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Dem Friseursalon des F geht es wirtschaftlich nicht gut. Betriebsbedingt muss F daher seinem Arbeitnehmer A kündigen. Hierzu fixiert F die Erklärung schriftlich und unterschreibt sie abschließend. Die Gründe der Kündigung werden nicht genannt.

Einordnung des Falls

Kündigung von Arbeitsverträgen § 623 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist ein Schriftformerfordernis vorgesehen.

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Ja!

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform (§ 623 BGB). Die Anforderungen an die Schriftform richten sich nach § 126 BGB. F möchte das Arbeitsverhältnis zu Arbeitnehmer A kündigen.

2. Die Unterschrift des F entspricht den Anforderungen nach § 126 BGB.

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Genau, so ist das!

Die eigenhändige Unterschrift muss am Ende des Urkundentext erfolgen und damit den Text räumlich abschließen (Abschlussfunktion). Eigenhändigkeit ist als handschriftlich zu definieren. Unerheblich ist, inwieweit die Unterschrift lesbar ist. Allein die Identifikation des Ausstellers muss bestimmbar sein. Nicht ausreichend sind daher Stempel oder maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens. Eine Kündigung per E-Mail oder WhatsApp genügt nicht den Anforderungen. F unterschreibt die Kündigungserklärung am Ende des Textes handschriftlich.

3. Die Kündigungsgründe müssen der Schriftform genügen.

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Nein, das trifft nicht zu!

§ 623 BGB bezieht sich allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Grundsätzlich bedarf die Kündigung keiner schriftlichen Begründung. Etwas anderes kann sich aus Spezialnormen ergeben, beispielsweise § 22 Abs. 3 BBiG. Der Wirksamkeit der Kündigung steht die fehlende Begründung nicht entgegen.

4. Die Anforderungen an die Schriftform müssen bei Zugang der Kündigungserklärung gewahrt sein.

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Ja!

Nicht ausreichend ist eine mündlich artikulierte Kündigung, welche im Nachhinein schriftlich fixiert wird. Die Anforderungen an die Schriftform sind vor Zugang der Kündigung bei A erfüllt.

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JO

jomolino

7.2.2022, 16:44:15

Warum gilt für die Gründe der Mietkündigung ein Schriftformerfordernis, nicht aber bei Arbeitsverträgen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.2.2022, 16:01:55

Hallo nomamo, klasse Frage! Denn auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Voraussetzungen für die beide identisch sind. Denn § 623 BGB und § 568 Abs. 1 BGB sind weitgehend identisch formuliert. Entgegen der Überschrift des § 568 BGB regelt dieser aber den Inhalt der Kündigung gerade nicht umfassend (von "Irreführung" spricht z.B. Häublein, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 568 RdNr. 8). Während es bis 2001 noch eine allgemeingültige Soll-Regelung gab, die für sämtliche Kündigungen das Begründungserfordernis formulierte (§ 564a Abs. 1 S. 2 BGB), so ergibt sich dies nunmehr aus den einzelnen Sondervorschriften (z.B: ordentliche Kündigung=§ 573 Abs. 3 S. 1 BGB, außerordentliche Kündigung= § 569 Abs. 4 BGB). Vergleichbare Regelungen für die Kündigung im Arbeitsrecht fehlen dagegen. Insofern ist es absolut üblich, dass Arbeitgeber:innen ihren Mitarbeiter:innen ohne jegliche Begründung kündigen. Den Kündigungsgrund erfahren die Mitarbeiter:innen häufig erst, wenn sie sich dagegen gerichtlich wehren. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.2.2022, 16:04:10

P.S.: die Soll-Vorschrift des § 564a BGB betraf nur Kündigungen über Mietverhältnisse von Wohnraum. Für die Kündigung von Arbeitsverträgen gab es nie ein Begründungserfordernis.


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