Grundfall: Ersitzung
19. Mai 2025
10 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Comicfan C besitzt die Originalausgabe des ersten „Enten-Krimi“. Dieb D stiehlt diese und veräußert sie an Sammlerin S. S glaubt, D sei der Eigentümer. S stellt die Ausgabe in ihrem Comic-Museum auf. 12 Jahre später entdeckt C diese zufällig. Er fragt sich, ob sie ihm noch gehöre.
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Einordnung des Falls
Grundfall: Ersitzung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S hat von D Eigentum an dem Comicheft erworben (§§ 929 S. 1, 932 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. S könnte das Eigentum an dem Comicheft durch Ersitzung erworben haben (§ 937 BGB).
Ja!
3. Das Comicheft ist eine bewegliche Sache, die S für mindestens zehn Jahre im Eigenbesitz hatte (§ 937 BGB).
Genau, so ist das!
4. S war gutgläubig, als sie den Eigenbesitz erworben hat.
Ja, in der Tat!
5. S hat innerhalb der Zehn-Jahresfrist erfahren, dass ihr das Eigentum nicht zusteht.
Nein!
6. S hat Eigentum an dem Comicheft durch Ersitzung (§ 937 BGB) erlangt.
Genau, so ist das!
7. Kann C von S Herausgabe des Comichefts verlangen (§ 985 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Fuchsfrauchen
12.11.2022, 23:50:44
D.h. 937 II Alt. 2 BGB gilt nur innerhalb der 10 Jahre? Weil sonst hätte S es ja "später erfahren", dass ihr das Eigentum nicht zusteht. (?)

Lukas_Mengestu
14.11.2022, 11:00:58
Hallo Fuchsfrauchen, nach 10 Jahren Eigenbesitz ist S Eigentümerin des Comics geworden. Folglich greift § 937 Abs. 2 Alt. 2 BGB hier nicht mehr, denn nun steht ihr das Eigentum ja aufgrund des gesetzlichen Eigentumsübergangs zu. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
nondum conceptus
23.11.2024, 19:39:41
Lorenz
23.11.2024, 22:19:43
Nein, nur bezüglich der Eigentümerstellung. Nur da vermag der Besitz einen Rechtschein zu setzen.
der D
9.2.2025, 07:03:08
Das würde ich nicht ganz eindeutig so sehen… Der gute Glaube in Bezug auf die
Verfügungsbefugnisist aufgrund der Anerkennung des
Geheißerwerbs ja durchaus geschützt. Ganz einfach, um diesen aus Praktikabilitätsgründen mit der „gewöhnlichen“
Übereignunggleichzustellen und nicht aufgrund mangelnden Gutglaubensschutzes zu entwerten. Man könnte sicherlich dafür argumentieren, dass der gute Glaube an die
Verfügungsbefugnisauch für die
Ersitzungausreichend ist.

Sebastian Schmitt
24.4.2025, 18:52:47
Hallo @[nondum conceptus ](234295), die Antworten von @Lorenz und @[der D](265843) treffen den Kern noch nicht ganz. Wir müssen vor allem darauf achten, dass wir den Bezugspunkt des § 937 II BGB nicht einfach mit dem des § 932 I 1, II BGB gleichsetzen können. §
932 BGBverlangt den guten Glauben an die Eigentümerstellung des Veräußerers (§ 932 II BGB: "[...] nicht dem Veräußerer gehört"). § 937 II BGB verlangt den guten Glauben daran, dass "ihm [dem Besitzer/Ersitzenden] das Eigentum [...] zusteht." Das ist nicht der gleiche Bezugspunkt wie in §
932 BGB, sondern (wenn man § 937 II BGB komplett liest) eher mit § 990 I BGB vergleichbar. MüKoBGB/Hamdorf, 9. Aufl 2023, § 937 Rn 42 formuliert dementsprechend ganz deutlich: "Überlegungen des Besitzers zur Rechtsstellung eines etwaigen Veräußerers sind als solche unerheblich." Ob der Besitzer/Ersitzende denkt, der Veräußerer sei Eigentümer oder "nur" verfügungsbefugter Nichtberechtiger, ist daher für § 937 II BGB als solches nicht entscheidend - beides kann genügen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team