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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Geschäftsleiter G des Großhandelsmarktes öffnet wegen Diebstahlsverdachts den verschlossenen Spind des Verkaufsmitarbeiters V. Bei der Durchsuchung werden entwendete Waren entdeckt. G kündigt dem V fristlos. Der bei Durchsuchung auch anwesende Mitarbeiter M soll im Kündigungsschutzprozess als Zeuge gehört werden.

Einordnung des Falls

"Früchte des verbotenen Baumes"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das heimliches Öffnen des Spinds des V war rechtswidrig.

Ja, in der Tat!

Arbeitnehmer müssen darauf vertrauen können, dass ihnen zugeordnete persönliche Schränke nicht ohne ihr Einverständnis geöffnet und durchsucht werden. Sofern dies dennoch geschieht, liegt ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) vor. Dieser ist nur gerechtfertigt, wenn (1) Tatsachen vorliegen, die objektiv den Verdacht einer Straftat oder schweren Verfehlung begründen und (2) der Arbeitgeber alle weniger einschneidenden Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft hat. G hat den Schrank in Abwesenheit des V durchgeführt, obwohl es in dessen Beisein ebenso effektiv gewesen wäre. G hat damit nicht das am wenigsten belastende Mittel zur Aufklärung des Diebstahlsverdachts gewählt. Die heimliche Durchsuchung war rechtswidrig.

2. Es ist gesetzlich geregelt, ob Beweismittel, die unter Verletzung des geltenden Rechts beschafft worden sind, im Zivil- oder Arbeitsgerichtsprozess zugunsten der beweisbelasteten Partei verwertet werden dürfen.

Nein!

Auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren finden weitgehend die Regelungen der ZPO Anwendung (§ 46 Abs. 2 ArbGG). Die ZPO enthält indes keine expliziten Regelungen für Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote. Vielmehr ist in § 286 ZPO ausdrücklich die freie Beweiswürdigung durch das Gericht statuiert. Danach hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen über Parteivorbringen und die Ergebnisse etwaiger Beweisaufnahmen nach freier Überzeugung zu entscheiden. Da der Richter den Parteien in einem gerichtlichen Verfahren in unmittelbarer Ausübung seiner staatlichen Hoheitsgewalt gegenübertritt, ist er gemäß Art. 1 Abs.3 GG bei der Urteilsfindung an die Grundrechte gebunden. Er darf mithin einen Beweis nicht verwerten, wenn dies eine Verletzung der Grundrechte der anderen Partei bedeuten würde.

3. Rechtswidrig erlangte Beweismittel dürfen nie im Prozess verwertet werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nicht jede unzulässig erlangte Information ist prozessual unverwertbar. Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob der Schutzzweck der Norm, die durch die Art und Weise der Beweiserhebung verletzt worden ist, ein Beweisverwertungsverbot gebietet. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) nicht durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist (Interessenabwägung), und wenn die Verwertung einen erneuten Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers darstellen würde. BAG: Die Erkenntnisse der heimlichen Durchsuchung des Spinds unterlägen einem Beweisverwertungsverbots, da das Arbeitgeberinteresse an der Nutzung der Beweise aufgrund der damit einhergehenden schwerwiegenden Rechtsverletzung das Interesse des V am Schutz der Daten nicht überwiege.

4. Die prozessuale Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel führt stets auch zu einem Verwertungsverbot für die mittelbar durch das rechtswidrige Beweismittel gewonnenen Erkenntnisse.

Nein, das trifft nicht zu!

Inwieweit eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten im Arbeitsrecht besteht, ist umstritten. Die prozessuale Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel führt dabei nicht grundsätzlich, sondern nur ausnahmsweise zu einem Verwertungsverbot für die mittelbar durch das rechtswidrige Beweismittel gewonnenen Erkenntnisse („Früchte vom verbotenen Baum“). Nach dieser „fruit of the poisonous tree doctrine“ verliert ein rechtswidrig erlangter Beweis zum einen seine eigene Beweiskraft und wird unverwertbar, zum anderen entfaltet er auch eine Fernwirkung auf von ihm abgeleitete Sekundärbeweise. Dabei ist das Verhältnis von Schwere der vorgeworfenen Pflichtverletzung und des Eingriffs in die Rechte des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Der BGH lehnt die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten im deutschen Strafrecht bislang grundsätzlich ab, da andernfalls das gesamte Strafverfahren lahmgelegt werde.

5. Der bei der heimlichen Durchsuchung anwesende Mitarbeiter darf nach Auffassung des BAG im Kündigungsschutzprozess als Zeuge gehört werden.

Nein!

Die Arbeitsgerichtsbarkeit urteilt sehr unterschiedlich über die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten. Insbesondere bei massiven Eingriffen in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen wird zunehmend eine Fernwirkung bejaht. Im vorliegenden Fall entschied das BAG, dass dem Beweisangebot des Arbeitgebers, den Mitarbeiter als Zeugen zu hören, ein Beweiserhebungsverbot entgegenstand, welches aus dem Beweisverwertungsverbot folge („Früchte vom verbotenen Baum“). Es sei ausgeschlossen, Personen, die zur heimlichen Schrankkontrolle hinzugezogen wurden, als Zeugen zu vernehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass das Verbot der Einführung rechtswidrig erlangter Beweismittel im Prozess mittelbar unterlaufen wird.

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