Landesrecht (im Aufbau)

Kommunalrecht NRW

Grundlagen

Keine individuelle Einrichtungsgarantie - "Eingemeindung"

Keine individuelle Einrichtungsgarantie - "Eingemeindung"

10. Juli 2025

5 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Landtag von NRW beschließt das „Zoffenhausen-Eingemeindungs-Gesetz“ (ZEG), nach dem die kreisangehörige Gemeinde Zoffenhausen gegen ihren Willen Teil der kreisfreien Stadt Stunkstadt werden soll. Zoffenhausen erhält keine Möglichkeit, sich zu dieser Eingemeindung zu äußern.

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Einordnung des Falls

Keine individuelle Einrichtungsgarantie - "Eingemeindung"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 78 Abs. 1 S. 1 LV gewähren den Gemeinden subjektive Rechte.

Ja!

Das Selbstverwaltungsrecht verschafft den Kommunen insbesondere Abwehrrechte gegen staatliche Beeinträchtigungen und Leistungsrechte gegen den Staat.
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2. Das ZEG ist materiell verfassungswidrig, soweit es das Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 78 Abs. 1 S. 1 LV) der Gemeinde Zoffenhausen verletzt.

Genau, so ist das!

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist ein Verfassungsgut, das der materiellen Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entgegenstehen kann. Die Obersätze im öffentlichen Recht sollten immer mit „soweit“ (und nicht mit „wenn“) gebildet werden, wenn die Prüfung auch ergeben kann, dass die Voraussetzungen nur teilweise erfüllt werden können.

3. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 78 Abs. 1 S. 1 LV garantieren die Existenz der Institution „Kommune“ im Staatsaufbau (institutionelle Garantie).

Ja, in der Tat!

Indem Art. 28 GG und die Regelungen der Landesverfassungen Gemeinden und Gemeindeverbände ausdrücklich erwähnen, ist die Existenz dieser Einrichtungen geschützt („institutionelle Rechtssubjektsgarantie“). Das heißt, dass Gemeinden unbedingt im Staatsaufbau vorhanden sein müssen - eine vollständige Abschaffung der kommunalen Verwaltungsebene wäre also verfassungswidrig.

4. Darüber hinaus garantieren Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 78 Abs. 1 S. 1 LV auch den individuellen Fortbestand der Gemeinde Zoffenhausen.

Nein!

Die Garantie der Existenz von Gemeinden wird nur institutionell und nicht individuell durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; Art. 78 Abs. 1 S. 1 LV abgesichert. Neugliederungen, Gebietsänderungen oder Eingemeindungen einzelner Gemeinden steht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht prinzipiell entgegen.

5. Können staatliche Beeinträchtigungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein?

Genau, so ist das!

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt insbesondere einem Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“). Daher dürfen auch Eingemeindungen nur durch Gesetz vorgenommen werden.

6. Die Eingemeindung ist nur mit dem Einverständnis von Zoffenhausen zulässig.

Nein, das trifft nicht zu!

Gebietsänderungen dürfen auch gegen den Willen der betroffenen Gemeinden durch Gesetz vorgenommen werden. Es bedarf in formeller Hinsicht einer Anhörung der Gemeinde (vgl. § 19 Abs. 2 S. 1, S. 2 GO). Materiell müssen derartige Maßnahmen (1) aus Gründen des öffentlichen Wohls gerechtfertigt (vgl. § 17 Abs. 1 GO), (2) dem Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG genügen, sowie (3) verhältnismäßig und nicht willkürlich sein. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen wurden in den §§ 17-20 GO einfachgesetzlich verankert.

7. Die formellen Voraussetzungen der Eingemeindung liegen im Falle des ZEG vor.

Nein!

Die Eingemeindung erfordert in formeller Hinsicht eine Anhörung der Gemeinde (vgl. § 19 Abs. 2 S. 1, S. 2 GO NRW). Zoffenhausen wurde nicht angehört.

8. Die materiellen Voraussetzungen der Eingemeindung sind gerichtlich voll überprüfbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Gesetzgeber hat einen weiten politischen Gestaltungsspielraum bei Gebietsänderungen, weshalb die gerichtliche Kontrolldichte beschränkt ist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Eingemeindung durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ist gerichtlich nur dahingehend überprüfbar, ob der Gesetzgeber bei der Bewertung und Abwägung eindeutig fehlerhaft gehandelt hat. Die Eingemeindung ist demnach insbesondere verfassungswidrig, wenn (1) der Gesetzgeber die Sachlage schlecht ermittelt hat, (2) in wesentlichen Punkten von falschen Annahmen ausgegangen ist, (3) offensichtliche Fehler bei den zugrunde liegenden Erwägungen, Wertungen und Prognosen gemacht hat, oder (4) ohne erkennbare Gründe vom bisherigen System kommunaler Ordnung abweicht („Systemuntreue“). Zudem dürfen (5) die Nachteile nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen der Eingemeindung für Kommunen und Einwohnerinnen stehen (Schaden-Nutzen-Bilanz).
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