Äußerungsbefugnis kommunaler Amtsträger
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
München eröffnet ein NS-Dokumentationszentrum. B kritisiert dieses unter Hinweis auf ein Buch des Wissenschaftlers W in einem Brief an Oberbürgermeister O. O antwortet B, dass viele Fachleute die Thesen des W als falsch ablehnen würden. Darüber informiert der B den W.
Einordnung des Falls
Äußerungsbefugnis kommunaler Amtsträger
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. W ist durch die Äußerung des O in grundrechtlich geschützten Positionen betroffen.
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Ja, in der Tat!
2. Oberbürgermeister O kann sich ebenfalls auf Grundrechte berufen.
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Nein!
3. Ob die Äußerungen des O verfassungsrechtlich zulässig sind, richtet sich danach, ob sie als Schmähkritik einzuordnen sind.
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Nein, das ist nicht der Fall!
4. Ein kommunaler Amtsträger bedarf einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage, wenn er seine gemeindliche Einrichtung durch Äußerungen gegenüber Dritten verteidigt.
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Nein, das trifft nicht zu!
5. Bei dem NS-Dokumentationszentrum handelt es sich um eine gemeindliche Einrichtung.
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Ja!
6. Indem O die Thesen des W als falsch einschätzt, hat er die Schwelle zum klassischen Grundrechtseingriff überschritten. Es bedarf daher einer besonderen Ermächtigungsgrundlage für die Äußerung des O.
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Nein, das ist nicht der Fall!
7. Ist die Äußerungsbefugnis von Amtsträgern eröffnet, dürfen sie sich in diesem Rahmen so äußern, wie wenn sie als Grundrechtsträger die Meinungsfreiheit ausübten.
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Nein, das trifft nicht zu!
8. Für kommunale Amtsträger gilt das allgemeine Sachlichkeitsgebot auch, wenn sie Stellung zur wissenschaftlichen Konzeption ihrer gemeindlichen Einrichtung beziehen.
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Ja!
9. Um festzustellen, ob sich die Äußerungen im Rahmen der gebotenen Sachlichkeit halten, ist der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen.
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Genau, so ist das!
10. Weil O meint, dass viele Fachleute die Thesen des W als falsch ablehnen, hat er die Meinung des W ausgegrenzt und diskreditiert und damit die Grenze des Sachlichkeitsgebots überschritten.
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Nein, das trifft nicht zu!
11. O nannte in seiner Antwort an B nicht den akademischen Grad und Titel des W. Dies stellt eine Herabwürdigung der Person dar.
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Nein!
12. W hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass er durch den Brief in seinen eigenen Rechten verletzt ist, und hat einen Anspruch auf Widerruf der Äußerung.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Jack
10.9.2021, 23:18:14
Im Zusammenhang mit öffentlichen Einrichtungen und Meinungsfreiheit könnte dieses Urteil des BayVGH, U.v. 17.11.2020 - 4 B 19.1359, interessant sein. https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N-32734?hl=true
Jack
10.9.2021, 23:20:29
Ich habe mich vertippt: BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358

Lukas_Mengestu
21.10.2021, 10:32:39
Sehr cool, vielen Dank für den Hinweis. Das leite ich gern an unsere Redaktion weiter! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jan M.
9.3.2022, 22:55:32
Hierzu ist vor kurzem, am 20.01.2022, auch ein Urteil des BVerwG ergangen: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverwg-8c3520-bds-kampagne-nutzung-untersagt-staedtische-raeume-kommunale-oeffentliche-einrichtungen-meinungsfreiheit-widmungsbeschraenkung0/

Jan M.
9.3.2022, 22:56:19
Der Volltext ist noch nicht veröffentlicht soweit ich weiß daher der LTO Artikel
lisi99
28.5.2022, 11:56:07
Manchmal wäre es schön am Ende nochmal ein Schema wie z.b den Unterlassungsaufbau für die Klausur mit dem Fallbezug zu bekommen.

Lukas_Mengestu
15.6.2022, 20:24:49
Hallo lisi99, vielen Dank für den Hinweis. Wir werden das einmal in der Redaktion besprechen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
schokokeks
30.7.2022, 08:55:00
Warum kommt hier (unabhängig davon, dass der Anspruch nicht durchgeht) für den Widerruf der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch und nicht der Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht? Ich dachte, der Unterlassungsanspruch ist auf Unterlassung künftiger Äußerungen gerichtet (also dass O sich nicht erneut so äußern dürfte); dem Abwehranspruch würde es an einer fortdauernden Beeinträchtigung fehlen (die Äußerung des O ist nicht auf einer Internetseite oä verewigt). Schon mal danke im Voraus :)

Nora Mommsen
3.8.2022, 14:07:29
Hallo Schokokeks, du hast Recht. Die Erläuterung war an dieser Stelle zu kurz geraten. Richtigerweise müsste W einen Unterlassungsanspruch in Kombination mit einem Folgenbeseitigungsanspruch gerichtet auf Widerruf geltend machen. Wir haben die Aufgabe entsprechend ergänzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team