Gebot, einen bestimmten Ort zu verlassen (Platzverweis) (+)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Radaubruder R ist mit seiner Lebenssituation unzufrieden und zieht daher pöbelnd über den Hauptplatz. Dabei bedroht er auch vorbeiziehende Passanten. Polizist P erteilt dem R für den Hauptplatz einen Platzverweis.

Einordnung des Falls

Gebot, einen bestimmten Ort zu verlassen (Platzverweis) (+)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG schützt die Freiheit der Person und damit die körperliche Bewegungsfreiheit.

Ja!

Die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) schützt sachlich die Freiheit, einen (rechtlich und tatsächlich zugänglichen) Ort oder Raum aufzusuchen, sich dort aufzuhalten oder ihn zu verlassen. Das Grundgesetz misst der Freiheit der Person verfassungsrechtlich einen hohen Stellenwert bei. Dies kommt u.a. durch den Wortlaut ("unverletzlich") sowie durch die engen Schrankenvorbehalte des Art. 104 GG zum Ausdruck, die auf Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG Anwendung finden.

2. Der Platzverweis stellt einen Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) des R dar.

Genau, so ist das!

Jede Maßnahme, die die Freiheit einschränkt, einen beliebigen Ort aufzusuchen, sich dort aufzuhalten oder ihn zu verlassen, stellt grundsätzlich einen Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) dar (moderner Eingriffsbegriff). Der Platzverweis - ein Verwaltungsakt auf Basis des Landespolizeirechts (z.B. § 29 Abs. 1 ASOG, § 34 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 PolG NRW, Art. 16 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BayPAG) - beschränkt R in seiner Freiheit, sich an einem beliebigen Ort - hier auf dem Hauptplatz - aufzuhalten. Zugleich ist es R untersagt, nach Verlassen des Hauptplatzes diesen innerhalb der Geltungsdauer des Platzverweises wieder aufzusuchen.

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Der Weingärtner

15.7.2022, 11:16:57

Wir hatten in der Vorlesung gelernt, dass die Pflicht einen Ort zu verlassen kein Eingriff ist. Hatte mich damals in der Vorlesung schon gewundert. Was wäre denn jetzt der richtige Ansatz? Oder ist beides mit entsprechender Argumentation vertretbar? 😀

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 12:43:22

Hallo Der Weingärtner, ein Platzverweis ist sowohl als Entfernungsgebot als auch in der Form des Betretungsverbots immer ein Eingriff in die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 GG. Nach dem weiten Verständnis des Schutzbereichs wird auch die Hinbewegungsfreiheit zu einem bestimmten Ort geschützt, sofern der Ort rechtlich und tatsächlich im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung zugänglich ist. Ein Verbot stellt dann einen Eingriff dar. Auch die negative Freiheit wird geschützt, also bestimmte Orte nicht aufsuchen zu müssen. Der Schutzbereich ist aber nach h.M. nur einschlägig, wenn der Betroffene verpflichtet wird an einem konkreten Ort zu einem konkreten Zeitpunkt zu erscheinen und die Durchsetzung der Pflicht mittels unmittelbaren Zwangs droht. Ich hoffe so ist es etwas klarer! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

GilgameshTG

GilgameshTG

25.8.2022, 15:44:52

Grundsätzlich ist beides vertretbar. So würde nach der engen Ansicht, die die "Hinbewegungsfreiheit" nur unter Art. 11 I GG fasst, hier der Platzverweis eher nicht von Art. 2 II S. 2 GG gedeckt sein. H.M. Ist aber heutzutage wohl die weite Ansicht, nach der auch das Recht, einen öffentlich zugänglichen Ort zu betreten, unter Art. 2 II GG zu subsumieren ist. Das würde ich auch so in der Klausur erwähnen.


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