Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Relatives Fixgeschäft - § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB

Relatives Fixgeschäft - § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB

3. Juli 2025

13 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K ist bei der Hochzeit seiner besten Freundin eingeladen. Er bestellt hierfür bei Schneiderin S einen neuen Anzug. Er teilt ihr mit, diesen bräuchte er für die am 23.12. stattfindenden Hochzeit. S schafft die Fertigstellung nicht rechtzeitig. K erklärt am 24.12. den Rücktritt.

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Einordnung des Falls

Relatives Fixgeschäft - § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hatte zunächst einen Anspruch darauf, dass K den (noch fertigzustellenden) Anzug bezahlt (§§ 650, 433 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Bei Abschluss eines Werklieferungsvertrages nach § 650 S. 1 BGB ist der Besteller verpflichtet, den vereinbarten Lohn zu entrichten (§ 433 Abs. 2 BGB). Indem sich K und S über die Herstellung einer neuen, beweglichen Sache einigten, haben sie einen Werklieferungsvertrag geschlossen. Dieser verpflichtet K zur Zahlung des vereinbarten Lohnes (§ 433 Abs. 2 BGB).Auf den Werklieferungsvertrag finden über den Verweis in § 650 S. 1 BGB die Regelungen des normalen Kaufrechts Anwendung.
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2. Sofern S' eigene Leistungspflicht durch Unmöglichkeit ausgeschlossen ist (§ 275 Abs. 1 BGB), ist auch S' Anspruch auf den Kaufpreis erloschen (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB nicht mehr zu leisten braucht, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung (§ 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB).Sofern durch die verspätete Lieferung Unmöglichkeit eingetreten ist, wäre Ks Zahlungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erloschen.Ist in der Klausur also nach dem Zahlungsanspruch der S gefragt, so prüft man an dieser Stelle inzident das Schicksal von Ks Anspruch auf Übergabe und Übereignung (§ 433 Abs. 1 BGB).

3. Der Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Anzuges ist nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, da ein absolutes Fixgeschäft vorliegt.

Nein!

Bei einem absoluten Fixgeschäft ist die Leistungszeit derart wichtig, dass eine Nachholung, für den Gläubiger gänzlich sinnlos ist und damit ausnahmsweise die Verzögerung direkt zur Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) führt. Ob ein absolutes Fixgeschäft vorliegt, ist durch Auslegung der Vereinbarung der Parteien zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Zwar war S bekannt, dass K den Anzug auf der Hochzeit anziehen wollte. Da K den Anzug aber auch bei weiteren Anlässen noch tragen kann, ist die Nachholung nicht sinnlos. Es liegt kein absolutes Fixgeschäft und auch keine Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB vor.Anders wäre dies bei einem Hochzeitskleid, das in der Regel nur einmal getragen wird.

4. S' Zahlungsanspruch könnte aber durch Ks erklärten Rücktritt erloschen sein, sofern K aufgrund der verspäteten Leistung ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB zustand.

Genau, so ist das!

Durch den wirksamen Rücktritt wird ein Vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Damit entfallen noch nicht erfüllte primäre Ansprüche aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis. Das Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) gegenseitiger Vertrag, (2) wirksamer, fälliger und einredefreier Anspruch, (3) Nichterbringung der Leistung bei Fälligkeit bzw. nicht ordnungsgemäßer Leistung und (4) erfolglose Fristsetzung (§ 323 Abs. 1-3 BGB).Die Rechtsfolge „Erlöschen der Primärleistung“ hat der Gesetzgeber - anders als den Anspruch auf Rückgewähr (§ 346 Abs. 1 BGB) - nicht ausdrücklich normiert.

5. S hat ihre Leistung vertragsgemäß erbracht.

Nein, das trifft nicht zu!

Nicht vertragsgemäß ist die Leistung erbracht, wenn ihr Inhalt oder die Art ihrer Erbringung in irgendeiner Weise von dem abweicht, was Gesetz oder Parteivereinbarung festgelegt haben.K und S hatten die Fertigstellung des Anzuges bis spätestens 23.12 vereinbart. Da S den Anzug nicht rechtzeitig fertiggestellt hat, liegt insoweit eine Pflichtverletzung vor.

6. K hat S wirksam eine Nachfrist gesetzt.

Nein!

Die Fristsetzung ist die Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, die Leistung innerhalb eines hinreichend bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitraums zu bewirken.K hat von S direkt am 24.12. die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt. Eine Frist hat er dagegen nicht gesetzt, noch nicht einmal einen bestimmbaren Zeitraum (z.B. durch die Wörter „schnell“, „umgehend“).

7. Da K keine Nachfrist gesetzt hat, besteht (noch) kein Rücktrittsrecht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Fristsetzung ist nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich, wenn die Einhaltung des vertraglich vereinbarten Leistungszeitpunkt für den Gläubiger erkennbar von gesteigerter Bedeutung ist („relativen Fixgeschäftes“). Es soll mit der Einhaltung des Termins "stehen und fallen". Anders als beim absoluten Fixgeschäft muss die verspätete Annahme für den Gläubiger dabei nicht gänzlich sinnlos sein.Auch wenn K den Anzug später noch verwenden kann, so hatte er ein starkes Interesse an der rechtzeitigen Erbringung der Leistung. Dieses war für S auch ersichtlich. Eine Fristsetzung ist somit nach § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich. Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern haben sich bestimmte Formulierungen (z. B. "fix", "genau", "spätestens", "prompt") eingebürgert, bei denen ein relatives Fixgeschäft anzunehmen ist.

8. Wenn S den Anzug noch fertigstellt, kann sie von K den Kaufpreis verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Durch den Rücktritt erlöschen die primären Leistungsansprüche. Ein wirksamer Rücktritt setzt (1) eine Rücktrittserklärung (§ 349 BGB) und (2) einen Rücktrittsgrund voraus. (3) Zudem darf der Rücktritt nicht ausgeschlossen sein.K hat am 24.12. den Rücktritt gegenüber S erklärt. Da S nicht rechtzeitig geleistet hatte und die Fristsetzung entbehrlich war, stand K auch ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs., 1, 2 Nr. 2 BGB zu. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Durch den wirksamen Rücktritt ist S's Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises folglich erloschen.
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