Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2020
Abweichung vom Idealzustand eines Pferdes als Sachmangel?
Abweichung vom Idealzustand eines Pferdes als Sachmangel?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Verbraucherin K kauft von Unternehmer V ein Jungpferd. Beim Einreiten des Pferdes zwei Monate später entdeckt K eine übermäßige Widerspenstigkeit (Rittigkeitsprobleme). Eine Untersuchung ergibt, dass das Pferd zwar eine physiologische Besonderheit aufweist („Kissing-Spines“-Befund), diese sich aber nicht auswirke. K erklärt Rücktritt und verlangt Vertragsrückabwicklung.
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Einordnung des Falls
Abweichung vom Idealzustand eines Pferdes als Sachmangel?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Anspruchsgrundlage für die Vertragsrückabwicklung aufgrund eines Sachmangels ist §§ 346 Abs. 1, 326 Abs. 5, 323, 437 Nr. 2 BGB.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Käufer eines lebenden Tieres kann – ohne besondere Vereinbarung – erwarten, dass das Tier der Idealnorm ohne jegliche physiologische Abweichung entspricht.
Nein!
3. V hat nur dafür einzustehen, dass das Pferd bei Gefahrübergang gesund ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald auch keine Erkrankungen entwickeln wird.
Genau, so ist das!
4. Würde dem „Kissing Spines“-Befund Lahmheit oder offensichtliche Schmerzen des Pferdes hinzutreten, läge eine klinische Erscheinung vor, sodass insgesamt eine abweichende Soll-Beschaffenheit zu bejahen wäre.
Ja, in der Tat!
5. K kann sich erfolgreich auf die Vermutung des § 477 BGB berufen, da die beschriebenen Rittigkeitsprobleme der Nachweis eines mangelhaften Zustands sind, welcher innerhalb von 6 Monaten auftraten.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vanessa
18.10.2021, 14:47:59
Heute (als 1.Teil) so ähnlich als Examenstreffer im 1.Examen in Hessen gelaufen. 2.Teil war das Herausgabeverlangen bzgl. eines „Pferdepasses“
Lukas_Mengestu
19.10.2021, 09:23:18
Vielen Dank für den Hinweis, Vanessa! Ich hoffe es ist gut gelaufen und wünsche Dir für die kommenden Prüfungen viel Erfolg! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team :-)
Vanessa
21.10.2021, 16:08:06
Vielen Dank :) muss ehrlich sagen, bisher haben mir die Fälle hier für die Klausuren super viel gebracht!
Ella
25.11.2021, 11:20:48
Wieso greift der 477 nicht bzgl. des Kissing-Spines Syndroms? Müsste dafür neben den Rittigkeitsproblemen auch noch Lähmung etc auftreten, damit es als Sachmangel gilt und die Vermutungswirkung anwendbar ist?
Lukas_Mengestu
26.11.2021, 10:31:25
Hallo Ella, genau so ist es! Da an dieser Stelle das Urteil des BGH sehr differenziert ist, muss man hier mit den Begrifflichkeiten etwas aufpassen: Der Sachverständige hatte einen sogenannten "Kissing Spines BEFUND" festgestellt. Darunter versteht man die Berührung oder gar Annäherung von Dornfortsätzen der Wirbelsäule (vgl. RdNr. 10, 30). Gleichzeitig hat der Sachverständige aber ausgeführt, dass allein dieser Befund einer Verwendung als Reitpferd noch nicht entgegensteht.. Die sportliche Nutzung sei nur beeinträchtigt, wenn der Befund klinische Relevanz aufweise. Nur dann liege ein "Kissing Spines SYNDROM" vor (vgl. RdNr. 11, 30, 37). Klinische Erscheinungen können etwa Lahmheit, krankhafte Störungen des Bewegungsapparats oder offensichtliche Schmerzen sein. Solche Symptome, insbesondere (Druck-)Schmerzempfindlichkeit konnten vorliegend nicht festgestellt werden (vgl. RdNr. 39). Keine Sorge, es heißt zwar immer im Examen müsse man einfach alles wissen - bislang sehen die Ausbildungsordnungen aber nicht vor, dass man vertiefte Kenntnisse in der Veterinärmedizin aufweisen muss. Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen BEFUND und SYNDROM muss es in einer Klausur also ausdrückliche Sachverhaltshinweise geben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ella
26.11.2021, 10:51:50
Ah perfekt, Danke Dir!
Larzed
29.9.2022, 22:40:39
Vielleicht etwas unnötig, aber man sollte hier bzgl § 477 das neue Kaufrecht mit der Jahresvermutung aktualisieren.
Mangopüree
3.10.2022, 11:32:41
Die neue Jahresvermutung des §
477 BGBgilt nur hinsichtlich Waren. Bei lebenden Tieren bleibt es bei den bisherigen 6 Monaten, vgl. §477 ABS. 1 S.2 BGB
kithorx
16.10.2023, 16:49:44
Mit einer der Fragen habe ich Probleme - dort wird meines Verständnisses nach von einem Mangel auf eine veränderte Soll-
Beschaffenheitgeschlossen. Verstehe ich was falsch?