Zivilrecht

Zivilprozessrecht

Gerichtszuständigkeit

Zuständigkeit am Erfüllungsort nach § 29 Abs. 1 ZPO

Zuständigkeit am Erfüllungsort nach § 29 Abs. 1 ZPO

13. Oktober 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Anwalt mit offener Rechnung in der Hand als Illustration für Zuständigkeit am Erfüllungsort

B (Wohnsitz: Bitburg) engagiert Rechtsanwalt R (Wohnsitz: Trier). Nach verlorenem Prozess vor dem Landgericht Düsseldorf weigert B sich, dem R sein Honorar (€4.000) zu zahlen. R möchte es einklagen. Trier und Bitburg liegen im Landgerichtsbezirk Trier und haben jeweils ein eigenes Amtsgericht.

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Einordnung des Falls

Zuständigkeit am Erfüllungsort nach § 29 Abs. 1 ZPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn kein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand besteht, kann R den B an dessen Wohnsitz - Bitburg - verklagen (§§ 12, 13 ZPO, allgemeiner Gerichtsstand).

Genau, so ist das!

Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte ergibt sich aus den §§ 12ff. ZPO. Grundsätzlich ist die Klage am (Wohn-)Sitz des Beklagten zu erheben (§§ 12, 13 ZPO).Da der Kläger es in der Hand hat, ob und wann er einen Gerichtsprozess beginnt, soll der Beklagte als Ausgleich möglichst keine Erschwernisse aufgrund langer Anfahrtswege haben. Neben diesen allgemeinen Gerichtsstand treten in bestimmten Fällen besondere Gerichtsstände. Der Kläger hat dann die Wahl, wo er klagt (§ 35 ZPO). Wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht, darf der Kläger nur dort klagen.
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2. Vorliegend besteht ein anderweitiger ausschließlicher Gerichtsstand.

Nein, das trifft nicht zu!

Beispiele für ausschließliche Gerichtsstände sind § 24 (ausschließlicher dinglicher Gerichtsstand) und § 29a Abs. 1 ZPO (ausschließlicher Gerichtsstand bei Miet- oder Pachträumen).Ein ausschließlicher Gerichtsstand ist vorliegend nicht begründet. In Betracht kommt jedoch ein besonderer Gerichtsstand. Ist ein solcher neben dem allgemeinen Gerichtsstand gegeben, hat der Kläger ein Wahlrecht, wo er Klage erheben will (§ 35 ZPO).

3. Neben dem allgemeinen Gerichtsstand besteht ein besonderer Gerichtsstand am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung (§ 29 Abs. 1 ZPO).

Ja!

§ 29 Abs. 1 ZPO ist ein besonderer, nicht ausschließlicher Gerichtsstand. § 29 ZPO gilt nicht nur für vertragliche Erfüllungsansprüche (wie etwa die Pflicht zur Übergabe und Übereignung aus einem Kaufvertrag), sondern auch für Gewährleistungsansprüche und Ansprüche nach Rücktritt oder Anfechtung.

4. Der Erfüllungsort (§ 29 Abs. 1 ZPO) liegt für alle Verpflichtungen aus dem Anwaltsvertrag am Ort der vertragscharakteristischen Leistung (der anwaltlichen Beratung).

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei Klage aus einem Vertragsverhältnis (§ 29 ZPO) wird grundsätzlich für jede Vertragspflicht separat bestimmt, wo ihr Erfüllungsort liegt. So kann es zu verschiedenen Erfüllungsorten für die einzelnen Verpflichtungen aus einem Vertrag kommen. Ein einheitlicher Erfüllungsort kommt nur ausnahmsweise in Betracht (z.B. (1) alltägliche Ladengeschäfte, (2) Bauwerksverträge oder (3) Arbeitsverträge).Der anwaltliche Mandatsvertrag stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) mit dienstvertraglichem Einschlag dar. Es geht somit um eine Klage aus einem Vertragsverhältnis, für die § 29 Abs. ZPO gilt. Vorliegend ist irrelevant, wo der Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung (der anwaltlichen Beratung) liegt. Entscheidend ist der Erfüllungsort der streitigen Honorarzahlungspflicht.

5. Der Erfüllungsort (§ 29 Abs. 1 ZPO) der Honorarzahlungspflicht liegt am Wohnsitz des B in Bitburg.

Ja, in der Tat!

Der Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) bestimmt sich nach dem materiellen Recht (§ 269 BGB). Geldschulden sind sog. qualifizierte Schickschulden. Der Schuldner ist verpflichtet, das Geld auf seine Gefahr und seine Kosten an den Wohnort des Gläubigers zu übermitteln (§ 270 Abs. 1 BGB). Der Leistungsort richtet sich gem. § 270 Abs. 4 BGB nach § 269 BGB. Der Erfüllungsort liegt nach § 269 Abs. 1 BGB dort, wo der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte (es sei denn, die Parteien haben den Ort der Leistung bestimmt oder der Ort der Leistung ist aus den sonstigen Umständen zu entnehmen).Dies ist hier in Bitburg, wo B seinen Wohnsitz hat. Es besteht vorliegend also sowohl der allgemeine Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO), als auch der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO) in Bitburg.

6. Zuständiges Gericht ist das Landgericht Trier.

Nein!

Nach § 23 Nr. 1 GVG sind, soweit sich nicht aus § 71 GVG etwas anderes ergibt, bis zu einem Streitwert von einschließlich € 5000,00 die Amtsgerichte sachlich zuständig.Demnach ist für die Honorarforderung von € 4000,00 des R (Streitwert nach §§ 2 ff. ZPO = € 4000,00) einzig das Amtsgericht Bitburg zuständig.

7. R könnte sein Honorar auch vor dem Gericht des Vorprozesses (Landgericht Düsseldorf) einklagen (§ 34 ZPO).

Ja, in der Tat!

Für Klagen der Prozessbevollmächtigten, der Beistände, der Zustellungsbevollmächtigten und der Gerichtsvollzieher wegen Gebühren und Auslagen ist das Gericht des Hauptprozesses zuständig (§ 34 ZPO). Die Norm regelt dabei nicht nur die örtliche, sondern zugleich auch die sachliche Zuständigkeit.R ist Prozessbevollmächtigter des B und streitet mit diesem über die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für die Vertretung in dem Vorprozess vor dem Landgericht Düsseldorf. Neben dem Amtsgericht Bitburg, könnte er somit auch vor dem Landgericht Düsseldorf klagen.
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