorliegend würde aber nach Rspr. §

988 analog

greifen und der unrechtmäßige Besitzer müsste

Nutzungsersatz

leisten. Weil die Nutzungen ihm also nicht verbleiben, kann er im vorliegenden Fall aber auch (entgegen der Falllösung) die Inspektionskosten ersetzt verlangen.

ALE

Aleton

28.4.2025, 11:28:21

@[benjaminmeister](216712) Warum verwendet man §

988 BGB analog

in dieser Situation? Wenn ein verbleiben nicht vorliegt (wo ich dir recht gebe), dann müsste er die

Verwendung

en in Form der Erhaltungskosten ersetzt verlangen oder nicht? Warum müssen wir die Norm anwenden?

BEN

benjaminmeister

28.4.2025, 14:15:14

Die Rspr. würde hier mMn. §

988 analog

anwenden, weil der rechtsgrundlose Besitzer (Kaufvertrag ist ja nichtig!) dem unentgeltlichen Besitzer gleichzustellen ist. Das Argument für §

988 analog

ist: Wenn nur das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) unwirksam wäre, das

Verfügungsgeschäft

aber wirksam, dann könnte der Veräußerer gem. §§ 812 ff. Nutzungsherausgabe verlangen. Wenn sowohl Verpflichtungsgeschäft als auch

Verfügungsgeschäft

unwirksam sind, soll der Veräußerer aber nicht schlechter stehen als in der ersten Konstellation. Das tut er aber wegen § 993 Abs. 1 Hs. 2. Die Rspr. wendet deswegen §

988 analog

an und die Lit. nimmt glaube ich eine teleologische Reduktion von § 993 vor. § 994 Abs. 1 S. 2 schließt den Ersatz von gewöhnlichen Nutzungen nur aus, wenn dem Besitzer die Nutzungen verbleiben. Wendet die Rspr. hier aber §

988 analog

an, verbleiben dem Besitzer gar keine Nutzungen, so dass mMn. auch die gewöhnlichen Nutzungen vorliegend ersetzt werden müssen.

Dogu

Dogu

2.4.2024, 10:43:40

Wieso hat der Gesetzgeber die gewöhnlichen Erhaltungskosten ausgeschlossen?

lexspecialia

lexspecialia

30.4.2024, 14:33:58

Weil der Besitzer den Vorteil aus einer Sache hat, trägt er daher auch die daraus resultierenden Nachteile

HARD

hardymary

17.4.2025, 14:27:48

in Ergänzung zu @[lexspecialia](213087) : man muss sich vor Augen halten, dass § 994 I für den gutgläubigen Besitz gilt, der gerade keinen

Nutzungsersatz

zu leisten hat. Somit würde er besser stehen, wenn er

Verwendung

en auf eine Sache tätigt, die nicht seine ist als wenn sie seine wäre (weil dann würde er ja keine

Verwendung

en ersetzt bekommen). Im Ergebnis wäre er überprivilegiert und stünde besser, als bei einer eigenen Sache. Deswegen hat er die Erhaltungskosten zu tragen.

Rechthaber

Rechthaber

12.6.2024, 10:17:24

Wieso habt ihr bei dem Tatbestandsmerkmal der gewöhnlichen Erhaltungsosten nicht eine Inzidentprüfung des Eigentümers auf Nutzungsherausgabe aus EBV gegen den Besitzer durchgeführt, wie es der Wortlaut de § 994 I 2 BGB erfordert ?

LI

Lisa

1.12.2024, 19:27:37

Die gleiche Frage stelle ich mir auch: Ich dachte nämlich, dass für § 994 I 2 BGB die Voraussetzungen des §

988 BGB

vorliegen müssen, also der Besitz unentgeltlich erlangt hätte werden müssen. Da das hier nicht der Fall ist, dachte ich, dass ein Anspruch aus § 994 I 1 besteht. Wo liegt der Fehler?

BEN

benjaminmeister

1.3.2025, 19:03:35

Ich stimme hier @[Rechthaber](162337) zu: Hier müsste man noch inzident prüfen, ob K auch wirklich die Nutzungen behalten darf. Hier müsste K mMn. nach der Rspr. gem. §

988 analog

die Nutzungen herausgeben, da der rechtsgrundlose Besitzer dem unentgeltlichen Besitzer gleichstellt wird. Deshalb hätte er mMn. auch einen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten.

BEN

benjaminmeister

1.3.2025, 19:07:10

Ich stimme hier @Rechthaber zu: In der Aufgabe fehlt komplett die Prüfung, ob K die Nutzungen auch wirklich verbleiben. Hier müsste K mMn. nach der Rspr. gem. §

988 analog

die Nutzungen herausgeben, da der rechtsgrundlose Besitzer dem unentgeltlichen Besitzer gleichstellt wird. Deshalb hätte er mMn. auch einen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten. @Sebastian Schmitt @Linne_Karlotta

BEN

benjaminmeister

1.3.2025, 19:07:58

Ich stimme hier @[Rechthaber](162337) zu: In der Aufgabe fehlt komplett die Prüfung, ob K die Nutzungen auch wirklich verbleiben. Hier müsste K mMn. nach der Rspr. gem. §

988 analog

die Nutzungen herausgeben, da der rechtsgrundlose Besitzer dem unentgeltlichen Besitzer gleichstellt wird. Deshalb hätte er mMn. auch einen Anspruch auf Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten. @[Sebastian Schmitt](263562) @[Linne_Karlotta_](243622)

erikxxx

erikxxx

27.1.2025, 17:40:49

Nach § 994 Abs. 1 S. 1 BGB und § 601 Abs. 1 BGB trägt der Besitzer bzw. Entleiher die gewöhnlichen Erhaltungskosten, ohne Ersatzanspruch. Demnach muss derjenige der den unmittelbaren Vorteil aus einer Sache zieht, auch die daraus entstehenden Nachteile tragen.


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