Typengemischter Bewirtungsvertrag; Besitzaufgabe als Willenserklärung


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A bestellt im Restaurant des B zehn Maultaschen. Er wird schnell satt und lässt die übrigen vier Maultaschen ohne Kommentar abräumen. Nachdem er bezahlt hat, fährt er nach Hause.

Einordnung des Falls

Typengemischter Bewirtungsvertrag; Besitzaufgabe als Willenserklärung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wer in einem Restaurant essen geht, schließt mit dem Gastwirt einen typengemischten Vertrag (Bewirtungsvertrag) ab.

Genau, so ist das!

Der Bewirtungsvertrag enthält Elemente verschiedener Verträge: - des Dienstvertrags (§§ 611 ff.) hinsichtlich der Bedienung, - des Mietvertrags (§§ 535 ff.) hinsichtlich Sitzplatznutzung, - des Kaufvertrags (§§ 433 ff.) hinsichtlich der Speisen, sowie - des Werkvertrags (§§ 631 ff.) hinsichtlich Zubereitung der Speisen. Die rechtliche Behandlung richtet sich nach dem im Vordergrund stehenden Vertragstypus (sog. Absorptionsmethode). Der Bewirtungsvertrag ist damit regelmäßig nach den Regeln des Kaufrechts zu beurteilen.

2. A und B haben einen Bewirtungsvertrag geschlossen.

Ja, in der Tat!

Ein Vertrag kommt durch zwei inhaltlich korrespondierende Willenserklärungen, namentlich Angebot und Annahme, zustande.A hat konkludent ein Angebot auf Abschluss eines Bewirtungsvertrags abgegeben, Indem er eine Bestellung aufgab. B hat diesen Antrag angenommen, als er die Bestellung entgegennahm und das Essen servierte.

3. A ist durch den Serviervorgang Eigentümer der servierten Maultauschen geworden (§ 929 S. 1 BGB).

Ja!

Die kaufvertragliche Komponente des Bewirtungsvertrags verpflichtet B zur Überlassung der Speisen zum Verzehr. Ursprünglich war B Eigentümer. Mangels ausdrücklicher Übereignung ist mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Gäste haben ein berechtigtes Interesse daran, mit servierten Speisen nach ihrem Gutdünken zu verfahren und wollen sich keineswegs einer fortgesetzten Herrschaft des Gastwirts unterwerfen. Für den Gastwirt ist einmal serviertes Essen Abfall. Daher ist anzunehmen, dass dem A durch das Servieren konkludent das Eigentum an den Maultaschen übertragen wird (§ 929 S. 1 BGB).

4. Indem A die übrig gelassenen Maultaschen abräumen ließ, hat er konkludent sein Eigentum an den Maultaschen aufgegeben (§ 959 BGB).

Genau, so ist das!

Wenn jemand auf das Eigentum an einer beweglichen Sache verzichten will (Dereliktion), erfordert dies gem. § 959 BGB objektiv eine Besitzaufgabe (§ 856 BGB) und subjektiv den Willen des Eigentümers, sein Eigentum preiszugeben. Die Äußerung des Entschlagungswillens ist regelmäßig konkludent in der Besitzaufgabe (§ 856 Abs. 1 BGB) zu sehen. Sie ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ad incertas personas.Indem A die Maultaschen unkommentiert abräumen ließ, hat er konkludent sein Eigentum aufgegeben.Anders wäre dies, wenn er darum gebeten hätte, dass die Maultaschen eingepackt werden.

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BBE

bibu knows best

22.8.2022, 12:16:55

Genau genommen werden die 4 Maultaschen nicht herrenlos sondern werden konkludent zurück übereignet, oder etwa nicht ? :D

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.8.2022, 17:31:49

Hallo bibu knows best, durchaus vertretbar. Allerdings bedürfte es hierfür eines

Übereignung

swillen des A an B. A schien hier aber keinerlei Interesse mehr an den Maultaschen zu haben. Der Fall ist also vergleichbar mit Eigentümern, die ihre Sachen zur Sperrmüllabholung nach draußen stellen und denen es letztlich egal ist, ob die Müllabfuhr oder ein Dritter den Sperrmüll mitnimmt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell

Isabell

3.11.2022, 14:31:18

Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie die Eigentumsverhältnisse während eines Restaurantbesuchs sind. Jura ist wirklich überall 😅

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.11.2022, 14:34:45

Man kann ihr nicht entkommen! ;)

PAULA2

Paula23

23.6.2023, 17:08:46

Ich habe mich gefragt, ob die

Übereignung

der Maultaschen nicht unter der Bedingung der vollständigen kaufpreiszahlung steht. Sodass der Fall nur aufgeht, soweit A die Maultaschen vor Rückgabe bezahlt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.6.2023, 12:38:44

Hallo Paula23, danke für deine Nachfrage. Es ist natürlich möglich eine solche Gestaltung vorzunehmen - allerdings in der Praxis absolut ungewöhnlich und fernliegend. Der Gastwirt hat kein Interesse an dem Eigentum an Speisen, die bereits teilweise vom Gast verzehrt wurden und damit für ihn in jeglicher Hinsicht unverwertbar geworden sind. Daher ist nach der Verkehrssitte in dem Servieren ein kokludentes Angebot zum Übereignen anzunehmen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

16.11.2023, 14:15:20

Ist das statt einem Kaufvertrag und Werkvertrag nicht eher ein Werklieferungsvertrag i.S.d. § 650 I 1 BGB? Würde für die Lösung hier keinen Unterschied machen, wäre rechtlich hier aber mE treffender (der Kunde wird regelmäßig nur einen Vertrag über frische Speisen schließen wollen).

Paulah

Paulah

17.11.2023, 21:57:44

Ich würde dir zustimmen, weil es bei den Maultaschen um eine bewegliche Sache geht. Ein Werkvertrag greift m. E. nur bei unbeweglichen Sachen oder unkörperlichen Sachen (Gutachten o. ä.).

LELEE

Leo Lee

18.11.2023, 18:19:50

Hallo Dogu, vielen Dank für den Hinweis! Es stimmt natürlich, dass hier auch (oder sogar eher!) ein Werklieferungsvertrag einschlägig wäre. Wir wollten jedoch hier aufzeigen, dass ein

Bewirtungsvertrag

aus verschiedenen Verträgen besteht und haben deshalb aus didaktischen Gründen den Kaufvertrag und Werkvertrag „separat“ – und nicht „zusammengeschweißt“ als Werklieferungsvertrag – aufgeführt und bitten dich insofern um Verständnis :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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