+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Sachbearbeiter S erlässt eine Baugenehmigung zu Gunsten seiner Tante T, die die Schwester seiner Mutter ist. S und T stehen sich weder besonders nahe, noch haben sie Probleme miteinander. T fragt sich, ob S die Genehmigung wirksam erlassen konnte.
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Einordnung des Falls
Keine Nichtigkeit, § 44 Abs. 3 VwVfG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. § 20 VwVfG regelt Beteiligungsverbote im Verwaltungsverfahren.
Genau, so ist das!
§ 20 VwVfG regelt zusammen mit § 21 VwVfG den Ausschluss von Personen wegen Befangenheit bzw. der Besorgnis der Befangenheit. Zweck der Vorschriften ist es, das Verwaltungsverfahren im Interesse der optimalen Aufgabenerfüllung und des Schutzes des Bürgers von (möglichen) sachfremden Einflüssen durch die mitwirkenden Amtsträger fernzuhalten. Das Mitwirkungsverbot erstreckt sich auf die Dauer des gesamten Verwaltungsverfahrens, umfasst also auch den Erlass eines Verwaltungsakts (vgl. § 9 VwVfG). Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG). Mit dem Erlass könnte S gegen ein Verbot aus § 20 VwVfG verstoßen haben.
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2. S hat die Grenzen des § 20 VwVfG beachtet. Die Baugenehmigung ist rechtmäßig ergangen.
Nein, das trifft nicht zu!
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer Angehöriger eines Beteiligten ist. Wer Angehöriger im Sinne der Vorschrift ist, regelt § 20 Abs. 5 VwVfG. Danach sind u.a. die Geschwister der Eltern Angehörige (§ 20 Abs. 5 Nr. 7 VwVfG). Ein Verstoß gegen die Vorschrift führt zur materiellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns. S hat als Sachbearbeiter für die Behörde gehandelt. T ist als Adressatin des Verwaltungsakts Beteiligte am Verwaltungsverfahren und zugleich die Schwester der Mutter von S. Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG liegt damit vor. Der Verwaltungsakt ist rechtswidrig.Vorsicht, wenn von einer „Tante“ gesprochen wird - „angeheiratete“ Tanten und Onkel fallen nicht unter die Vorschrift, es kommt auf die Geschwisterbeziehung an.
3. Der Verstoß gegen § 20 VwVfG führt zur absoluten Nichtigkeit des Verwaltungsakts gemäß § 44 Abs. 2 VwVfG.
Nein!
§ 44 Abs. 2 VwVfG enthält besondere Gründe, die immer zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen (absolute Nichtigkeitsgründe). Der vorliegende Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ist nicht in der Auflistung der absoluten Nichtigkeitsgründe (§ 44 Abs. 2 VwVfG) zu finden. Die Baugenehmigung könnte lediglich nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig sein. Im Gegensatz zu § 44 Abs. 2 VwVfG enthält § 44 Abs. 3 VwVfG Konstellationen, die für sich genommen nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen sollen. Zweck dieser Negativauflistung ist es, die Bewertung, ob ein Verwaltungsakt nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig ist, zu erleichtern. Zum einen, indem einige Fälle direkt genannt sind, zum anderen dadurch, dass Fehler, die vergleichbar wenig schwer wiegen, ebenfalls nicht zur Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG führen.
4. Der Verstoß gegen § 20 VwVfG gehört zu den Fehlern, die gemäß § 44 Abs. 3 VwVfG nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen.
Genau, so ist das!
§ 44 Abs. 3 VwVfG enthält Konstellationen, die für sich genommen nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen. Leidet der Verwaltungsakt an einem dort genannten Fehler, so kann dies nur zur Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG führen, wenn noch weitere besondere Umstände hinzukommen, die für die Nichtigkeit sprechen. Ein Fehler nach § 44 Abs. 3 VwVfG für sich allein genommen kann jedoch niemals zur Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG führen. Der Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG durch S erfüllt den Tatbestand des § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG. Er führt damit für sich genommen nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Weitere, besondere Umstände, die hier eine Nichtigkeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere scheinen S und T nicht besonders miteinander verbunden zu sein, sodass der Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot weniger schwer wiegt. Die Baugenehmigung ist zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig und damit wirksam (Umkehrschluss aus § 43 Abs. 3 VwVfG). T ist es erlaubt, aufgrund der Genehmigung zu bauen.